Partheien zerfiel; er wollte allem Streit vorbeugen, und bestellte seinen ältesten Sohn Darius zum Nachfolger, mit der Erlaubniß, schon jetzt den königlichen Turban tragen zu dürfen. Nach Persi- scher Sitte war demnächst dem Darius eine Bitte erlaubt, die der Vater zu erfüllen nicht weigern durfte. Darius bat um Aspasia, die schöne Jonierin, die dem Könige unter allen seinen Weibern die liebste war; er wagte nicht sie zu verweigern, und ver- mochte nicht sie hinzugeben; er sprach, sie sei eine freigeborne Grie- chin, sie allein dürfe über sich entscheiden, gewähren oder versagen. Aspasia wählte den königlichen Prinzen; und der König befahl, sie nach Ekbatana in den Tempel der Anytis zu bringen; Darius war in seiner schönsten Hoffnung getäuscht. Den Hofleuten ent- ging seine Erbitterung nicht; unter ihnen war Tiribazus, der längst schon geheimen Groll gegen den greisen König hegte; denn Artaxer- xes hatte ihm seine schöne Tochter Amestris zur Ehe versprochen, dann, selbst nach ihrem Genuß lüstern, ihm eine jüngere Prinzessin Atossa verlobt, und auch diese wieder in seinen Harem genommen. Tiribazus, ein ächt barbarischer Charakter, trotzig im Glück, frech im Unglück, überall voll Tücke und Treulosigkeit, schlich sich jetzt in des gekränkten Darius Vertrauen; er stellte ihm vor, wie die Schande, die unerträglicher als der Verlust sei, ihn selbst in der Thronfolge gefährden würde, da der Vater nach der Beleidigung ihn hassen und fürchten, die Perser, wenn er sie ungerächt lasse, ihn verachten und vergessen würden, zumal da sein Bruder Ochus dar- auf sinne, ihn zu verdrängen. Darius, voll Gram und Erbitte- rung, gab sich ganz in seine Hände; der Mord des Königs, der Tag zum Morde wird bestimmt, schon dringen die Mörder in des Königs Gemach; aber der Plan ist verrathen, Tiribazus, und bald nach ihm Darius, büßen mit dem Leben.
Unter den vielen Söhnen des Königs waren jetzt noch beson- ders drei, zwischen denen die Thronfolge schwankte; die größte Hoff- nung machte sich Ochus, nicht bloß weil er der älteste war, son- dern weil eine mächtige Parthei am Hofe für ihn wirkte, und er namentlich seine Schwester Atossa, die jetzt unter den Weibern sei- nes Vaters die Favorite war, durch das Versprechen, sie einst zu heirathen und zur rechtmäßigen Königin zu machen, gewonnen hatte. Die Perser dagegen verlangten den sanften und offenen Ariaspes
Partheien zerfiel; er wollte allem Streit vorbeugen, und beſtellte ſeinen älteſten Sohn Darius zum Nachfolger, mit der Erlaubniß, ſchon jetzt den königlichen Turban tragen zu dürfen. Nach Perſi- ſcher Sitte war demnächſt dem Darius eine Bitte erlaubt, die der Vater zu erfüllen nicht weigern durfte. Darius bat um Aspaſia, die ſchöne Jonierin, die dem Könige unter allen ſeinen Weibern die liebſte war; er wagte nicht ſie zu verweigern, und ver- mochte nicht ſie hinzugeben; er ſprach, ſie ſei eine freigeborne Grie- chin, ſie allein dürfe über ſich entſcheiden, gewähren oder verſagen. Aspaſia wählte den königlichen Prinzen; und der König befahl, ſie nach Ekbatana in den Tempel der Anytis zu bringen; Darius war in ſeiner ſchönſten Hoffnung getäuſcht. Den Hofleuten ent- ging ſeine Erbitterung nicht; unter ihnen war Tiribazus, der längſt ſchon geheimen Groll gegen den greiſen König hegte; denn Artaxer- xes hatte ihm ſeine ſchöne Tochter Ameſtris zur Ehe verſprochen, dann, ſelbſt nach ihrem Genuß lüſtern, ihm eine jüngere Prinzeſſin Atoſſa verlobt, und auch dieſe wieder in ſeinen Harem genommen. Tiribazus, ein ächt barbariſcher Charakter, trotzig im Glück, frech im Unglück, überall voll Tücke und Treuloſigkeit, ſchlich ſich jetzt in des gekränkten Darius Vertrauen; er ſtellte ihm vor, wie die Schande, die unerträglicher als der Verluſt ſei, ihn ſelbſt in der Thronfolge gefährden würde, da der Vater nach der Beleidigung ihn haſſen und fürchten, die Perſer, wenn er ſie ungerächt laſſe, ihn verachten und vergeſſen würden, zumal da ſein Bruder Ochus dar- auf ſinne, ihn zu verdrängen. Darius, voll Gram und Erbitte- rung, gab ſich ganz in ſeine Hände; der Mord des Königs, der Tag zum Morde wird beſtimmt, ſchon dringen die Mörder in des Königs Gemach; aber der Plan iſt verrathen, Tiribazus, und bald nach ihm Darius, büßen mit dem Leben.
Unter den vielen Söhnen des Königs waren jetzt noch beſon- ders drei, zwiſchen denen die Thronfolge ſchwankte; die größte Hoff- nung machte ſich Ochus, nicht bloß weil er der älteſte war, ſon- dern weil eine mächtige Parthei am Hofe für ihn wirkte, und er namentlich ſeine Schweſter Atoſſa, die jetzt unter den Weibern ſei- nes Vaters die Favorite war, durch das Verſprechen, ſie einſt zu heirathen und zur rechtmäßigen Königin zu machen, gewonnen hatte. Die Perſer dagegen verlangten den ſanften und offenen Ariaspes
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Partheien zerfiel; er wollte allem Streit vorbeugen, und beſtellte
ſeinen älteſten Sohn Darius zum Nachfolger, mit der Erlaubniß,
ſchon jetzt den königlichen Turban tragen zu dürfen. Nach Perſi-
ſcher Sitte war demnächſt dem Darius eine Bitte erlaubt,
die der Vater zu erfüllen nicht weigern durfte. Darius bat um
Aspaſia, die ſchöne Jonierin, die dem Könige unter allen ſeinen
Weibern die liebſte war; er wagte nicht ſie zu verweigern, und ver-
mochte nicht ſie hinzugeben; er ſprach, ſie ſei eine freigeborne Grie-
chin, ſie allein dürfe über ſich entſcheiden, gewähren oder verſagen.
Aspaſia wählte den königlichen Prinzen; und der König befahl, ſie
nach Ekbatana in den Tempel der Anytis zu bringen; Darius
war in ſeiner ſchönſten Hoffnung getäuſcht. Den Hofleuten ent-
ging ſeine Erbitterung nicht; unter ihnen war Tiribazus, der längſt
ſchon geheimen Groll gegen den greiſen König hegte; denn Artaxer-
xes hatte ihm ſeine ſchöne Tochter Ameſtris zur Ehe verſprochen,
dann, ſelbſt nach ihrem Genuß lüſtern, ihm eine jüngere Prinzeſſin
Atoſſa verlobt, und auch dieſe wieder in ſeinen Harem genommen.
Tiribazus, ein ächt barbariſcher Charakter, trotzig im Glück, frech
im Unglück, überall voll Tücke und Treuloſigkeit, ſchlich ſich jetzt in
des gekränkten Darius Vertrauen; er ſtellte ihm vor, wie die
Schande, die unerträglicher als der Verluſt ſei, ihn ſelbſt in der
Thronfolge gefährden würde, da der Vater nach der Beleidigung ihn
haſſen und fürchten, die Perſer, wenn er ſie ungerächt laſſe, ihn
verachten und vergeſſen würden, zumal da ſein Bruder Ochus dar-
auf ſinne, ihn zu verdrängen. Darius, voll Gram und Erbitte-
rung, gab ſich ganz in ſeine Hände; der Mord des Königs, der
Tag zum Morde wird beſtimmt, ſchon dringen die Mörder in des
Königs Gemach; aber der Plan iſt verrathen, Tiribazus, und bald
nach ihm Darius, büßen mit dem Leben.
Unter den vielen Söhnen des Königs waren jetzt noch beſon-
ders drei, zwiſchen denen die Thronfolge ſchwankte; die größte Hoff-
nung machte ſich Ochus, nicht bloß weil er der älteſte war, ſon-
dern weil eine mächtige Parthei am Hofe für ihn wirkte, und er
namentlich ſeine Schweſter Atoſſa, die jetzt unter den Weibern ſei-
nes Vaters die Favorite war, durch das Verſprechen, ſie einſt zu
heirathen und zur rechtmäßigen Königin zu machen, gewonnen hatte.
Die Perſer dagegen verlangten den ſanften und offenen Ariaspes
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/36>, abgerufen am 21.11.2024.
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