wundbar wie alle. So reifte in der Seele des unglücklichen Jünglings der Gedanke der traurigsten Rache. Sein Busenfreund war So- stratus, der Sohn des Stymphäers Amyntas, desselben, der mit seinen drei Brüdern bei der Philotasverschwörung in den Verdacht der Theilnahme gefallen war, und, um sich aller Schuld frei zu zeigen, den Tod im Kampfe gesucht hatte; diesem Sostratus theilte sich Hermolaus mit: das Leben sei ihm verleidet, wenn er sich nicht rächen könne. Leicht war Sostratus gewonnen: es sei ja Alexan- der, der ihm schon den Vater entrissen, der ihm jetzt den Freund beschimpft. Die beiden Jünglinge zogen noch vier andere aus der Schaar der Edelknaben ins Geheimniß; es waren Antipater, der Sohn des Asklepiodor, des gewesenen Statthalters von Syrien, Epimanes, Arseas Sohn, Antikles, Theokrits Sohn und der Thra- cische Philotas, des Karsis Sohn; sie verabredeten, in der Nacht, wenn Antipater die Wache hätte, den König im Schlafe zu er- morden. Die Nacht kam; Alexander hatte mit den Freunden zu Abend gegessen und blieb länger als sonst in der Gesellschaft der Getreuen; schon war Mitternacht vorüber, man wollte aufbrechen und sich zur Ruhe begeben. Nun war, so heißt es, ein Syrisches Weib, voll Zauber und Weissagung, in ihrem begeisterten Wahn- sinn dem König seit Jahren gefolgt, und hatte den Freunden schon oft Anlaß zu Spott und Neckereien gegen Alexander gegeben, der dann lachend einstimmte; als sich aber wiederholentlich ihre Sprüche wahr erfunden, misachtete sie der König nicht länger, er befahl, ihr Nacht und Tag den Zugang zu seiner Person zu gestatten, und oftmals war sie in der Stille der Mitternacht plötzlich vor seinem Bette erschienen, mit Warnung oder Rath. Als man jetzt eben von Tafel aufbrach, stand das Weib an des Königs Seite und bat ihn: "bleib und trinke die Nacht durch!" Und Alexander rief fröh- lich den Freunden zu, sie möchten bleiben, so wollten es die freund- lichen Götter. So tranken und scherzten sie bis zum Morgen. Als nun Alexander, da schon der Tag anbrach, heimging, und die Pagen, deren Zeit schon lange vorüber war, noch wachen und ihn erwarten sah, lobte er sie für ihre Sorge, und entließ sie reich be- schenkt. Die Verschworenen gingen heim, entschlossen, die nächste Nachtwache, die auf sie fiel, zu benutzen. Epimenes sah Tages darauf seinen Busenfreund Charikles, den Sohn des Menander,
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wundbar wie alle. So reifte in der Seele des ungluͤcklichen Juͤnglings der Gedanke der traurigſten Rache. Sein Buſenfreund war So- ſtratus, der Sohn des Stymphaͤers Amyntas, deſſelben, der mit ſeinen drei Bruͤdern bei der Philotasverſchwoͤrung in den Verdacht der Theilnahme gefallen war, und, um ſich aller Schuld frei zu zeigen, den Tod im Kampfe geſucht hatte; dieſem Soſtratus theilte ſich Hermolaus mit: das Leben ſei ihm verleidet, wenn er ſich nicht raͤchen koͤnne. Leicht war Soſtratus gewonnen: es ſei ja Alexan- der, der ihm ſchon den Vater entriſſen, der ihm jetzt den Freund beſchimpft. Die beiden Juͤnglinge zogen noch vier andere aus der Schaar der Edelknaben ins Geheimniß; es waren Antipater, der Sohn des Asklepiodor, des geweſenen Statthalters von Syrien, Epimanes, Arſeas Sohn, Antikles, Theokrits Sohn und der Thra- ciſche Philotas, des Karſis Sohn; ſie verabredeten, in der Nacht, wenn Antipater die Wache haͤtte, den Koͤnig im Schlafe zu er- morden. Die Nacht kam; Alexander hatte mit den Freunden zu Abend gegeſſen und blieb laͤnger als ſonſt in der Geſellſchaft der Getreuen; ſchon war Mitternacht voruͤber, man wollte aufbrechen und ſich zur Ruhe begeben. Nun war, ſo heißt es, ein Syriſches Weib, voll Zauber und Weiſſagung, in ihrem begeiſterten Wahn- ſinn dem Koͤnig ſeit Jahren gefolgt, und hatte den Freunden ſchon oft Anlaß zu Spott und Neckereien gegen Alexander gegeben, der dann lachend einſtimmte; als ſich aber wiederholentlich ihre Spruͤche wahr erfunden, misachtete ſie der Koͤnig nicht laͤnger, er befahl, ihr Nacht und Tag den Zugang zu ſeiner Perſon zu geſtatten, und oftmals war ſie in der Stille der Mitternacht ploͤtzlich vor ſeinem Bette erſchienen, mit Warnung oder Rath. Als man jetzt eben von Tafel aufbrach, ſtand das Weib an des Koͤnigs Seite und bat ihn: „bleib und trinke die Nacht durch!“ Und Alexander rief froͤh- lich den Freunden zu, ſie moͤchten bleiben, ſo wollten es die freund- lichen Goͤtter. So tranken und ſcherzten ſie bis zum Morgen. Als nun Alexander, da ſchon der Tag anbrach, heimging, und die Pagen, deren Zeit ſchon lange voruͤber war, noch wachen und ihn erwarten ſah, lobte er ſie fuͤr ihre Sorge, und entließ ſie reich be- ſchenkt. Die Verſchworenen gingen heim, entſchloſſen, die naͤchſte Nachtwache, die auf ſie fiel, zu benutzen. Epimenes ſah Tages darauf ſeinen Buſenfreund Charikles, den Sohn des Menander,
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wundbar wie alle. So reifte in der Seele des ungluͤcklichen Juͤnglings
der Gedanke der traurigſten Rache. Sein Buſenfreund war So-
ſtratus, der Sohn des Stymphaͤers Amyntas, deſſelben, der mit
ſeinen drei Bruͤdern bei der Philotasverſchwoͤrung in den Verdacht
der Theilnahme gefallen war, und, um ſich aller Schuld frei zu
zeigen, den Tod im Kampfe geſucht hatte; dieſem Soſtratus theilte
ſich Hermolaus mit: das Leben ſei ihm verleidet, wenn er ſich nicht
raͤchen koͤnne. Leicht war Soſtratus gewonnen: es ſei ja Alexan-
der, der ihm ſchon den Vater entriſſen, der ihm jetzt den Freund
beſchimpft. Die beiden Juͤnglinge zogen noch vier andere aus der
Schaar der Edelknaben ins Geheimniß; es waren Antipater, der
Sohn des Asklepiodor, des geweſenen Statthalters von Syrien,
Epimanes, Arſeas Sohn, Antikles, Theokrits Sohn und der Thra-
ciſche Philotas, des Karſis Sohn; ſie verabredeten, in der Nacht,
wenn Antipater die Wache haͤtte, den Koͤnig im Schlafe zu er-
morden. Die Nacht kam; Alexander hatte mit den Freunden zu
Abend gegeſſen und blieb laͤnger als ſonſt in der Geſellſchaft der
Getreuen; ſchon war Mitternacht voruͤber, man wollte aufbrechen
und ſich zur Ruhe begeben. Nun war, ſo heißt es, ein Syriſches
Weib, voll Zauber und Weiſſagung, in ihrem begeiſterten Wahn-
ſinn dem Koͤnig ſeit Jahren gefolgt, und hatte den Freunden ſchon
oft Anlaß zu Spott und Neckereien gegen Alexander gegeben, der
dann lachend einſtimmte; als ſich aber wiederholentlich ihre Spruͤche
wahr erfunden, misachtete ſie der Koͤnig nicht laͤnger, er befahl, ihr
Nacht und Tag den Zugang zu ſeiner Perſon zu geſtatten, und
oftmals war ſie in der Stille der Mitternacht ploͤtzlich vor ſeinem
Bette erſchienen, mit Warnung oder Rath. Als man jetzt eben
von Tafel aufbrach, ſtand das Weib an des Koͤnigs Seite und bat
ihn: „bleib und trinke die Nacht durch!“ Und Alexander rief froͤh-
lich den Freunden zu, ſie moͤchten bleiben, ſo wollten es die freund-
lichen Goͤtter. So tranken und ſcherzten ſie bis zum Morgen.
Als nun Alexander, da ſchon der Tag anbrach, heimging, und die
Pagen, deren Zeit ſchon lange voruͤber war, noch wachen und ihn
erwarten ſah, lobte er ſie fuͤr ihre Sorge, und entließ ſie reich be-
ſchenkt. Die Verſchworenen gingen heim, entſchloſſen, die naͤchſte
Nachtwache, die auf ſie fiel, zu benutzen. Epimenes ſah Tages
darauf ſeinen Buſenfreund Charikles, den Sohn des Menander,
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/369>, abgerufen am 29.11.2024.
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