der als Befehlshaber eines festen Platzes im Baktrischen von Ale- xander vor Kurzem, weil er den ihm anvertrauten Posten verlassen hatte, niedergestochen war 88). Epimenes mochte seinem Freunde nicht länger das Geheimniß verhehlen; er sagte ihm, was bereits geschehen, was noch im Werke sei. Bestürzt und empört eilte Cha- rikles zu seines Freundes Bruder Eurylochus, und beschwor ihn durch schnelle Anzeige den König zu retten; sofort ging dieser in des Königs Zelt, und entdeckte dem Lagiden Ptolemäus den furcht- baren Plan. Auf seine Anzeige befahl der König, schleunigst die Verschworenen nebst Kallisthenes, dessen Verhältniß zu ihnen be- kannt war, zu verhaften; sie wurden verhört, sie bekannten auf der Stelle ihren Plan, ihre Genossen, Kallisthenes Mitwissenschaft. Dann wurde das Heer zum Kriegsgericht berufen, die Gefangenen, außer Kallisthenes (denn dieser war Grieche) vorgeführt; ber Kö- nig klagte auf Hochverrath; mit lautem Unwillen hörten die tap- feren Macedonier von dem Plan und ihres Königs Gefahr. Dann fragte Alexander die Verschworenen, was sie zu ihrer Vertheidigung vorzubringen hätten. Hermolaus nahm das Wort, er sprach mit dem Gefühl eines Märtyrers der Wahrheit und dem ganzen Stelz der Hoffnungslosigkeit: Alexanders Uebermuth könne kein freier Mann mehr ertragen; der Macedonier Ruhm sei durch des Kö- nigs Frevel tausendfach geschändet; gegen Recht und Sitte sei Philotas hingerichtet, der greise Parmenion meuchlings ermordet, trunken habe der König den edlen Klitus, der ihm das Leben ge- rettet, durchbohrt, niemand mehr sei vor dem Despoten sicher; mit Asiatische Sklaven wolle er um sich sehen; schon sei versucht, freie Macedonier zur Anbetung zu zwingen; der König wisse, daß er, Verräther an der Sitte der Väter, mit seinem Medischen Kleide und seiner Asiatischen Wollust, mit seinem zwischen Rausch und Schlaf getheilten Leben unter freien Männern verachtet und ge- fährdet, nur unter Erniedrigten und mit ihm Entarteten seines unwürdigen Lebens sicher sei; die Verschworenen hätten sich und die Macedonier befreien wollen, bevor es zu spät gewesen. Die Macedonier aber, empört über den verruchten Anschlag, steinigten
88) Dieser (Plut. 57.), nicht der Lydische Satrap, der Magne- sier Menander, scheint bezeichnet zu sein.
der als Befehlshaber eines feſten Platzes im Baktriſchen von Ale- xander vor Kurzem, weil er den ihm anvertrauten Poſten verlaſſen hatte, niedergeſtochen war 88). Epimenes mochte ſeinem Freunde nicht laͤnger das Geheimniß verhehlen; er ſagte ihm, was bereits geſchehen, was noch im Werke ſei. Beſtuͤrzt und empoͤrt eilte Cha- rikles zu ſeines Freundes Bruder Eurylochus, und beſchwor ihn durch ſchnelle Anzeige den Koͤnig zu retten; ſofort ging dieſer in des Koͤnigs Zelt, und entdeckte dem Lagiden Ptolemaͤus den furcht- baren Plan. Auf ſeine Anzeige befahl der Koͤnig, ſchleunigſt die Verſchworenen nebſt Kalliſthenes, deſſen Verhaͤltniß zu ihnen be- kannt war, zu verhaften; ſie wurden verhoͤrt, ſie bekannten auf der Stelle ihren Plan, ihre Genoſſen, Kalliſthenes Mitwiſſenſchaft. Dann wurde das Heer zum Kriegsgericht berufen, die Gefangenen, außer Kalliſthenes (denn dieſer war Grieche) vorgefuͤhrt; ber Koͤ- nig klagte auf Hochverrath; mit lautem Unwillen hoͤrten die tap- feren Macedonier von dem Plan und ihres Koͤnigs Gefahr. Dann fragte Alexander die Verſchworenen, was ſie zu ihrer Vertheidigung vorzubringen haͤtten. Hermolaus nahm das Wort, er ſprach mit dem Gefuͤhl eines Maͤrtyrers der Wahrheit und dem ganzen Stelz der Hoffnungsloſigkeit: Alexanders Uebermuth koͤnne kein freier Mann mehr ertragen; der Macedonier Ruhm ſei durch des Koͤ- nigs Frevel tauſendfach geſchaͤndet; gegen Recht und Sitte ſei Philotas hingerichtet, der greiſe Parmenion meuchlings ermordet, trunken habe der Koͤnig den edlen Klitus, der ihm das Leben ge- rettet, durchbohrt, niemand mehr ſei vor dem Despoten ſicher; mit Aſiatiſche Sklaven wolle er um ſich ſehen; ſchon ſei verſucht, freie Macedonier zur Anbetung zu zwingen; der Koͤnig wiſſe, daß er, Verraͤther an der Sitte der Vaͤter, mit ſeinem Mediſchen Kleide und ſeiner Aſiatiſchen Wolluſt, mit ſeinem zwiſchen Rauſch und Schlaf getheilten Leben unter freien Maͤnnern verachtet und ge- faͤhrdet, nur unter Erniedrigten und mit ihm Entarteten ſeines unwuͤrdigen Lebens ſicher ſei; die Verſchworenen haͤtten ſich und die Macedonier befreien wollen, bevor es zu ſpaͤt geweſen. Die Macedonier aber, empoͤrt uͤber den verruchten Anſchlag, ſteinigten
88) Dieſer (Plut. 57.), nicht der Lydiſche Satrap, der Magne- ſier Menander, ſcheint bezeichnet zu ſein.
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[356/0370]
der als Befehlshaber eines feſten Platzes im Baktriſchen von Ale-
xander vor Kurzem, weil er den ihm anvertrauten Poſten verlaſſen
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nicht laͤnger das Geheimniß verhehlen; er ſagte ihm, was bereits
geſchehen, was noch im Werke ſei. Beſtuͤrzt und empoͤrt eilte Cha-
rikles zu ſeines Freundes Bruder Eurylochus, und beſchwor ihn
durch ſchnelle Anzeige den Koͤnig zu retten; ſofort ging dieſer in
des Koͤnigs Zelt, und entdeckte dem Lagiden Ptolemaͤus den furcht-
baren Plan. Auf ſeine Anzeige befahl der Koͤnig, ſchleunigſt die
Verſchworenen nebſt Kalliſthenes, deſſen Verhaͤltniß zu ihnen be-
kannt war, zu verhaften; ſie wurden verhoͤrt, ſie bekannten auf der
Stelle ihren Plan, ihre Genoſſen, Kalliſthenes Mitwiſſenſchaft.
Dann wurde das Heer zum Kriegsgericht berufen, die Gefangenen,
außer Kalliſthenes (denn dieſer war Grieche) vorgefuͤhrt; ber Koͤ-
nig klagte auf Hochverrath; mit lautem Unwillen hoͤrten die tap-
feren Macedonier von dem Plan und ihres Koͤnigs Gefahr. Dann
fragte Alexander die Verſchworenen, was ſie zu ihrer Vertheidigung
vorzubringen haͤtten. Hermolaus nahm das Wort, er ſprach mit
dem Gefuͤhl eines Maͤrtyrers der Wahrheit und dem ganzen Stelz
der Hoffnungsloſigkeit: Alexanders Uebermuth koͤnne kein freier
Mann mehr ertragen; der Macedonier Ruhm ſei durch des Koͤ-
nigs Frevel tauſendfach geſchaͤndet; gegen Recht und Sitte ſei
Philotas hingerichtet, der greiſe Parmenion meuchlings ermordet,
trunken habe der Koͤnig den edlen Klitus, der ihm das Leben ge-
rettet, durchbohrt, niemand mehr ſei vor dem Despoten ſicher; mit
Aſiatiſche Sklaven wolle er um ſich ſehen; ſchon ſei verſucht, freie
Macedonier zur Anbetung zu zwingen; der Koͤnig wiſſe, daß er,
Verraͤther an der Sitte der Vaͤter, mit ſeinem Mediſchen Kleide
und ſeiner Aſiatiſchen Wolluſt, mit ſeinem zwiſchen Rauſch und
Schlaf getheilten Leben unter freien Maͤnnern verachtet und ge-
faͤhrdet, nur unter Erniedrigten und mit ihm Entarteten ſeines
unwuͤrdigen Lebens ſicher ſei; die Verſchworenen haͤtten ſich und
die Macedonier befreien wollen, bevor es zu ſpaͤt geweſen. Die
Macedonier aber, empoͤrt uͤber den verruchten Anſchlag, ſteinigten
88) Dieſer (Plut. 57.), nicht der Lydiſche Satrap, der Magne-
ſier Menander, ſcheint bezeichnet zu ſein.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/370>, abgerufen am 29.11.2024.
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