füllte die Nacht aus; furchtbare Regengüsse, von Sturm und Ge- witter begleitet, machten es möglich, daß das Klirren der Waffen, das Hauen der Zimmerer jenseits nicht gehört wurde, der dichte Wald auf dem Vorgebirge und auf der Insel verbarg die Wacht- feuer der Macedonier.
Gegen Morgen legte sich der Sturm, der Regen hörte auf, der Strom fluthete brausend an den hohen Ufern der Insel vorü- ber; oberhalb derselben sollte das Heer übersetzen; der König selbst, von Perdikkas, Lysimachus und Seleukus nebst einer auserlesenen Schaar Hypaspisten begleitet, befand sich auf der Jacht, welche den Zug eröffnete; auf den andern Jachten folgten die übrigen Hypas- pisten, auf Boten, Stromkähnen, Flößen und Fähren die Reuterei und das Fußvolk, mit Ausschluß der beiden Phalangen, die zur Deckung und Beobachtung des Weges von Kaschmir zurückblie- ben 43). Und schon steuerten die Jachten an dem hohen und wal- digen Ufer der Insel vorüber; sobald man an deren Nordecke vor- über war, sah man die Reuter der feindlichen Vorposten, die beim Anblick der herüberfahrenden Heeresmacht, eiligst über das Blach- feld zurücksprengten. So war das feindliche Ufer von Vertheidi- gern entblößt und Niemand da, die Landung zu hindern; Alexan- der war der erste am Ufer, nach ihm legten die anderen Jachten an, bald folgte die Reuterei und das übrige Heer, bald war Alles in Marschkolonnen formirt, um weiter zu rücken; da zeigte sich, daß man auf einer Insel war; die Gewalt des Stromes, dessen Bett sich an dieser Stelle plötzlich gen Westen wendet, hatte das niedrige Erdreich am Ufer durchbrochen, und einen neuen wasser- reichen Arm gebildet. Lange suchten die Reuter vergebens und mit Lebensgefahr eine Furth hindurch, überall war das Wasser zu breit und zu tief, es schien nichts übrig zu bleiben, als die Fahrzeuge und Fähren um die Spitze dieser Insel herbeizuschaffen, es war die höchste Gefahr, daß durch den daraus entstehenden Zeitverlust
43) Dieß ergiebt sich aus der spätern Angabe, daß die Schlacht- linie des schweren Fußvolks sechstausend Mann betragen habe, (Ar rian. V. 14. 1.), so viel betrugen die Hypaspisten allein; wären beide Phalangen mit übergesetzt, so müßten zwölftausend Mann ge- nannt werden.
fuͤllte die Nacht aus; furchtbare Regenguͤſſe, von Sturm und Ge- witter begleitet, machten es moͤglich, daß das Klirren der Waffen, das Hauen der Zimmerer jenſeits nicht gehoͤrt wurde, der dichte Wald auf dem Vorgebirge und auf der Inſel verbarg die Wacht- feuer der Macedonier.
Gegen Morgen legte ſich der Sturm, der Regen hoͤrte auf, der Strom fluthete brauſend an den hohen Ufern der Inſel voruͤ- ber; oberhalb derſelben ſollte das Heer uͤberſetzen; der Koͤnig ſelbſt, von Perdikkas, Lyſimachus und Seleukus nebſt einer auserleſenen Schaar Hypaspiſten begleitet, befand ſich auf der Jacht, welche den Zug eroͤffnete; auf den andern Jachten folgten die uͤbrigen Hypas- piſten, auf Boten, Stromkaͤhnen, Floͤßen und Faͤhren die Reuterei und das Fußvolk, mit Ausſchluß der beiden Phalangen, die zur Deckung und Beobachtung des Weges von Kaſchmir zuruͤckblie- ben 43). Und ſchon ſteuerten die Jachten an dem hohen und wal- digen Ufer der Inſel voruͤber; ſobald man an deren Nordecke vor- uͤber war, ſah man die Reuter der feindlichen Vorpoſten, die beim Anblick der heruͤberfahrenden Heeresmacht, eiligſt uͤber das Blach- feld zuruͤckſprengten. So war das feindliche Ufer von Vertheidi- gern entbloͤßt und Niemand da, die Landung zu hindern; Alexan- der war der erſte am Ufer, nach ihm legten die anderen Jachten an, bald folgte die Reuterei und das uͤbrige Heer, bald war Alles in Marſchkolonnen formirt, um weiter zu ruͤcken; da zeigte ſich, daß man auf einer Inſel war; die Gewalt des Stromes, deſſen Bett ſich an dieſer Stelle ploͤtzlich gen Weſten wendet, hatte das niedrige Erdreich am Ufer durchbrochen, und einen neuen waſſer- reichen Arm gebildet. Lange ſuchten die Reuter vergebens und mit Lebensgefahr eine Furth hindurch, uͤberall war das Waſſer zu breit und zu tief, es ſchien nichts uͤbrig zu bleiben, als die Fahrzeuge und Faͤhren um die Spitze dieſer Inſel herbeizuſchaffen, es war die hoͤchſte Gefahr, daß durch den daraus entſtehenden Zeitverluſt
43) Dieß ergiebt ſich aus der ſpaͤtern Angabe, daß die Schlacht- linie des ſchweren Fußvolks ſechstauſend Mann betragen habe, (Ar rian. V. 14. 1.), ſo viel betrugen die Hypaspiſten allein; waͤren beide Phalangen mit uͤbergeſetzt, ſo muͤßten zwoͤlftauſend Mann ge- nannt werden.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0405"n="391"/>
fuͤllte die Nacht aus; furchtbare Regenguͤſſe, von Sturm und Ge-<lb/>
witter begleitet, machten es moͤglich, daß das Klirren der Waffen,<lb/>
das Hauen der Zimmerer jenſeits nicht gehoͤrt wurde, der dichte<lb/>
Wald auf dem Vorgebirge und auf der Inſel verbarg die Wacht-<lb/>
feuer der Macedonier.</p><lb/><p>Gegen Morgen legte ſich der Sturm, der Regen hoͤrte auf,<lb/>
der Strom fluthete brauſend an den hohen Ufern der Inſel voruͤ-<lb/>
ber; oberhalb derſelben ſollte das Heer uͤberſetzen; der Koͤnig ſelbſt,<lb/>
von Perdikkas, Lyſimachus und Seleukus nebſt einer auserleſenen<lb/>
Schaar Hypaspiſten begleitet, befand ſich auf der Jacht, welche den<lb/>
Zug eroͤffnete; auf den andern Jachten folgten die uͤbrigen Hypas-<lb/>
piſten, auf Boten, Stromkaͤhnen, Floͤßen und Faͤhren die Reuterei<lb/>
und das Fußvolk, mit Ausſchluß der beiden Phalangen, die zur<lb/>
Deckung und Beobachtung des Weges von Kaſchmir zuruͤckblie-<lb/>
ben <noteplace="foot"n="43)">Dieß ergiebt ſich aus der ſpaͤtern Angabe, daß die Schlacht-<lb/>
linie des ſchweren Fußvolks ſechstauſend Mann betragen habe, (<hirendition="#aq">Ar<lb/>
rian. V.</hi> 14. 1.), ſo viel betrugen die Hypaspiſten allein; waͤren<lb/>
beide Phalangen mit uͤbergeſetzt, ſo muͤßten zwoͤlftauſend Mann ge-<lb/>
nannt werden.</note>. Und ſchon ſteuerten die Jachten an dem hohen und wal-<lb/>
digen Ufer der Inſel voruͤber; ſobald man an deren Nordecke vor-<lb/>
uͤber war, ſah man die Reuter der feindlichen Vorpoſten, die beim<lb/>
Anblick der heruͤberfahrenden Heeresmacht, eiligſt uͤber das Blach-<lb/>
feld zuruͤckſprengten. So war das feindliche Ufer von Vertheidi-<lb/>
gern entbloͤßt und Niemand da, die Landung zu hindern; Alexan-<lb/>
der war der erſte am Ufer, nach ihm legten die anderen Jachten<lb/>
an, bald folgte die Reuterei und das uͤbrige Heer, bald war Alles<lb/>
in Marſchkolonnen formirt, um weiter zu ruͤcken; da zeigte ſich,<lb/>
daß man auf einer Inſel war; die Gewalt des Stromes, deſſen<lb/>
Bett ſich an dieſer Stelle ploͤtzlich gen Weſten wendet, hatte das<lb/>
niedrige Erdreich am Ufer durchbrochen, und einen neuen waſſer-<lb/>
reichen Arm gebildet. Lange ſuchten die Reuter vergebens und mit<lb/>
Lebensgefahr eine Furth hindurch, uͤberall war das Waſſer zu breit<lb/>
und zu tief, es ſchien nichts uͤbrig zu bleiben, als die Fahrzeuge<lb/>
und Faͤhren um die Spitze dieſer Inſel herbeizuſchaffen, es war<lb/>
die hoͤchſte Gefahr, daß durch den daraus entſtehenden Zeitverluſt<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[391/0405]
fuͤllte die Nacht aus; furchtbare Regenguͤſſe, von Sturm und Ge-
witter begleitet, machten es moͤglich, daß das Klirren der Waffen,
das Hauen der Zimmerer jenſeits nicht gehoͤrt wurde, der dichte
Wald auf dem Vorgebirge und auf der Inſel verbarg die Wacht-
feuer der Macedonier.
Gegen Morgen legte ſich der Sturm, der Regen hoͤrte auf,
der Strom fluthete brauſend an den hohen Ufern der Inſel voruͤ-
ber; oberhalb derſelben ſollte das Heer uͤberſetzen; der Koͤnig ſelbſt,
von Perdikkas, Lyſimachus und Seleukus nebſt einer auserleſenen
Schaar Hypaspiſten begleitet, befand ſich auf der Jacht, welche den
Zug eroͤffnete; auf den andern Jachten folgten die uͤbrigen Hypas-
piſten, auf Boten, Stromkaͤhnen, Floͤßen und Faͤhren die Reuterei
und das Fußvolk, mit Ausſchluß der beiden Phalangen, die zur
Deckung und Beobachtung des Weges von Kaſchmir zuruͤckblie-
ben 43). Und ſchon ſteuerten die Jachten an dem hohen und wal-
digen Ufer der Inſel voruͤber; ſobald man an deren Nordecke vor-
uͤber war, ſah man die Reuter der feindlichen Vorpoſten, die beim
Anblick der heruͤberfahrenden Heeresmacht, eiligſt uͤber das Blach-
feld zuruͤckſprengten. So war das feindliche Ufer von Vertheidi-
gern entbloͤßt und Niemand da, die Landung zu hindern; Alexan-
der war der erſte am Ufer, nach ihm legten die anderen Jachten
an, bald folgte die Reuterei und das uͤbrige Heer, bald war Alles
in Marſchkolonnen formirt, um weiter zu ruͤcken; da zeigte ſich,
daß man auf einer Inſel war; die Gewalt des Stromes, deſſen
Bett ſich an dieſer Stelle ploͤtzlich gen Weſten wendet, hatte das
niedrige Erdreich am Ufer durchbrochen, und einen neuen waſſer-
reichen Arm gebildet. Lange ſuchten die Reuter vergebens und mit
Lebensgefahr eine Furth hindurch, uͤberall war das Waſſer zu breit
und zu tief, es ſchien nichts uͤbrig zu bleiben, als die Fahrzeuge
und Faͤhren um die Spitze dieſer Inſel herbeizuſchaffen, es war
die hoͤchſte Gefahr, daß durch den daraus entſtehenden Zeitverluſt
43) Dieß ergiebt ſich aus der ſpaͤtern Angabe, daß die Schlacht-
linie des ſchweren Fußvolks ſechstauſend Mann betragen habe, (Ar
rian. V. 14. 1.), ſo viel betrugen die Hypaspiſten allein; waͤren
beide Phalangen mit uͤbergeſetzt, ſo muͤßten zwoͤlftauſend Mann ge-
nannt werden.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/405>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.