seiner Hand; um desto sicherer seine Stelle zu behaupten, ließ er des Königs jüngsten Sohn Arses zum Könige weihen, die Brü- der desselben ermorden; nur der eine, Bisthanes, rettete sich. Das geschah etwa zu der Zeit der Schlacht von Chäronea.
Indeß ertrug Arses nicht lange den frechen Stolz des Eunu- chen, er vergaß ihm nicht den Mord seines Vaters und seiner Brü- der; Bagoas eilte ihm zuvorzukommen; nach kaum zweijähriger Regierung ließ er den König mit seinen Kindern ermorden; zum zweiten Male war die Tiara in seinen Händen. Aber das könig- liche Haus war verödet; durch Ochus Hand waren Artaxerxes Söhne, durch Bagoas Ochus Söhne und Enkel ermordet; der ein- zige von ihnen, Bisthanes, war vor dem Eunuchen geflohen, zwi- schen ihnen konnte keine Gemeinschaft sein. Noch lebte ein Sohn jenes Darius, dem sein Vater Artaxerxes die Tiara gegeben, die schöne Jonierin verweigert hatte; aber die Augen der Perser wand- ten sich auf Kodomannus; er war Arsames Sohn, dessen Vater Ostanes ein Bruder des Königs Artaxerxes gewesen war, seine Mutter Sisygambis, desselben Artaxerxes Tochter; er wurde be- wundert wegen seiner Sanftmuth, seiner Schönheit und Tapferkeit; in dem Kriege, den Ochus gegen die Kadusier führte, hatte er allein die Herausforderung ihres riesigen Anführers zum Zweikampf an- zunehmen gewagt, und ihn bewältigt; damals war ihm von den Persern der Preis der Tapferkeit zuerkannt, sein Name von Alt und Jung gefeiert worden, der König Ochus hatte ihn mit Ge- schenken und Lobpreisungen überhäuft, und ihm die schöne Satra- pie Armenien gegeben. -- Mochte Bagoas jener Stimmung der Perser nachgegeben, oder sich mit der Hoffnung geschmeichelt haben, daß Darius Kodomannus für die Tiara, die er durch ihn erlangt hätte, treu ergeben bleiben würde, früh genug sollte er erkennen, wie sehr er sich getäuscht hatte. Der König haßte den Mörder und verachtete seinen Rath; Bagoas beschloß ihn aus dem Wege zu räumen, er mischte ihm Gift in den Becher; aber Darius war gewarnt, er rief den Eunuchen, und hieß ihn, als wäre es ein Zei- chen seiner Gunst, den Becher trinken. So fand Bagoas eine späte Strafe.
Die Zügel der Herrschaft waren in der Hand eines Königs, wie ihn Persien lange nicht gehabt hatte; schön und ernst, wie der
ſeiner Hand; um deſto ſicherer ſeine Stelle zu behaupten, ließ er des Königs jüngſten Sohn Arſes zum Könige weihen, die Brü- der deſſelben ermorden; nur der eine, Biſthanes, rettete ſich. Das geſchah etwa zu der Zeit der Schlacht von Chäronea.
Indeß ertrug Arſes nicht lange den frechen Stolz des Eunu- chen, er vergaß ihm nicht den Mord ſeines Vaters und ſeiner Brü- der; Bagoas eilte ihm zuvorzukommen; nach kaum zweijähriger Regierung ließ er den König mit ſeinen Kindern ermorden; zum zweiten Male war die Tiara in ſeinen Händen. Aber das könig- liche Haus war verödet; durch Ochus Hand waren Artaxerxes Söhne, durch Bagoas Ochus Söhne und Enkel ermordet; der ein- zige von ihnen, Biſthanes, war vor dem Eunuchen geflohen, zwi- ſchen ihnen konnte keine Gemeinſchaft ſein. Noch lebte ein Sohn jenes Darius, dem ſein Vater Artaxerxes die Tiara gegeben, die ſchöne Jonierin verweigert hatte; aber die Augen der Perſer wand- ten ſich auf Kodomannus; er war Arſames Sohn, deſſen Vater Oſtanes ein Bruder des Königs Artaxerxes geweſen war, ſeine Mutter Siſygambis, deſſelben Artaxerxes Tochter; er wurde be- wundert wegen ſeiner Sanftmuth, ſeiner Schönheit und Tapferkeit; in dem Kriege, den Ochus gegen die Kaduſier führte, hatte er allein die Herausforderung ihres rieſigen Anführers zum Zweikampf an- zunehmen gewagt, und ihn bewältigt; damals war ihm von den Perſern der Preis der Tapferkeit zuerkannt, ſein Name von Alt und Jung gefeiert worden, der König Ochus hatte ihn mit Ge- ſchenken und Lobpreiſungen überhäuft, und ihm die ſchöne Satra- pie Armenien gegeben. — Mochte Bagoas jener Stimmung der Perſer nachgegeben, oder ſich mit der Hoffnung geſchmeichelt haben, daß Darius Kodomannus für die Tiara, die er durch ihn erlangt hätte, treu ergeben bleiben würde, früh genug ſollte er erkennen, wie ſehr er ſich getäuſcht hatte. Der König haßte den Mörder und verachtete ſeinen Rath; Bagoas beſchloß ihn aus dem Wege zu räumen, er miſchte ihm Gift in den Becher; aber Darius war gewarnt, er rief den Eunuchen, und hieß ihn, als wäre es ein Zei- chen ſeiner Gunſt, den Becher trinken. So fand Bagoas eine ſpäte Strafe.
Die Zügel der Herrſchaft waren in der Hand eines Königs, wie ihn Perſien lange nicht gehabt hatte; ſchön und ernſt, wie der
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ſeiner Hand; um deſto ſicherer ſeine Stelle zu behaupten, ließ er
des Königs jüngſten Sohn Arſes zum Könige weihen, die Brü-
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geſchah etwa zu der Zeit der Schlacht von Chäronea.
Indeß ertrug Arſes nicht lange den frechen Stolz des Eunu-
chen, er vergaß ihm nicht den Mord ſeines Vaters und ſeiner Brü-
der; Bagoas eilte ihm zuvorzukommen; nach kaum zweijähriger
Regierung ließ er den König mit ſeinen Kindern ermorden; zum
zweiten Male war die Tiara in ſeinen Händen. Aber das könig-
liche Haus war verödet; durch Ochus Hand waren Artaxerxes
Söhne, durch Bagoas Ochus Söhne und Enkel ermordet; der ein-
zige von ihnen, Biſthanes, war vor dem Eunuchen geflohen, zwi-
ſchen ihnen konnte keine Gemeinſchaft ſein. Noch lebte ein Sohn
jenes Darius, dem ſein Vater Artaxerxes die Tiara gegeben, die
ſchöne Jonierin verweigert hatte; aber die Augen der Perſer wand-
ten ſich auf Kodomannus; er war Arſames Sohn, deſſen Vater
Oſtanes ein Bruder des Königs Artaxerxes geweſen war, ſeine
Mutter Siſygambis, deſſelben Artaxerxes Tochter; er wurde be-
wundert wegen ſeiner Sanftmuth, ſeiner Schönheit und Tapferkeit;
in dem Kriege, den Ochus gegen die Kaduſier führte, hatte er allein
die Herausforderung ihres rieſigen Anführers zum Zweikampf an-
zunehmen gewagt, und ihn bewältigt; damals war ihm von den
Perſern der Preis der Tapferkeit zuerkannt, ſein Name von Alt
und Jung gefeiert worden, der König Ochus hatte ihn mit Ge-
ſchenken und Lobpreiſungen überhäuft, und ihm die ſchöne Satra-
pie Armenien gegeben. — Mochte Bagoas jener Stimmung der
Perſer nachgegeben, oder ſich mit der Hoffnung geſchmeichelt haben,
daß Darius Kodomannus für die Tiara, die er durch ihn erlangt
hätte, treu ergeben bleiben würde, früh genug ſollte er erkennen,
wie ſehr er ſich getäuſcht hatte. Der König haßte den Mörder
und verachtete ſeinen Rath; Bagoas beſchloß ihn aus dem Wege
zu räumen, er miſchte ihm Gift in den Becher; aber Darius war
gewarnt, er rief den Eunuchen, und hieß ihn, als wäre es ein Zei-
chen ſeiner Gunſt, den Becher trinken. So fand Bagoas eine
ſpäte Strafe.
Die Zügel der Herrſchaft waren in der Hand eines Königs,
wie ihn Perſien lange nicht gehabt hatte; ſchön und ernſt, wie der
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/45>, abgerufen am 21.11.2024.
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