Astate sich gern das vollkommene Bild seines Herrschers denkt, von Allen verehrt und gegen Alle liebreich, an allen Tugenden seiner großen Ahnen reich, frei von den scheußlichen Lastern, die das Le- ben der letzten Könige geschändet und zum Verderben des Reichs gemacht hatten, schien Darius berufen, dem Reiche, das er ohne Schuld und Blut erworben, den Frieden und das Glück wieder zu geben, um die der früheren Könige Ohnmacht oder Verruchtheit das edle Volk der Perser betrogen hatte. Keine Empörung störte den glücklichen Beginn seiner Herrschaft; Aegypten war dem Reiche wiedergegeben, Baktrien, Syrien dem Könige treu und ergeben; von den Küsten Joniens bis an den Indus priesen die Völker den Namen des milden Darius. Und dieser König sollte der letzte Enkel des Cyrus sein, der über Asien herrschte, gleich als ob ein unschuldiges Haupt den Fluch des Unterganges, der auf dem Volke der Perser ruhte, hätte auch auf sich nehmen müssen.
Denn schon begann im fernen Westen das dunkle Wetter, das Persien vernichten sollte, emporzusteigen, schon kamen in die Hof- burg von Susa die Boten der seeländischen Satrapen, daß Philipp von Macedonien seine Heere zusammenziehe, um mit dem nächsten Frühling in die Provinzen Asiens einzubrechen, daß einzelne Schaa- ren auf der Küste gelandet seien, und sich in den Griechischen Städten des untern Phrygiens festsetzten. Darius wünschte auf jede Weise diesen Krieg zu vermeiden; er wußte, daß gegen die vereinigte Macht der Macedonier und Griechen seine Völker un- möglich das Feld würden behaupten können, er mochte ahnen, wie das ungeheure Reich, in sich erstorben und verweset, nur eines äußeren Anstoßes bedürfte, um in sich zusammenzusinken.
Aber eben darum war jener Krieg nicht zu vermeiden; das Reich des Cyrus, dies große Grab der Astatischen Völker, mußte erbrochen, und die Völker aus ihrem Scheintode zu neuem Leben erweckt werden; und auch die Hellenische Freiheit, einst die schönste Blüthe, die den Frühling des Menschengeschlechtes geschmückt hat, war zur überreifen Frucht gezeitigt. Die Griechen hatten in dem reich bewegten Leben vieler Jahrhunderte alle Kraft entwickelt und geübt, mit der sie von der Natur verschwenderisch ausgestattet wa- ren; und je höher sich in ihnen das Bewußtsein ihrer Freiheit und
Kraft,
Aſtate ſich gern das vollkommene Bild ſeines Herrſchers denkt, von Allen verehrt und gegen Alle liebreich, an allen Tugenden ſeiner großen Ahnen reich, frei von den ſcheußlichen Laſtern, die das Le- ben der letzten Könige geſchändet und zum Verderben des Reichs gemacht hatten, ſchien Darius berufen, dem Reiche, das er ohne Schuld und Blut erworben, den Frieden und das Glück wieder zu geben, um die der früheren Könige Ohnmacht oder Verruchtheit das edle Volk der Perſer betrogen hatte. Keine Empörung ſtörte den glücklichen Beginn ſeiner Herrſchaft; Aegypten war dem Reiche wiedergegeben, Baktrien, Syrien dem Könige treu und ergeben; von den Küſten Joniens bis an den Indus prieſen die Völker den Namen des milden Darius. Und dieſer König ſollte der letzte Enkel des Cyrus ſein, der über Aſien herrſchte, gleich als ob ein unſchuldiges Haupt den Fluch des Unterganges, der auf dem Volke der Perſer ruhte, hätte auch auf ſich nehmen müſſen.
Denn ſchon begann im fernen Weſten das dunkle Wetter, das Perſien vernichten ſollte, emporzuſteigen, ſchon kamen in die Hof- burg von Suſa die Boten der ſeeländiſchen Satrapen, daß Philipp von Macedonien ſeine Heere zuſammenziehe, um mit dem nächſten Frühling in die Provinzen Aſiens einzubrechen, daß einzelne Schaa- ren auf der Küſte gelandet ſeien, und ſich in den Griechiſchen Städten des untern Phrygiens feſtſetzten. Darius wünſchte auf jede Weiſe dieſen Krieg zu vermeiden; er wußte, daß gegen die vereinigte Macht der Macedonier und Griechen ſeine Völker un- möglich das Feld würden behaupten können, er mochte ahnen, wie das ungeheure Reich, in ſich erſtorben und verweſet, nur eines äußeren Anſtoßes bedürfte, um in ſich zuſammenzuſinken.
Aber eben darum war jener Krieg nicht zu vermeiden; das Reich des Cyrus, dies große Grab der Aſtatiſchen Völker, mußte erbrochen, und die Völker aus ihrem Scheintode zu neuem Leben erweckt werden; und auch die Helleniſche Freiheit, einſt die ſchönſte Blüthe, die den Frühling des Menſchengeſchlechtes geſchmückt hat, war zur überreifen Frucht gezeitigt. Die Griechen hatten in dem reich bewegten Leben vieler Jahrhunderte alle Kraft entwickelt und geübt, mit der ſie von der Natur verſchwenderiſch ausgeſtattet wa- ren; und je höher ſich in ihnen das Bewußtſein ihrer Freiheit und
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Aſtate ſich gern das vollkommene Bild ſeines Herrſchers denkt, von
Allen verehrt und gegen Alle liebreich, an allen Tugenden ſeiner
großen Ahnen reich, frei von den ſcheußlichen Laſtern, die das Le-
ben der letzten Könige geſchändet und zum Verderben des Reichs
gemacht hatten, ſchien Darius berufen, dem Reiche, das er ohne
Schuld und Blut erworben, den Frieden und das Glück wieder zu
geben, um die der früheren Könige Ohnmacht oder Verruchtheit
das edle Volk der Perſer betrogen hatte. Keine Empörung ſtörte
den glücklichen Beginn ſeiner Herrſchaft; Aegypten war dem
Reiche wiedergegeben, Baktrien, Syrien dem Könige treu und
ergeben; von den Küſten Joniens bis an den Indus prieſen
die Völker den Namen des milden Darius. Und dieſer König
ſollte der letzte Enkel des Cyrus ſein, der über Aſien herrſchte,
gleich als ob ein unſchuldiges Haupt den Fluch des Unterganges,
der auf dem Volke der Perſer ruhte, hätte auch auf ſich nehmen
müſſen.
Denn ſchon begann im fernen Weſten das dunkle Wetter, das
Perſien vernichten ſollte, emporzuſteigen, ſchon kamen in die Hof-
burg von Suſa die Boten der ſeeländiſchen Satrapen, daß Philipp
von Macedonien ſeine Heere zuſammenziehe, um mit dem nächſten
Frühling in die Provinzen Aſiens einzubrechen, daß einzelne Schaa-
ren auf der Küſte gelandet ſeien, und ſich in den Griechiſchen
Städten des untern Phrygiens feſtſetzten. Darius wünſchte auf
jede Weiſe dieſen Krieg zu vermeiden; er wußte, daß gegen die
vereinigte Macht der Macedonier und Griechen ſeine Völker un-
möglich das Feld würden behaupten können, er mochte ahnen, wie
das ungeheure Reich, in ſich erſtorben und verweſet, nur eines
äußeren Anſtoßes bedürfte, um in ſich zuſammenzuſinken.
Aber eben darum war jener Krieg nicht zu vermeiden; das
Reich des Cyrus, dies große Grab der Aſtatiſchen Völker, mußte
erbrochen, und die Völker aus ihrem Scheintode zu neuem Leben
erweckt werden; und auch die Helleniſche Freiheit, einſt die ſchönſte
Blüthe, die den Frühling des Menſchengeſchlechtes geſchmückt hat,
war zur überreifen Frucht gezeitigt. Die Griechen hatten in dem
reich bewegten Leben vieler Jahrhunderte alle Kraft entwickelt und
geübt, mit der ſie von der Natur verſchwenderiſch ausgeſtattet wa-
ren; und je höher ſich in ihnen das Bewußtſein ihrer Freiheit und
Kraft,
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/46>, abgerufen am 21.11.2024.
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