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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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Der blinde Fanatismus der heiligen Kaste, um so wilder, je
hoffnungsloser er war, hatte, durch das Schicksal der Braminen
des Sambus ungeschreckt, während des Königs Abwesenheit den
Fürsten Musikanus und die Bevölkerung seines Landes zum wil-
desten Haß gegen die Fremden, zur offenbaren Empörung, zur Er-
mordung der Macedonischen Besatzungen aufzureizen gewußt; zu
beiden Seiten des Stromes loderte die Flamme des Aufruhrs,
Alles griff zu den Waffen; und wäre der Wuth die Kraft des
Willens und der Führung gleich gewesen, so hätte Alexander hier
einen schweren Stand haben mögen. Aber kaum nahte er, so
floh der Fürst Musikanus über den Indus; Pithon wurde zu
seiner Verfolgung nachgeschickt; Alexander selbst zog gegen die
Städte, die, ohne gegenseitigen Beistand, ohne verständige Füh-
rung und ohne Hoffnung sich zu retten, dem Sieger schnell in
die Hände fielen 110); die Strafen des Abfalles waren streng,
unzählige Indier wurden bei den Erstürmungen erschlagen, oder
nach dem Siege hingerichtet, die Ueberlebenden in Sklaverei ver-
kauft, ihre Städte zerstört und die wenigen, die stehen blieben,
mit Burgen und Macedonischer Besatzung versehen, die das Land
der Trümmer und der Verwüstung bewahren sollten. Musikanus
selbst war gefangen worden, er und viele Braminen wurden des
Todes schuldig erkannt und an den Landstraßen des Landes, dessen
Unglück sie verschuldet, aufgeknüpft 111).

Der König kehrte jetzt nach seiner neuen Stadt am
Indus zurück; die energische Strenge, mit der er die Empörun-
gen erstickt und gestraft hatte, die Hinrichtungen und Verwüstun-
gen im Lande des Musikanus schienen endlich auf die Gemüther
der Indier den bezweckten Eindruck zu machen. Vor Allen be-

Weisheit, wenn sie sich des Mythischen und Mystischen entäußert,
verfallen ist.
110) Hierher gehört die Brachmanenstadt Harma-
talia (Diodor XVI. 103., Curtius IX. 8. 18.), bei deren Erobe-
rung der Lagide Ptolemäus verwundet wurde. Die wunderliche
Erzählung von seinem Traume auf dem Ruhebette des Königs
scheint von Klitarch's Erfindung zu sein; wenigstens erzählt Arrian
davon nichts, der doch desselben Lagiden Denkwürdigkeiten vor sich
hatte. -- Abweichendes hat Strabo XV. p. 309.
111) Arrian VI.
29 *

Der blinde Fanatismus der heiligen Kaſte, um ſo wilder, je
hoffnungsloſer er war, hatte, durch das Schickſal der Braminen
des Sambus ungeſchreckt, waͤhrend des Koͤnigs Abweſenheit den
Fuͤrſten Muſikanus und die Bevoͤlkerung ſeines Landes zum wil-
deſten Haß gegen die Fremden, zur offenbaren Empoͤrung, zur Er-
mordung der Macedoniſchen Beſatzungen aufzureizen gewußt; zu
beiden Seiten des Stromes loderte die Flamme des Aufruhrs,
Alles griff zu den Waffen; und waͤre der Wuth die Kraft des
Willens und der Fuͤhrung gleich geweſen, ſo haͤtte Alexander hier
einen ſchweren Stand haben moͤgen. Aber kaum nahte er, ſo
floh der Fuͤrſt Muſikanus uͤber den Indus; Pithon wurde zu
ſeiner Verfolgung nachgeſchickt; Alexander ſelbſt zog gegen die
Staͤdte, die, ohne gegenſeitigen Beiſtand, ohne verſtaͤndige Fuͤh-
rung und ohne Hoffnung ſich zu retten, dem Sieger ſchnell in
die Haͤnde fielen 110); die Strafen des Abfalles waren ſtreng,
unzaͤhlige Indier wurden bei den Erſtuͤrmungen erſchlagen, oder
nach dem Siege hingerichtet, die Ueberlebenden in Sklaverei ver-
kauft, ihre Staͤdte zerſtoͤrt und die wenigen, die ſtehen blieben,
mit Burgen und Macedoniſcher Beſatzung verſehen, die das Land
der Truͤmmer und der Verwuͤſtung bewahren ſollten. Muſikanus
ſelbſt war gefangen worden, er und viele Braminen wurden des
Todes ſchuldig erkannt und an den Landſtraßen des Landes, deſſen
Ungluͤck ſie verſchuldet, aufgeknuͤpft 111).

Der Koͤnig kehrte jetzt nach ſeiner neuen Stadt am
Indus zuruͤck; die energiſche Strenge, mit der er die Empoͤrun-
gen erſtickt und geſtraft hatte, die Hinrichtungen und Verwuͤſtun-
gen im Lande des Muſikanus ſchienen endlich auf die Gemuͤther
der Indier den bezweckten Eindruck zu machen. Vor Allen be-

Weisheit, wenn ſie ſich des Mythiſchen und Myſtiſchen entaͤußert,
verfallen iſt.
110) Hierher gehoͤrt die Brachmanenſtadt Harma-
talia (Diodor XVI. 103., Curtius IX. 8. 18.), bei deren Erobe-
rung der Lagide Ptolemaͤus verwundet wurde. Die wunderliche
Erzaͤhlung von ſeinem Traume auf dem Ruhebette des Koͤnigs
ſcheint von Klitarch’s Erfindung zu ſein; wenigſtens erzaͤhlt Arrian
davon nichts, der doch deſſelben Lagiden Denkwuͤrdigkeiten vor ſich
hatte. — Abweichendes hat Strabo XV. p. 309.
111) Arrian VI.
29 *
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[451/0465] Der blinde Fanatismus der heiligen Kaſte, um ſo wilder, je hoffnungsloſer er war, hatte, durch das Schickſal der Braminen des Sambus ungeſchreckt, waͤhrend des Koͤnigs Abweſenheit den Fuͤrſten Muſikanus und die Bevoͤlkerung ſeines Landes zum wil- deſten Haß gegen die Fremden, zur offenbaren Empoͤrung, zur Er- mordung der Macedoniſchen Beſatzungen aufzureizen gewußt; zu beiden Seiten des Stromes loderte die Flamme des Aufruhrs, Alles griff zu den Waffen; und waͤre der Wuth die Kraft des Willens und der Fuͤhrung gleich geweſen, ſo haͤtte Alexander hier einen ſchweren Stand haben moͤgen. Aber kaum nahte er, ſo floh der Fuͤrſt Muſikanus uͤber den Indus; Pithon wurde zu ſeiner Verfolgung nachgeſchickt; Alexander ſelbſt zog gegen die Staͤdte, die, ohne gegenſeitigen Beiſtand, ohne verſtaͤndige Fuͤh- rung und ohne Hoffnung ſich zu retten, dem Sieger ſchnell in die Haͤnde fielen 110); die Strafen des Abfalles waren ſtreng, unzaͤhlige Indier wurden bei den Erſtuͤrmungen erſchlagen, oder nach dem Siege hingerichtet, die Ueberlebenden in Sklaverei ver- kauft, ihre Staͤdte zerſtoͤrt und die wenigen, die ſtehen blieben, mit Burgen und Macedoniſcher Beſatzung verſehen, die das Land der Truͤmmer und der Verwuͤſtung bewahren ſollten. Muſikanus ſelbſt war gefangen worden, er und viele Braminen wurden des Todes ſchuldig erkannt und an den Landſtraßen des Landes, deſſen Ungluͤck ſie verſchuldet, aufgeknuͤpft 111). Der Koͤnig kehrte jetzt nach ſeiner neuen Stadt am Indus zuruͤck; die energiſche Strenge, mit der er die Empoͤrun- gen erſtickt und geſtraft hatte, die Hinrichtungen und Verwuͤſtun- gen im Lande des Muſikanus ſchienen endlich auf die Gemuͤther der Indier den bezweckten Eindruck zu machen. Vor Allen be- 109) 110) Hierher gehoͤrt die Brachmanenſtadt Harma- talia (Diodor XVI. 103., Curtius IX. 8. 18.), bei deren Erobe- rung der Lagide Ptolemaͤus verwundet wurde. Die wunderliche Erzaͤhlung von ſeinem Traume auf dem Ruhebette des Koͤnigs ſcheint von Klitarch’s Erfindung zu ſein; wenigſtens erzaͤhlt Arrian davon nichts, der doch deſſelben Lagiden Denkwuͤrdigkeiten vor ſich hatte. — Abweichendes hat Strabo XV. p. 309. 111) Arrian VI. 109) Weisheit, wenn ſie ſich des Mythiſchen und Myſtiſchen entaͤußert, verfallen iſt. 29 *

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/465>, abgerufen am 22.11.2024.