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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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nahme an jenen Erpressungen des Satrapen überführt und der
gleichen Strafe übergeben 27).

So folgten Schlag auf Schlag die strengsten Strafen, und
mit Recht mochte denen, die sich nicht schuldrein wußten, vor ih-
rer eigenen Zukunft bange sein. Unter diesen war Harpalus, des
Machatas Sohn, Bruder des kürzlich verstorbenen Satrapen Phi-
lipp vom diesseitigen Indien. Durch frühe Verbindungen und we-
sentliche Dienstleistungen dem Könige werth, hatte er von Anfang
her die größten Beweise von dessen Gunst erhalten, und war
beim Beginn des Persischen Krieges, da seine körperliche Beschaf-
fenheit ihn zum Kriegsdienste untauglich machte, zum Schatzmei-
ster ernannt worden; aber schon damals hatte er sich arger Unge-
setzlichkeiten schuldig gemacht, war kurz vor der Schlacht von Is-
sus in Gemeinschaft mit einem gewissen Tauriskon, der den Plan
angegeben hatte, mit den königlichen Kassen davon gegangen, um
sich zu dem Epirotenkönig Alexander, welcher damals in Italien
kämpfte, zu begeben; doch da sich inzwischen dessen Unterneh-
mung einem traurigen Ende zuneigte, hatte Harpalus seinen Ent-
schluß geändert, und sich in Megara niedergelassen, um dort seinem
Vergnügen zu leben. Dennoch glaubte Alexander, der Zeiten ein-
gedenk, wo Harpalus mit Nearch, Ptolemäus und wenigen ande-
ren seine Sache gegen König Philipp vertreten und darum
Schande und Verbannung gelitten hatte, dem ausschweifenden
Manne verzeihen zu müssen; mit dem Versprechen, alles Gesche-
hene vergessen und für ungeschehen ansehen zu wollen, hatte er
ihn bei seiner Rückkehr aus Aegypten im Frühjahr 331 zurück be-
rufen und ihm wiederum das Schatzamt übergeben; die ungeheue-
ren Schätze von Pasargadä und Persepolis wurden in Ekbatana
niedergelegt und unter seine Aufsicht gestellt, ingleichen waren,
so scheint es, die Schatzämter der unteren Satrapien unter seinem
Bereich und sein Einfluß herrschte über den ganzen Westen
Asiens 28). Indeß zog Alexander immer weiter gen Osten, und
Harpalus, unbekümmert um die Verantwortlichkeit seiner Stellung

27) Arrian. VII. 4., VI. 27. 12.
28) Arrian. III. 6., Plut.
Alex.
10 und 35.

nahme an jenen Erpreſſungen des Satrapen uͤberfuͤhrt und der
gleichen Strafe uͤbergeben 27).

So folgten Schlag auf Schlag die ſtrengſten Strafen, und
mit Recht mochte denen, die ſich nicht ſchuldrein wußten, vor ih-
rer eigenen Zukunft bange ſein. Unter dieſen war Harpalus, des
Machatas Sohn, Bruder des kuͤrzlich verſtorbenen Satrapen Phi-
lipp vom dieſſeitigen Indien. Durch fruͤhe Verbindungen und we-
ſentliche Dienſtleiſtungen dem Koͤnige werth, hatte er von Anfang
her die groͤßten Beweiſe von deſſen Gunſt erhalten, und war
beim Beginn des Perſiſchen Krieges, da ſeine koͤrperliche Beſchaf-
fenheit ihn zum Kriegsdienſte untauglich machte, zum Schatzmei-
ſter ernannt worden; aber ſchon damals hatte er ſich arger Unge-
ſetzlichkeiten ſchuldig gemacht, war kurz vor der Schlacht von Iſ-
ſus in Gemeinſchaft mit einem gewiſſen Tauriskon, der den Plan
angegeben hatte, mit den koͤniglichen Kaſſen davon gegangen, um
ſich zu dem Epirotenkoͤnig Alexander, welcher damals in Italien
kaͤmpfte, zu begeben; doch da ſich inzwiſchen deſſen Unterneh-
mung einem traurigen Ende zuneigte, hatte Harpalus ſeinen Ent-
ſchluß geaͤndert, und ſich in Megara niedergelaſſen, um dort ſeinem
Vergnuͤgen zu leben. Dennoch glaubte Alexander, der Zeiten ein-
gedenk, wo Harpalus mit Nearch, Ptolemaͤus und wenigen ande-
ren ſeine Sache gegen Koͤnig Philipp vertreten und darum
Schande und Verbannung gelitten hatte, dem ausſchweifenden
Manne verzeihen zu muͤſſen; mit dem Verſprechen, alles Geſche-
hene vergeſſen und fuͤr ungeſchehen anſehen zu wollen, hatte er
ihn bei ſeiner Ruͤckkehr aus Aegypten im Fruͤhjahr 331 zuruͤck be-
rufen und ihm wiederum das Schatzamt uͤbergeben; die ungeheue-
ren Schaͤtze von Paſargadaͤ und Perſepolis wurden in Ekbatana
niedergelegt und unter ſeine Aufſicht geſtellt, ingleichen waren,
ſo ſcheint es, die Schatzaͤmter der unteren Satrapien unter ſeinem
Bereich und ſein Einfluß herrſchte uͤber den ganzen Weſten
Aſiens 28). Indeß zog Alexander immer weiter gen Oſten, und
Harpalus, unbekuͤmmert um die Verantwortlichkeit ſeiner Stellung

27) Arrian. VII. 4., VI. 27. 12.
28) Arrian. III. 6., Plut.
Alex.
10 und 35.
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[492/0506] nahme an jenen Erpreſſungen des Satrapen uͤberfuͤhrt und der gleichen Strafe uͤbergeben 27). So folgten Schlag auf Schlag die ſtrengſten Strafen, und mit Recht mochte denen, die ſich nicht ſchuldrein wußten, vor ih- rer eigenen Zukunft bange ſein. Unter dieſen war Harpalus, des Machatas Sohn, Bruder des kuͤrzlich verſtorbenen Satrapen Phi- lipp vom dieſſeitigen Indien. Durch fruͤhe Verbindungen und we- ſentliche Dienſtleiſtungen dem Koͤnige werth, hatte er von Anfang her die groͤßten Beweiſe von deſſen Gunſt erhalten, und war beim Beginn des Perſiſchen Krieges, da ſeine koͤrperliche Beſchaf- fenheit ihn zum Kriegsdienſte untauglich machte, zum Schatzmei- ſter ernannt worden; aber ſchon damals hatte er ſich arger Unge- ſetzlichkeiten ſchuldig gemacht, war kurz vor der Schlacht von Iſ- ſus in Gemeinſchaft mit einem gewiſſen Tauriskon, der den Plan angegeben hatte, mit den koͤniglichen Kaſſen davon gegangen, um ſich zu dem Epirotenkoͤnig Alexander, welcher damals in Italien kaͤmpfte, zu begeben; doch da ſich inzwiſchen deſſen Unterneh- mung einem traurigen Ende zuneigte, hatte Harpalus ſeinen Ent- ſchluß geaͤndert, und ſich in Megara niedergelaſſen, um dort ſeinem Vergnuͤgen zu leben. Dennoch glaubte Alexander, der Zeiten ein- gedenk, wo Harpalus mit Nearch, Ptolemaͤus und wenigen ande- ren ſeine Sache gegen Koͤnig Philipp vertreten und darum Schande und Verbannung gelitten hatte, dem ausſchweifenden Manne verzeihen zu muͤſſen; mit dem Verſprechen, alles Geſche- hene vergeſſen und fuͤr ungeſchehen anſehen zu wollen, hatte er ihn bei ſeiner Ruͤckkehr aus Aegypten im Fruͤhjahr 331 zuruͤck be- rufen und ihm wiederum das Schatzamt uͤbergeben; die ungeheue- ren Schaͤtze von Paſargadaͤ und Perſepolis wurden in Ekbatana niedergelegt und unter ſeine Aufſicht geſtellt, ingleichen waren, ſo ſcheint es, die Schatzaͤmter der unteren Satrapien unter ſeinem Bereich und ſein Einfluß herrſchte uͤber den ganzen Weſten Aſiens 28). Indeß zog Alexander immer weiter gen Oſten, und Harpalus, unbekuͤmmert um die Verantwortlichkeit ſeiner Stellung 27) Arrian. VII. 4., VI. 27. 12. 28) Arrian. III. 6., Plut. Alex. 10 und 35.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/506>, abgerufen am 22.11.2024.