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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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Gelagen, ihr Athenäer, läßt man den reden, der den Becher
hat 78). Darauf wurde vom Volke beschlossen, den Großschatz-
meister in Verhaft zu nehmen, bis seinetwegen Jemand von Alex-
ander geschickt würde. So geschah es; indeß fand oder erhielt
Harpalus bald genug Gelegenheit, aus dem Gefängniß zu entwi-
schen; er eilte gen Tänarum, raffte dort seine Schätze zusammen
und schiffte sich nach Kreta hin ein; da aber wurde er von
Thimbron aus Lacedämon ermordet, der mit den Schätzen gen
Cyrene floh, während die übrigen Genossen sich zerstreuten; des
Ermordeten vertrauter Sklave, der die Rechnungen geführt hatte,
wurde auf Rhodus eingefangen und an Philoxenus, den königli-
chen Schatzmeister für diesseits des Taurus, ausgeliefert 79).

Der König Alexander scheint erwartet zu haben, daß Harpa-
lus mit seinen Schätzen und Söldnern von den Athenern bereit

78) So Plutarch Dem. 25.; A. Gellius IX. 9. erzählt irrig
die Geschichte in Beziehung auf eine frühere Bestechung des De-
mosthenes; daß der Komiker Timokles (Athen. VIII. p. 391) statt
zwanzig Talente funfzig nennt, thut nichts zur Sache; der be-
rühmte Witzling Korydus sagte in Beziehung auf den Goldbecher:
"Demosthenes, der sonst immer von den Helden des Bechers spricht,
hat jetzt den vollsten gewonnen." Athen. VI. p. 246. a.
79) Diodor XVII. 109, Arrian. apd. Phot. 70. a. 12.; von Pau-
sanias wird ein Pausanias als Mörder genannt, eine zweite Ver-
dächtigung seiner kritisch sein sollenden Stelle, die oben angeführt
ist. Im Uebrigen ist die ganze Harpalusgeschichte von den ver-
schiedenen Autoren sehr verschieden dargestellt worden; aus den oft
widersprechenden Angaben schien sich ungefähr das Obige mit
Sicherheit zu ergeben. Neuere Schriftsteller haben den großen
Redner von aller Schuld frei sprechen und als einen Heiligen in
Sachen des Geldes darstellen zu müssen geglaubt, gleich als ob es
nicht möglich wäre, daß sich das größeste Genie der Beredsamkeit
mit der Hellenischen Liebe zum Golde vertrüge. So groß seine poli-
tische Thätigkeit dem Philipp gegenüber, eben so unlauter sind die
Mittel, deren er sich gegen Alexander zu bedienen nicht verschmäht
hat, und je mehr sein öffentlicher Einfluß verliert, desto klarer tre-
ten die Schwächen seines Privatcharakters und des Alters in ihm
hervor.
34 *

Gelagen, ihr Athenaͤer, laͤßt man den reden, der den Becher
hat 78). Darauf wurde vom Volke beſchloſſen, den Großſchatz-
meiſter in Verhaft zu nehmen, bis ſeinetwegen Jemand von Alex-
ander geſchickt wuͤrde. So geſchah es; indeß fand oder erhielt
Harpalus bald genug Gelegenheit, aus dem Gefaͤngniß zu entwi-
ſchen; er eilte gen Taͤnarum, raffte dort ſeine Schaͤtze zuſammen
und ſchiffte ſich nach Kreta hin ein; da aber wurde er von
Thimbron aus Lacedaͤmon ermordet, der mit den Schaͤtzen gen
Cyrene floh, waͤhrend die uͤbrigen Genoſſen ſich zerſtreuten; des
Ermordeten vertrauter Sklave, der die Rechnungen gefuͤhrt hatte,
wurde auf Rhodus eingefangen und an Philoxenus, den koͤnigli-
chen Schatzmeiſter fuͤr dieſſeits des Taurus, ausgeliefert 79).

Der Koͤnig Alexander ſcheint erwartet zu haben, daß Harpa-
lus mit ſeinen Schaͤtzen und Soͤldnern von den Athenern bereit

78) So Plutarch Dem. 25.; A. Gellius IX. 9. erzaͤhlt irrig
die Geſchichte in Beziehung auf eine fruͤhere Beſtechung des De-
moſthenes; daß der Komiker Timokles (Athen. VIII. p. 391) ſtatt
zwanzig Talente funfzig nennt, thut nichts zur Sache; der be-
ruͤhmte Witzling Korydus ſagte in Beziehung auf den Goldbecher:
„Demoſthenes, der ſonſt immer von den Helden des Bechers ſpricht,
hat jetzt den vollſten gewonnen.“ Athen. VI. p. 246. a.
79) Diodor XVII. 109, Arrian. apd. Phot. 70. a. 12.; von Pau-
ſanias wird ein Pauſanias als Moͤrder genannt, eine zweite Ver-
daͤchtigung ſeiner kritiſch ſein ſollenden Stelle, die oben angefuͤhrt
iſt. Im Uebrigen iſt die ganze Harpalusgeſchichte von den ver-
ſchiedenen Autoren ſehr verſchieden dargeſtellt worden; aus den oft
widerſprechenden Angaben ſchien ſich ungefaͤhr das Obige mit
Sicherheit zu ergeben. Neuere Schriftſteller haben den großen
Redner von aller Schuld frei ſprechen und als einen Heiligen in
Sachen des Geldes darſtellen zu muͤſſen geglaubt, gleich als ob es
nicht moͤglich waͤre, daß ſich das groͤßeſte Genie der Beredſamkeit
mit der Helleniſchen Liebe zum Golde vertruͤge. So groß ſeine poli-
tiſche Thaͤtigkeit dem Philipp gegenuͤber, eben ſo unlauter ſind die
Mittel, deren er ſich gegen Alexander zu bedienen nicht verſchmaͤht
hat, und je mehr ſein oͤffentlicher Einfluß verliert, deſto klarer tre-
ten die Schwaͤchen ſeines Privatcharakters und des Alters in ihm
hervor.
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[531/0545] Gelagen, ihr Athenaͤer, laͤßt man den reden, der den Becher hat 78). Darauf wurde vom Volke beſchloſſen, den Großſchatz- meiſter in Verhaft zu nehmen, bis ſeinetwegen Jemand von Alex- ander geſchickt wuͤrde. So geſchah es; indeß fand oder erhielt Harpalus bald genug Gelegenheit, aus dem Gefaͤngniß zu entwi- ſchen; er eilte gen Taͤnarum, raffte dort ſeine Schaͤtze zuſammen und ſchiffte ſich nach Kreta hin ein; da aber wurde er von Thimbron aus Lacedaͤmon ermordet, der mit den Schaͤtzen gen Cyrene floh, waͤhrend die uͤbrigen Genoſſen ſich zerſtreuten; des Ermordeten vertrauter Sklave, der die Rechnungen gefuͤhrt hatte, wurde auf Rhodus eingefangen und an Philoxenus, den koͤnigli- chen Schatzmeiſter fuͤr dieſſeits des Taurus, ausgeliefert 79). Der Koͤnig Alexander ſcheint erwartet zu haben, daß Harpa- lus mit ſeinen Schaͤtzen und Soͤldnern von den Athenern bereit 78) So Plutarch Dem. 25.; A. Gellius IX. 9. erzaͤhlt irrig die Geſchichte in Beziehung auf eine fruͤhere Beſtechung des De- moſthenes; daß der Komiker Timokles (Athen. VIII. p. 391) ſtatt zwanzig Talente funfzig nennt, thut nichts zur Sache; der be- ruͤhmte Witzling Korydus ſagte in Beziehung auf den Goldbecher: „Demoſthenes, der ſonſt immer von den Helden des Bechers ſpricht, hat jetzt den vollſten gewonnen.“ Athen. VI. p. 246. a. 79) Diodor XVII. 109, Arrian. apd. Phot. 70. a. 12.; von Pau- ſanias wird ein Pauſanias als Moͤrder genannt, eine zweite Ver- daͤchtigung ſeiner kritiſch ſein ſollenden Stelle, die oben angefuͤhrt iſt. Im Uebrigen iſt die ganze Harpalusgeſchichte von den ver- ſchiedenen Autoren ſehr verſchieden dargeſtellt worden; aus den oft widerſprechenden Angaben ſchien ſich ungefaͤhr das Obige mit Sicherheit zu ergeben. Neuere Schriftſteller haben den großen Redner von aller Schuld frei ſprechen und als einen Heiligen in Sachen des Geldes darſtellen zu muͤſſen geglaubt, gleich als ob es nicht moͤglich waͤre, daß ſich das groͤßeſte Genie der Beredſamkeit mit der Helleniſchen Liebe zum Golde vertruͤge. So groß ſeine poli- tiſche Thaͤtigkeit dem Philipp gegenuͤber, eben ſo unlauter ſind die Mittel, deren er ſich gegen Alexander zu bedienen nicht verſchmaͤht hat, und je mehr ſein oͤffentlicher Einfluß verliert, deſto klarer tre- ten die Schwaͤchen ſeines Privatcharakters und des Alters in ihm hervor. 34 *

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/545>, abgerufen am 22.11.2024.