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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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sicherer, je unbedeutender, besorglicher oder gewissenloser die Män-
ner waren, die nach jenen Prozessen an der Leitung des Volks
Theil nahmen; die Politik Athens wurde noch mehr als früher
schwankend und bald unterwürfig. Man hatte den Verbannten
die Heimkehr geweigert, man fürchtete fort und fort, daß sie von
Megara aus und gestützt auf des Königs Amnestie die Attische
Grenze überschreiten würden; dennoch geschah zum Schutz der
Stadt nichts, als daß eine Theorengesandtschaft an den König de-
kretirt wurde, die ihn um die Erlaubniß, die Verbannten nicht
aufzunehmen, bitten sollte, eine Maaßregel, die wenigstens im In-
teresse der Attischen Freiheit vollkommen ungeschickt war, da der
Staat einer Seits seine Willensmeinung, bei der Bestimmung
des Korinthischen Bundes zu bleiben, bereits kund gegeben hatte,
anderer Seits des Königs abschlägige Antwort nur zu gewiß vor-
auszusehen war 89).

88)
89) Lykurg war
bereits vor den Harpalischen Prozessen gestorben (Plutarch. X
Orat. Hyperid. cf.
Böckh's Staatshaushalt II. p. 244.). Ueber die
politische Lage Athens in dieser und der nächstfolgenden Zeit hat
Grauert in seinen Analekten das Ueberlieferte mit glücklicher Sorg-
falt zusammen gestellt; indeß ist der gelehrte Forscher durch seine
politische Ansicht, zu der ich mich nicht bekennen kann, bisweilen
zu kleinen Ungenauigkeiten veranlaßt, die ich bezeichnen muß, um
nicht eben so ungerecht gegen Athen zu scheinen, wie er es gegen
Alexander ist. Namentlich meint er, daß Athen schon jetzt in
heimliche Unterhandlungen mit den Söldnerschaaren auf Tänarum
getreten und mit den Waffen in der Hand sich dem Macedonischen
Einfluß zu widersetzen Willens gewesen sei; er läßt vermuthen,
daß Hyperides diese Verhandlungen leitete. Allerdings ist bei
Photius p. 459. b. 34. statt sunebouleuse kai to epi Tainaron
xenikon dialusai aus Plutarch. X. Orat. Hyp. zu schreiben me
dialusai, aber eben daher sieht man, daß dieses in früherer Zeit
und aus Freundschaft zu Chares, nicht zu Leosthenes geschehen sei;
jene Unterhandlungen und heimliche Rüstungen begannen mepou
kalos egnosmenes tes Alexandrou teleutes, Diodor XVIII. 9.;
erst bei der sicheren Nachricht vom Tode des Königs erfolgten die
88) lian kommen der Wahrscheinlichkeit näher.

ſicherer, je unbedeutender, beſorglicher oder gewiſſenloſer die Maͤn-
ner waren, die nach jenen Prozeſſen an der Leitung des Volks
Theil nahmen; die Politik Athens wurde noch mehr als fruͤher
ſchwankend und bald unterwuͤrfig. Man hatte den Verbannten
die Heimkehr geweigert, man fuͤrchtete fort und fort, daß ſie von
Megara aus und geſtuͤtzt auf des Koͤnigs Amneſtie die Attiſche
Grenze uͤberſchreiten wuͤrden; dennoch geſchah zum Schutz der
Stadt nichts, als daß eine Theorengeſandtſchaft an den Koͤnig de-
kretirt wurde, die ihn um die Erlaubniß, die Verbannten nicht
aufzunehmen, bitten ſollte, eine Maaßregel, die wenigſtens im In-
tereſſe der Attiſchen Freiheit vollkommen ungeſchickt war, da der
Staat einer Seits ſeine Willensmeinung, bei der Beſtimmung
des Korinthiſchen Bundes zu bleiben, bereits kund gegeben hatte,
anderer Seits des Koͤnigs abſchlaͤgige Antwort nur zu gewiß vor-
auszuſehen war 89).

88)
89) Lykurg war
bereits vor den Harpaliſchen Prozeſſen geſtorben (Plutarch. X
Orat. Hyperid. cf.
Boͤckh’s Staatshaushalt II. p. 244.). Ueber die
politiſche Lage Athens in dieſer und der naͤchſtfolgenden Zeit hat
Grauert in ſeinen Analekten das Ueberlieferte mit gluͤcklicher Sorg-
falt zuſammen geſtellt; indeß iſt der gelehrte Forſcher durch ſeine
politiſche Anſicht, zu der ich mich nicht bekennen kann, bisweilen
zu kleinen Ungenauigkeiten veranlaßt, die ich bezeichnen muß, um
nicht eben ſo ungerecht gegen Athen zu ſcheinen, wie er es gegen
Alexander iſt. Namentlich meint er, daß Athen ſchon jetzt in
heimliche Unterhandlungen mit den Soͤldnerſchaaren auf Taͤnarum
getreten und mit den Waffen in der Hand ſich dem Macedoniſchen
Einfluß zu widerſetzen Willens geweſen ſei; er laͤßt vermuthen,
daß Hyperides dieſe Verhandlungen leitete. Allerdings iſt bei
Photius p. 459. b. 34. ſtatt συνεβούλευσε καὶ τὸ ἐπὶ Ταίναϱον
ξενικὸν διαλῦσαι aus Plutarch. X. Orat. Hyp. zu ſchreiben μὴ
διαλῦσαι, aber eben daher ſieht man, daß dieſes in fruͤherer Zeit
und aus Freundſchaft zu Chares, nicht zu Leoſthenes geſchehen ſei;
jene Unterhandlungen und heimliche Ruͤſtungen begannen μήπου
καλῶς ἐγνωσμένης τῆς Ἀλεξάνδϱου τελευτῆς, Diodor XVIII. 9.;
erſt bei der ſicheren Nachricht vom Tode des Koͤnigs erfolgten die
88) lian kommen der Wahrſcheinlichkeit naͤher.
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[536/0550] ſicherer, je unbedeutender, beſorglicher oder gewiſſenloſer die Maͤn- ner waren, die nach jenen Prozeſſen an der Leitung des Volks Theil nahmen; die Politik Athens wurde noch mehr als fruͤher ſchwankend und bald unterwuͤrfig. Man hatte den Verbannten die Heimkehr geweigert, man fuͤrchtete fort und fort, daß ſie von Megara aus und geſtuͤtzt auf des Koͤnigs Amneſtie die Attiſche Grenze uͤberſchreiten wuͤrden; dennoch geſchah zum Schutz der Stadt nichts, als daß eine Theorengeſandtſchaft an den Koͤnig de- kretirt wurde, die ihn um die Erlaubniß, die Verbannten nicht aufzunehmen, bitten ſollte, eine Maaßregel, die wenigſtens im In- tereſſe der Attiſchen Freiheit vollkommen ungeſchickt war, da der Staat einer Seits ſeine Willensmeinung, bei der Beſtimmung des Korinthiſchen Bundes zu bleiben, bereits kund gegeben hatte, anderer Seits des Koͤnigs abſchlaͤgige Antwort nur zu gewiß vor- auszuſehen war 89). 88) 89) Lykurg war bereits vor den Harpaliſchen Prozeſſen geſtorben (Plutarch. X Orat. Hyperid. cf. Boͤckh’s Staatshaushalt II. p. 244.). Ueber die politiſche Lage Athens in dieſer und der naͤchſtfolgenden Zeit hat Grauert in ſeinen Analekten das Ueberlieferte mit gluͤcklicher Sorg- falt zuſammen geſtellt; indeß iſt der gelehrte Forſcher durch ſeine politiſche Anſicht, zu der ich mich nicht bekennen kann, bisweilen zu kleinen Ungenauigkeiten veranlaßt, die ich bezeichnen muß, um nicht eben ſo ungerecht gegen Athen zu ſcheinen, wie er es gegen Alexander iſt. Namentlich meint er, daß Athen ſchon jetzt in heimliche Unterhandlungen mit den Soͤldnerſchaaren auf Taͤnarum getreten und mit den Waffen in der Hand ſich dem Macedoniſchen Einfluß zu widerſetzen Willens geweſen ſei; er laͤßt vermuthen, daß Hyperides dieſe Verhandlungen leitete. Allerdings iſt bei Photius p. 459. b. 34. ſtatt συνεβούλευσε καὶ τὸ ἐπὶ Ταίναϱον ξενικὸν διαλῦσαι aus Plutarch. X. Orat. Hyp. zu ſchreiben μὴ διαλῦσαι, aber eben daher ſieht man, daß dieſes in fruͤherer Zeit und aus Freundſchaft zu Chares, nicht zu Leoſthenes geſchehen ſei; jene Unterhandlungen und heimliche Ruͤſtungen begannen μήπου καλῶς ἐγνωσμένης τῆς Ἀλεξάνδϱου τελευτῆς, Diodor XVIII. 9.; erſt bei der ſicheren Nachricht vom Tode des Koͤnigs erfolgten die 88) lian kommen der Wahrſcheinlichkeit naͤher.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/550>, abgerufen am 22.11.2024.