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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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den, innigen und liebenswürdigen Sinn, seine unbegrenzte und wahr-
haft rührende Anhänglichkeit für den König; Alexander liebte in
ihm den Gespielen seiner Kindheit, und aller Glanz des Thrones
und des Ruhmes, und jener Wechsel in Alexanders äußerem und
inneren Leben, um dessen Willen Mancher, dem er viel vertraut,
an ihm irre geworden war, hatten ihr schönes Verhältniß nicht zu
stören vermocht; ihre Freundschaft hatte jene schwärmerische In-
nigkeit des Jünglingsalters, dem sie Beide fast noch angehörten;
die Erzählung, wie Alexander einen Brief von seiner Mutter voll
Vorwürfe und Klagen, die er auch dem Freunde gern verschwieg,
durchlas, und Hephästion sich über des Freundes Schultern lehnt
und mitliest, und der König ihm dann den Siegelring auf den
Mund drückt, zum Zeichen des Geheimnisses, das ist das Bild,
wie man sich Beide denken mag 6).

Hephästion und Eumenes hatten schon mehrfach mit einander
Streit gehabt, und ihre gegenseitige Abneigung bedurfte keines
großen Anlasses, um in neuen Zwist auszubrechen. Ein Geschenk,
das eben jetzt Hephästion vom Könige erhielt, genügte, des Kar-
dianers Neid auf das Heftigste zu erregen und einen Wortwech-
sel hervorzurufen, in dem bald Beide alle Rücksichten und sich
selbst vergaßen. Alexander that dem ärgerlichen Gezänk Einhalt;
dem Eumenes gab er ein gleiches Geschenk, an Hephästion wandte
er sich mit dem Scheltwort, ob er sich und seine Würde nicht
besser kenne; er forderte von Beiden das Versprechen, fortan jede
Uneinigkeit zu meiden und sich mit einander auszusöhnen. Hephä-
stion weigerte es, er war der tief Gekränkte, und Alexander hatte
Mühe, ihn zu beruhigen; ihm zur Liebe reichte Hephästion endlich
die Hand zur Versöhnung 7). --

Nach diesen Vorgängen und einem dreißigtägigen Aufent-
halte in dem Nysäischen Thale brach das Heer gen Ekbatana auf
und erreichte mit einem Marsche von sieben Tagen, etwa mit dem
Ausgange des Oktobers diese große und reiche Stadt 8). Es ist

6) Plutarch. Alex. 39.
7) Das etwa läßt sich aus Plut-
arch. Eum.
2. und den ersten zwei Zeilen nach der Lücke Arrians
(VII. 13.) entnehmen.
8) Die Zeitbestimmungen ergeben sich

den, innigen und liebenswuͤrdigen Sinn, ſeine unbegrenzte und wahr-
haft ruͤhrende Anhaͤnglichkeit fuͤr den Koͤnig; Alexander liebte in
ihm den Geſpielen ſeiner Kindheit, und aller Glanz des Thrones
und des Ruhmes, und jener Wechſel in Alexanders aͤußerem und
inneren Leben, um deſſen Willen Mancher, dem er viel vertraut,
an ihm irre geworden war, hatten ihr ſchoͤnes Verhaͤltniß nicht zu
ſtoͤren vermocht; ihre Freundſchaft hatte jene ſchwaͤrmeriſche In-
nigkeit des Juͤnglingsalters, dem ſie Beide faſt noch angehoͤrten;
die Erzaͤhlung, wie Alexander einen Brief von ſeiner Mutter voll
Vorwuͤrfe und Klagen, die er auch dem Freunde gern verſchwieg,
durchlas, und Hephaͤſtion ſich uͤber des Freundes Schultern lehnt
und mitlieſt, und der Koͤnig ihm dann den Siegelring auf den
Mund druͤckt, zum Zeichen des Geheimniſſes, das iſt das Bild,
wie man ſich Beide denken mag 6).

Hephaͤſtion und Eumenes hatten ſchon mehrfach mit einander
Streit gehabt, und ihre gegenſeitige Abneigung bedurfte keines
großen Anlaſſes, um in neuen Zwiſt auszubrechen. Ein Geſchenk,
das eben jetzt Hephaͤſtion vom Koͤnige erhielt, genuͤgte, des Kar-
dianers Neid auf das Heftigſte zu erregen und einen Wortwech-
ſel hervorzurufen, in dem bald Beide alle Ruͤckſichten und ſich
ſelbſt vergaßen. Alexander that dem aͤrgerlichen Gezaͤnk Einhalt;
dem Eumenes gab er ein gleiches Geſchenk, an Hephaͤſtion wandte
er ſich mit dem Scheltwort, ob er ſich und ſeine Wuͤrde nicht
beſſer kenne; er forderte von Beiden das Verſprechen, fortan jede
Uneinigkeit zu meiden und ſich mit einander auszuſoͤhnen. Hephaͤ-
ſtion weigerte es, er war der tief Gekraͤnkte, und Alexander hatte
Muͤhe, ihn zu beruhigen; ihm zur Liebe reichte Hephaͤſtion endlich
die Hand zur Verſoͤhnung 7). —

Nach dieſen Vorgaͤngen und einem dreißigtaͤgigen Aufent-
halte in dem Nyſaͤiſchen Thale brach das Heer gen Ekbatana auf
und erreichte mit einem Marſche von ſieben Tagen, etwa mit dem
Ausgange des Oktobers dieſe große und reiche Stadt 8). Es iſt

6) Plutarch. Alex. 39.
7) Das etwa laͤßt ſich aus Plut-
arch. Eum.
2. und den erſten zwei Zeilen nach der Luͤcke Arrians
(VII. 13.) entnehmen.
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[556/0570] den, innigen und liebenswuͤrdigen Sinn, ſeine unbegrenzte und wahr- haft ruͤhrende Anhaͤnglichkeit fuͤr den Koͤnig; Alexander liebte in ihm den Geſpielen ſeiner Kindheit, und aller Glanz des Thrones und des Ruhmes, und jener Wechſel in Alexanders aͤußerem und inneren Leben, um deſſen Willen Mancher, dem er viel vertraut, an ihm irre geworden war, hatten ihr ſchoͤnes Verhaͤltniß nicht zu ſtoͤren vermocht; ihre Freundſchaft hatte jene ſchwaͤrmeriſche In- nigkeit des Juͤnglingsalters, dem ſie Beide faſt noch angehoͤrten; die Erzaͤhlung, wie Alexander einen Brief von ſeiner Mutter voll Vorwuͤrfe und Klagen, die er auch dem Freunde gern verſchwieg, durchlas, und Hephaͤſtion ſich uͤber des Freundes Schultern lehnt und mitlieſt, und der Koͤnig ihm dann den Siegelring auf den Mund druͤckt, zum Zeichen des Geheimniſſes, das iſt das Bild, wie man ſich Beide denken mag 6). Hephaͤſtion und Eumenes hatten ſchon mehrfach mit einander Streit gehabt, und ihre gegenſeitige Abneigung bedurfte keines großen Anlaſſes, um in neuen Zwiſt auszubrechen. Ein Geſchenk, das eben jetzt Hephaͤſtion vom Koͤnige erhielt, genuͤgte, des Kar- dianers Neid auf das Heftigſte zu erregen und einen Wortwech- ſel hervorzurufen, in dem bald Beide alle Ruͤckſichten und ſich ſelbſt vergaßen. Alexander that dem aͤrgerlichen Gezaͤnk Einhalt; dem Eumenes gab er ein gleiches Geſchenk, an Hephaͤſtion wandte er ſich mit dem Scheltwort, ob er ſich und ſeine Wuͤrde nicht beſſer kenne; er forderte von Beiden das Verſprechen, fortan jede Uneinigkeit zu meiden und ſich mit einander auszuſoͤhnen. Hephaͤ- ſtion weigerte es, er war der tief Gekraͤnkte, und Alexander hatte Muͤhe, ihn zu beruhigen; ihm zur Liebe reichte Hephaͤſtion endlich die Hand zur Verſoͤhnung 7). — Nach dieſen Vorgaͤngen und einem dreißigtaͤgigen Aufent- halte in dem Nyſaͤiſchen Thale brach das Heer gen Ekbatana auf und erreichte mit einem Marſche von ſieben Tagen, etwa mit dem Ausgange des Oktobers dieſe große und reiche Stadt 8). Es iſt 6) Plutarch. Alex. 39. 7) Das etwa laͤßt ſich aus Plut- arch. Eum. 2. und den erſten zwei Zeilen nach der Luͤcke Arrians (VII. 13.) entnehmen. 8) Die Zeitbeſtimmungen ergeben ſich

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/570>, abgerufen am 26.06.2024.