niß der Gesandtschaften geben, um die Reihenfolge ihrer Au- dienzen zu bestimmen; den Vortritt hatten die mit heiligen Din- gen Beauftragten, namentlich die Gesandten von Elis, Ammonium, Delphi, Korinth, Epidaurus und sofort nach Maaßgabe der Hei- ligkeit ihrer Tempel; dann folgten die, welche Geschenke überbrach- ten, dann die, welche über Streitigkeiten mit Nachbarvölkern ver- handeln wollten, dann die mit inneren und Privatsachen Beauf- tragten, zuletzt die Hellenischen Abgeordneten, welche Vorstellungen gegen die Zurückführung der Verbannten machen sollten 18).
Die Geschichtschreiber Alexanders haben es nicht der Mühe werth geachtet, alle diese Gesandtschaften zu nennen; sie führen nur diejenigen an, welche in irgend einer Beziehung merkwürdig waren, und nur aus den anderweitig geschichtlichen Verhältnissen der ge- nannten Völker läßt sich über die näheren Absichten ihrer Sen- dung einiger Aufschluß finden. So kamen aus Italien Ge- sandte der Bruttier, Lukaner und Römer; denn des Königs Schwa- ger, Alexander von Epirus, war auf die Bitten der Tarentiner gen Italien gezogen, um zunächst die Bruttier und Lukaner zu be- kämpfen, hatte sie und die Samniter, die ihnen zu Hülfe geeilt waren, in einer großen Schlacht bewältigt, und die Römer, die den jüngst geschlossenen Frieden mit den Samnitern nicht für dauernd hielten, eilten mit dem Epirotenkönig ein Bündniß zu schließen; die Macht der Lukaner war bald vollkommen vernichtet, und Tarent, das sie nicht mehr zu fürchten hatte, ging zu den Gegnern des Epirotenkönigs über, der bald zurückgedrängt, einge- schlossen, bewältigt, durch die Hand Lukanischer Verbannte, die sich so vielleicht Verzeihung in ihrer Heimath zu erwirken hofften, den Tod fand. Das war im Jahre 330 geschehen; Tarent war im südlichen Italien, Samnium im inneren die Hauptmacht; sie reiz-
18)Diod. XVII. 113., der freilich von den zwei späteren Ge- sandtschaften aus Hellas nichts weiter erwähnt. Die Erwähnung der Hetrurischen Gesandten in der Art mit den Römischen zu combiniren, wie es Niebuhr (Röm. Gesch. III. p. 194) thut, hat viel für sich; übrigens könnten Tyrrhneische Gesandten über die benachbarten Celten geklagt, über Seeräuberei verhandelt haben.
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niß der Geſandtſchaften geben, um die Reihenfolge ihrer Au- dienzen zu beſtimmen; den Vortritt hatten die mit heiligen Din- gen Beauftragten, namentlich die Geſandten von Elis, Ammonium, Delphi, Korinth, Epidaurus und ſofort nach Maaßgabe der Hei- ligkeit ihrer Tempel; dann folgten die, welche Geſchenke uͤberbrach- ten, dann die, welche uͤber Streitigkeiten mit Nachbarvoͤlkern ver- handeln wollten, dann die mit inneren und Privatſachen Beauf- tragten, zuletzt die Helleniſchen Abgeordneten, welche Vorſtellungen gegen die Zuruͤckfuͤhrung der Verbannten machen ſollten 18).
Die Geſchichtſchreiber Alexanders haben es nicht der Muͤhe werth geachtet, alle dieſe Geſandtſchaften zu nennen; ſie fuͤhren nur diejenigen an, welche in irgend einer Beziehung merkwuͤrdig waren, und nur aus den anderweitig geſchichtlichen Verhaͤltniſſen der ge- nannten Voͤlker laͤßt ſich uͤber die naͤheren Abſichten ihrer Sen- dung einiger Aufſchluß finden. So kamen aus Italien Ge- ſandte der Bruttier, Lukaner und Roͤmer; denn des Koͤnigs Schwa- ger, Alexander von Epirus, war auf die Bitten der Tarentiner gen Italien gezogen, um zunaͤchſt die Bruttier und Lukaner zu be- kaͤmpfen, hatte ſie und die Samniter, die ihnen zu Huͤlfe geeilt waren, in einer großen Schlacht bewaͤltigt, und die Roͤmer, die den juͤngſt geſchloſſenen Frieden mit den Samnitern nicht fuͤr dauernd hielten, eilten mit dem Epirotenkoͤnig ein Buͤndniß zu ſchließen; die Macht der Lukaner war bald vollkommen vernichtet, und Tarent, das ſie nicht mehr zu fuͤrchten hatte, ging zu den Gegnern des Epirotenkoͤnigs uͤber, der bald zuruͤckgedraͤngt, einge- ſchloſſen, bewaͤltigt, durch die Hand Lukaniſcher Verbannte, die ſich ſo vielleicht Verzeihung in ihrer Heimath zu erwirken hofften, den Tod fand. Das war im Jahre 330 geſchehen; Tarent war im ſuͤdlichen Italien, Samnium im inneren die Hauptmacht; ſie reiz-
18)Diod. XVII. 113., der freilich von den zwei ſpaͤteren Ge- ſandtſchaften aus Hellas nichts weiter erwaͤhnt. Die Erwaͤhnung der Hetruriſchen Geſandten in der Art mit den Roͤmiſchen zu combiniren, wie es Niebuhr (Roͤm. Geſch. III. p. 194) thut, hat viel fuͤr ſich; uͤbrigens koͤnnten Tyrrhneiſche Geſandten uͤber die benachbarten Celten geklagt, uͤber Seeraͤuberei verhandelt haben.
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niß der Geſandtſchaften geben, um die Reihenfolge ihrer Au-
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Delphi, Korinth, Epidaurus und ſofort nach Maaßgabe der Hei-
ligkeit ihrer Tempel; dann folgten die, welche Geſchenke uͤberbrach-
ten, dann die, welche uͤber Streitigkeiten mit Nachbarvoͤlkern ver-
handeln wollten, dann die mit inneren und Privatſachen Beauf-
tragten, zuletzt die Helleniſchen Abgeordneten, welche Vorſtellungen
gegen die Zuruͤckfuͤhrung der Verbannten machen ſollten 18).
Die Geſchichtſchreiber Alexanders haben es nicht der Muͤhe
werth geachtet, alle dieſe Geſandtſchaften zu nennen; ſie fuͤhren nur
diejenigen an, welche in irgend einer Beziehung merkwuͤrdig waren,
und nur aus den anderweitig geſchichtlichen Verhaͤltniſſen der ge-
nannten Voͤlker laͤßt ſich uͤber die naͤheren Abſichten ihrer Sen-
dung einiger Aufſchluß finden. So kamen aus Italien Ge-
ſandte der Bruttier, Lukaner und Roͤmer; denn des Koͤnigs Schwa-
ger, Alexander von Epirus, war auf die Bitten der Tarentiner gen
Italien gezogen, um zunaͤchſt die Bruttier und Lukaner zu be-
kaͤmpfen, hatte ſie und die Samniter, die ihnen zu Huͤlfe geeilt
waren, in einer großen Schlacht bewaͤltigt, und die Roͤmer, die
den juͤngſt geſchloſſenen Frieden mit den Samnitern nicht fuͤr
dauernd hielten, eilten mit dem Epirotenkoͤnig ein Buͤndniß zu
ſchließen; die Macht der Lukaner war bald vollkommen vernichtet,
und Tarent, das ſie nicht mehr zu fuͤrchten hatte, ging zu den
Gegnern des Epirotenkoͤnigs uͤber, der bald zuruͤckgedraͤngt, einge-
ſchloſſen, bewaͤltigt, durch die Hand Lukaniſcher Verbannte, die ſich
ſo vielleicht Verzeihung in ihrer Heimath zu erwirken hofften, den
Tod fand. Das war im Jahre 330 geſchehen; Tarent war im
ſuͤdlichen Italien, Samnium im inneren die Hauptmacht; ſie reiz-
18) Diod. XVII. 113., der freilich von den zwei ſpaͤteren Ge-
ſandtſchaften aus Hellas nichts weiter erwaͤhnt. Die Erwaͤhnung
der Hetruriſchen Geſandten in der Art mit den Roͤmiſchen zu
combiniren, wie es Niebuhr (Roͤm. Geſch. III. p. 194) thut, hat
viel fuͤr ſich; uͤbrigens koͤnnten Tyrrhneiſche Geſandten uͤber die
benachbarten Celten geklagt, uͤber Seeraͤuberei verhandelt haben.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 563. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/577>, abgerufen am 22.11.2024.
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