Alexander zog nun in kleinen Tagesmärschen, um die einzel- nen Truppenabtheilungen aus den Bergthälern an sich zu ziehen, gen Babylon hinab. In Babylon wollte er seine gesammten Streit- kräfte zu neuen Unternehmungen vereinigen, Babylon sollte der Mittelpunkt des Reiches und die königliche Residenz werden; die Stadt war durch ihre Größe, ihren alten Ruhm und vor Allem durch ihre Lage besonders dazu geeignet; sie lag in der Mitte zwischen den Völkern des Abend- und Morgenlandes, sie war dem Westen näher, auf den sich nach der Bewältigung des Ostens Alexanders unternehmender Blick wenden mußte. Gen Westen lag jenes Italien, wo vor Kurzem seiner Schwester Gemahl, der Epirotenkönig, Ehre und Leben eingebüßt hatte, lag das Land jener Geten, denen Zopyrion, der Befehlshaber der Donauländer, mit einem Macedonischen Heere erlegen war, lag das silberreiche Iberien, das Land der Phönicischen Colonien, deren Mutterstädte jetzt zum neuen Reiche gehörten, lag endlich jenes Karthago, das seit den ersten Perserkriegen und dem damaligen Bunde mit Persien nicht aufgehört hatte, gegen die Hellenen in Libyen und Sicilien zu kämpfen. Die großen Veränderungen in der Ostwelt hatten Alexanders Ruhm bis zu den entferntesten Völkern verbreitet, die theils mit Hoffnung, theils mit Besorgniß auf diese Riesenmacht blicken mochten; sie mußten die Nothwendigkeit erkennen, sich mit dieser Macht, in deren Hand jetzt das Schicksal der Welt lag, in Verbindung zu setzen, und durch politische Verhandlungen dem Gange der Zukunft vorzuarbeiten. So geschah es, daß viele Gesandtschaften ferner Völker dem Könige gen Babylon entgegen kamen, theils um Huldigungen und Geschenke zu überbringen, theils um über Streitigkeiten mit Nachbarvölkern des Königs schiedsrichterliche Entscheidung einzuholen; und erst jetzt, sagt Ar- rian, schien es dem Könige und seiner Umgebung, daß er Herr über Land und Meer sei. 17) Alexander ließ sich das Verzeich- 16)
17)Arrian. VII. 15. 6. Daß unter den Gesandten, wie Diodor versichert, Hel- lenen waren, sagt Arrian an dieser Stelle nicht, es läßt sich aber aus VII. 14. 12. schließen.
16) den von Susiana, und besonders an den Quellen des Euläus, wo auch der Weg gen Susa durch ihre Berge führt.
Alexander zog nun in kleinen Tagesmaͤrſchen, um die einzel- nen Truppenabtheilungen aus den Bergthaͤlern an ſich zu ziehen, gen Babylon hinab. In Babylon wollte er ſeine geſammten Streit- kraͤfte zu neuen Unternehmungen vereinigen, Babylon ſollte der Mittelpunkt des Reiches und die koͤnigliche Reſidenz werden; die Stadt war durch ihre Groͤße, ihren alten Ruhm und vor Allem durch ihre Lage beſonders dazu geeignet; ſie lag in der Mitte zwiſchen den Voͤlkern des Abend- und Morgenlandes, ſie war dem Weſten naͤher, auf den ſich nach der Bewaͤltigung des Oſtens Alexanders unternehmender Blick wenden mußte. Gen Weſten lag jenes Italien, wo vor Kurzem ſeiner Schweſter Gemahl, der Epirotenkoͤnig, Ehre und Leben eingebuͤßt hatte, lag das Land jener Geten, denen Zopyrion, der Befehlshaber der Donaulaͤnder, mit einem Macedoniſchen Heere erlegen war, lag das ſilberreiche Iberien, das Land der Phoͤniciſchen Colonien, deren Mutterſtaͤdte jetzt zum neuen Reiche gehoͤrten, lag endlich jenes Karthago, das ſeit den erſten Perſerkriegen und dem damaligen Bunde mit Perſien nicht aufgehoͤrt hatte, gegen die Hellenen in Libyen und Sicilien zu kaͤmpfen. Die großen Veraͤnderungen in der Oſtwelt hatten Alexanders Ruhm bis zu den entfernteſten Voͤlkern verbreitet, die theils mit Hoffnung, theils mit Beſorgniß auf dieſe Rieſenmacht blicken mochten; ſie mußten die Nothwendigkeit erkennen, ſich mit dieſer Macht, in deren Hand jetzt das Schickſal der Welt lag, in Verbindung zu ſetzen, und durch politiſche Verhandlungen dem Gange der Zukunft vorzuarbeiten. So geſchah es, daß viele Geſandtſchaften ferner Voͤlker dem Koͤnige gen Babylon entgegen kamen, theils um Huldigungen und Geſchenke zu uͤberbringen, theils um uͤber Streitigkeiten mit Nachbarvoͤlkern des Koͤnigs ſchiedsrichterliche Entſcheidung einzuholen; und erſt jetzt, ſagt Ar- rian, ſchien es dem Koͤnige und ſeiner Umgebung, daß er Herr uͤber Land und Meer ſei. 17) Alexander ließ ſich das Verzeich- 16)
17)Arrian. VII. 15. 6. Daß unter den Geſandten, wie Diodor verſichert, Hel- lenen waren, ſagt Arrian an dieſer Stelle nicht, es laͤßt ſich aber aus VII. 14. 12. ſchließen.
16) den von Suſiana, und beſonders an den Quellen des Eulaͤus, wo auch der Weg gen Suſa durch ihre Berge fuͤhrt.
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kraͤfte zu neuen Unternehmungen vereinigen, Babylon ſollte der
Mittelpunkt des Reiches und die koͤnigliche Reſidenz werden; die
Stadt war durch ihre Groͤße, ihren alten Ruhm und vor Allem
durch ihre Lage beſonders dazu geeignet; ſie lag in der Mitte
zwiſchen den Voͤlkern des Abend- und Morgenlandes, ſie war
dem Weſten naͤher, auf den ſich nach der Bewaͤltigung des Oſtens
Alexanders unternehmender Blick wenden mußte. Gen Weſten
lag jenes Italien, wo vor Kurzem ſeiner Schweſter Gemahl, der
Epirotenkoͤnig, Ehre und Leben eingebuͤßt hatte, lag das Land jener
Geten, denen Zopyrion, der Befehlshaber der Donaulaͤnder, mit
einem Macedoniſchen Heere erlegen war, lag das ſilberreiche
Iberien, das Land der Phoͤniciſchen Colonien, deren Mutterſtaͤdte
jetzt zum neuen Reiche gehoͤrten, lag endlich jenes Karthago, das ſeit
den erſten Perſerkriegen und dem damaligen Bunde mit Perſien
nicht aufgehoͤrt hatte, gegen die Hellenen in Libyen und Sicilien
zu kaͤmpfen. Die großen Veraͤnderungen in der Oſtwelt hatten
Alexanders Ruhm bis zu den entfernteſten Voͤlkern verbreitet, die
theils mit Hoffnung, theils mit Beſorgniß auf dieſe Rieſenmacht
blicken mochten; ſie mußten die Nothwendigkeit erkennen, ſich mit
dieſer Macht, in deren Hand jetzt das Schickſal der Welt lag, in
Verbindung zu ſetzen, und durch politiſche Verhandlungen dem
Gange der Zukunft vorzuarbeiten. So geſchah es, daß viele
Geſandtſchaften ferner Voͤlker dem Koͤnige gen Babylon entgegen
kamen, theils um Huldigungen und Geſchenke zu uͤberbringen,
theils um uͤber Streitigkeiten mit Nachbarvoͤlkern des Koͤnigs
ſchiedsrichterliche Entſcheidung einzuholen; und erſt jetzt, ſagt Ar-
rian, ſchien es dem Koͤnige und ſeiner Umgebung, daß er Herr
uͤber Land und Meer ſei. 17) Alexander ließ ſich das Verzeich-
16)
17) Arrian.
VII. 15. 6. Daß unter den Geſandten, wie Diodor verſichert, Hel-
lenen waren, ſagt Arrian an dieſer Stelle nicht, es laͤßt ſich aber
aus VII. 14. 12. ſchließen.
16) den von Suſiana, und beſonders an den Quellen des Eulaͤus, wo
auch der Weg gen Suſa durch ihre Berge fuͤhrt.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/576>, abgerufen am 22.11.2024.
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