zum Persischen Meerbusen fortsetzt; der Kanal ist für die Land- schaft von unberechenbarer Wichtigkeit; denn wenn im Frühlinge die Wasser des Stromes zu schwellen beginnen, und, während unter der Sommersonne der Schnee in den Armenischen Bergen schmilzt, immer mächtiger und höher hinabfluthen, so würde die ganze Landschaft der Ueberschwemmung ausgesetzt sein, wenn nicht dem Strom durch die Kanäle und besonders durch den Pallako- pas ein Abfluß gegeben würde, der dann zugleich das Stromland schützt und den vom Strom entfernteren Gegenden die Seg- nungen der reichsten Wässerung bringt. Wenn aber der Euphrat mit dem Herbste wieder abnimmt, so ist es nothwendig den Ka- nal möglichst schnell zu schließen, weil sonst der Strom diesem kürzeren Wege, sich zu ergießen, folgen und sein Bette verlassen würde; die Arbeit wird dadurch außerordentlich erschwert, daß die Stelle des Ufers, wo der Kanal beginnt, losen Grund hat, so daß die Aufschüttungen selbst außerordentliche Mühe machen und dann doch nicht genügenden Widerstand gegen die ziemlich starke Strömung des Euphrat leisten; auch sind die Deiche des Ka- nals bei hohem Wasser stets der Gefahr, ganz zertrümmert zu werden, ausgesetzt, und es kostet ungeheure Arbeit, sie zu rechter Zeit zur Schließung des Kanals wieder herzustellen. So arbeiteten jetzt auf Befehl des Satrapen von Babylon zehntausend Men- schen schon seit drei Monaten an diesen Deichen; Alexander fuhr nun hinab, die Arbeit zu besichtigen, er wünschte irgend eine Ab- hülfe dieses Uebelstandes zu finden. Er fuhr weiter stromab, um das Ufer zu untersuchen, er fand eine Stunde unterhalb der Kanal- mündung einen felsigen Uferrand, der allen Erwartungen entsprach; hier befahl er einen Kanal durchzusprengen und ihn nordwestlich in das alte Bett des Pallakopas hineinführen, dessen Mündung dann für immer verdammt und verschüttet werden sollte; so, hoffte er, würde es eben so leicht sein, den Abfluß des Euphrat im Herbste zu sperren, wie ihn wieder mit dem Frühjahr zu eröffnen. Um sich weiter von der Natur dieser Gegenden westwärts zu über- zeugen, fuhr Alexander zum Pallacopas zurück und durch diesen in den See an der Arabischen Grenze hinein; die Schönheit der Ufer, und noch mehr die Wichtigkeit dieser Gegend bestimmten ihn
zum Perſiſchen Meerbuſen fortſetzt; der Kanal iſt fuͤr die Land- ſchaft von unberechenbarer Wichtigkeit; denn wenn im Fruͤhlinge die Waſſer des Stromes zu ſchwellen beginnen, und, waͤhrend unter der Sommerſonne der Schnee in den Armeniſchen Bergen ſchmilzt, immer maͤchtiger und hoͤher hinabfluthen, ſo wuͤrde die ganze Landſchaft der Ueberſchwemmung ausgeſetzt ſein, wenn nicht dem Strom durch die Kanaͤle und beſonders durch den Pallako- pas ein Abfluß gegeben wuͤrde, der dann zugleich das Stromland ſchuͤtzt und den vom Strom entfernteren Gegenden die Seg- nungen der reichſten Waͤſſerung bringt. Wenn aber der Euphrat mit dem Herbſte wieder abnimmt, ſo iſt es nothwendig den Ka- nal moͤglichſt ſchnell zu ſchließen, weil ſonſt der Strom dieſem kuͤrzeren Wege, ſich zu ergießen, folgen und ſein Bette verlaſſen wuͤrde; die Arbeit wird dadurch außerordentlich erſchwert, daß die Stelle des Ufers, wo der Kanal beginnt, loſen Grund hat, ſo daß die Aufſchuͤttungen ſelbſt außerordentliche Muͤhe machen und dann doch nicht genuͤgenden Widerſtand gegen die ziemlich ſtarke Stroͤmung des Euphrat leiſten; auch ſind die Deiche des Ka- nals bei hohem Waſſer ſtets der Gefahr, ganz zertruͤmmert zu werden, ausgeſetzt, und es koſtet ungeheure Arbeit, ſie zu rechter Zeit zur Schließung des Kanals wieder herzuſtellen. So arbeiteten jetzt auf Befehl des Satrapen von Babylon zehntauſend Men- ſchen ſchon ſeit drei Monaten an dieſen Deichen; Alexander fuhr nun hinab, die Arbeit zu beſichtigen, er wuͤnſchte irgend eine Ab- huͤlfe dieſes Uebelſtandes zu finden. Er fuhr weiter ſtromab, um das Ufer zu unterſuchen, er fand eine Stunde unterhalb der Kanal- muͤndung einen felſigen Uferrand, der allen Erwartungen entſprach; hier befahl er einen Kanal durchzuſprengen und ihn nordweſtlich in das alte Bett des Pallakopas hineinfuͤhren, deſſen Muͤndung dann fuͤr immer verdammt und verſchuͤttet werden ſollte; ſo, hoffte er, wuͤrde es eben ſo leicht ſein, den Abfluß des Euphrat im Herbſte zu ſperren, wie ihn wieder mit dem Fruͤhjahr zu eroͤffnen. Um ſich weiter von der Natur dieſer Gegenden weſtwaͤrts zu uͤber- zeugen, fuhr Alexander zum Pallacopas zuruͤck und durch dieſen in den See an der Arabiſchen Grenze hinein; die Schoͤnheit der Ufer, und noch mehr die Wichtigkeit dieſer Gegend beſtimmten ihn
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[575/0589]
zum Perſiſchen Meerbuſen fortſetzt; der Kanal iſt fuͤr die Land-
ſchaft von unberechenbarer Wichtigkeit; denn wenn im Fruͤhlinge
die Waſſer des Stromes zu ſchwellen beginnen, und, waͤhrend
unter der Sommerſonne der Schnee in den Armeniſchen Bergen
ſchmilzt, immer maͤchtiger und hoͤher hinabfluthen, ſo wuͤrde die
ganze Landſchaft der Ueberſchwemmung ausgeſetzt ſein, wenn nicht
dem Strom durch die Kanaͤle und beſonders durch den Pallako-
pas ein Abfluß gegeben wuͤrde, der dann zugleich das Stromland
ſchuͤtzt und den vom Strom entfernteren Gegenden die Seg-
nungen der reichſten Waͤſſerung bringt. Wenn aber der Euphrat
mit dem Herbſte wieder abnimmt, ſo iſt es nothwendig den Ka-
nal moͤglichſt ſchnell zu ſchließen, weil ſonſt der Strom dieſem
kuͤrzeren Wege, ſich zu ergießen, folgen und ſein Bette verlaſſen
wuͤrde; die Arbeit wird dadurch außerordentlich erſchwert, daß
die Stelle des Ufers, wo der Kanal beginnt, loſen Grund hat,
ſo daß die Aufſchuͤttungen ſelbſt außerordentliche Muͤhe machen
und dann doch nicht genuͤgenden Widerſtand gegen die ziemlich
ſtarke Stroͤmung des Euphrat leiſten; auch ſind die Deiche des Ka-
nals bei hohem Waſſer ſtets der Gefahr, ganz zertruͤmmert zu
werden, ausgeſetzt, und es koſtet ungeheure Arbeit, ſie zu rechter
Zeit zur Schließung des Kanals wieder herzuſtellen. So arbeiteten
jetzt auf Befehl des Satrapen von Babylon zehntauſend Men-
ſchen ſchon ſeit drei Monaten an dieſen Deichen; Alexander fuhr
nun hinab, die Arbeit zu beſichtigen, er wuͤnſchte irgend eine Ab-
huͤlfe dieſes Uebelſtandes zu finden. Er fuhr weiter ſtromab, um
das Ufer zu unterſuchen, er fand eine Stunde unterhalb der Kanal-
muͤndung einen felſigen Uferrand, der allen Erwartungen entſprach;
hier befahl er einen Kanal durchzuſprengen und ihn nordweſtlich
in das alte Bett des Pallakopas hineinfuͤhren, deſſen Muͤndung
dann fuͤr immer verdammt und verſchuͤttet werden ſollte; ſo,
hoffte er, wuͤrde es eben ſo leicht ſein, den Abfluß des Euphrat im
Herbſte zu ſperren, wie ihn wieder mit dem Fruͤhjahr zu eroͤffnen.
Um ſich weiter von der Natur dieſer Gegenden weſtwaͤrts zu uͤber-
zeugen, fuhr Alexander zum Pallacopas zuruͤck und durch dieſen
in den See an der Arabiſchen Grenze hinein; die Schoͤnheit der
Ufer, und noch mehr die Wichtigkeit dieſer Gegend beſtimmten ihn
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/589>, abgerufen am 22.11.2024.
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