gen, dem Adel, dem gesammten Volke mit, es wurde der stets durchklingende Grundton des Macedonischen Lebens, das lockende Geheimniß der Zukunft; man kämpfte gegen die Thracier und siegte über die Griechen, aber der Orient war das Ziel, für das man kämpfte und siegte. Unter solchen Umgebungen wuchs Alexan- der auf, und früh genug mögen die Sagen vom Morgenlande, vom stillen Goldstrom und dem Sonnenquell, dem goldnen Wein- stock mit smaragdnen Trauben, und der Nysawiese des Dionysus des Knaben Seele beschäftigt haben; dann wuchs er auf und hörte von den Siegen bei Marathon und Salamis, und von den heiligen Tempeln und Gräbern, die der Perserkönig mit seinen Sklavenhee- ren zerstört und geschändet habe, und daß Macedonien gen Asien ziehen und sie rächen müsse; und mit dem Knaben wuchs das Ver- langen nach Asien und nach Siegen über den großen König in Susa. Und als einst Gesandte aus der Persischen Königsburg nach Pella kamen, und er, noch ein Knabe, sie empfing, so fragte er sorgsam nach den Heeren und Völkern des Reichs, nach Gesetz und Brauch, nach Verfassung und Leben der Völker; und die Per- ser staunten über das Kind 23). --
Von nicht minderer Wichtigkeit war, daß Aristoteles, der größte Denker des Alterthums, ihn erzog. Philipp hatte bei der Geburt seines Sohnes ihn darum ersucht: "wisse daß mir ein Sohn geboren ist," schrieb er an den Stagiriten; "nicht daß er ge- boren ist, sondern daß er in deinen Tagen geboren ist, macht mich froh; von dir erzogen und gebildet wird er Unserer würdig und der großen Bestimmung, die einst sein Erbe ist, gewachsen sein" 24). Der die Welt dem Gedanken erobert hat, erzog den, der sie mit dem Schwerte erobern sollte; ihm gebührt der Ruhm, in dem lei- denschaftlichen Knaben jene Hoheit und Strenge des Denkens ge- weckt zu haben, die ihn den Genuß verachten und die Wollust flie- hen lehrte 25), die seine Leidenschaft adelte und seiner Kraft Maaß
23)Plut. Alex. und de fort. Alex. II.
24) Die Aechtheit die- ses von Gellius aufbewahrten Briefes ist zweifelhaft.
25) In der That ist die Keuschheit eine seiner schönsten Tugenden und durch viele Beispiele bewährt. Als Jüngling war er so entfernt von Wol- lust, daß seine Aeltern, voll Besorgniß, ihn durch eine schöne Hetäre
gen, dem Adel, dem geſammten Volke mit, es wurde der ſtets durchklingende Grundton des Macedoniſchen Lebens, das lockende Geheimniß der Zukunft; man kämpfte gegen die Thracier und ſiegte über die Griechen, aber der Orient war das Ziel, für das man kämpfte und ſiegte. Unter ſolchen Umgebungen wuchs Alexan- der auf, und früh genug mögen die Sagen vom Morgenlande, vom ſtillen Goldſtrom und dem Sonnenquell, dem goldnen Wein- ſtock mit ſmaragdnen Trauben, und der Nyſawieſe des Dionyſus des Knaben Seele beſchäftigt haben; dann wuchs er auf und hörte von den Siegen bei Marathon und Salamis, und von den heiligen Tempeln und Gräbern, die der Perſerkönig mit ſeinen Sklavenhee- ren zerſtört und geſchändet habe, und daß Macedonien gen Aſien ziehen und ſie rächen müſſe; und mit dem Knaben wuchs das Ver- langen nach Aſien und nach Siegen über den großen König in Suſa. Und als einſt Geſandte aus der Perſiſchen Königsburg nach Pella kamen, und er, noch ein Knabe, ſie empfing, ſo fragte er ſorgſam nach den Heeren und Völkern des Reichs, nach Geſetz und Brauch, nach Verfaſſung und Leben der Völker; und die Per- ſer ſtaunten über das Kind 23). —
Von nicht minderer Wichtigkeit war, daß Ariſtoteles, der größte Denker des Alterthums, ihn erzog. Philipp hatte bei der Geburt ſeines Sohnes ihn darum erſucht: „wiſſe daß mir ein Sohn geboren iſt,“ ſchrieb er an den Stagiriten; „nicht daß er ge- boren iſt, ſondern daß er in deinen Tagen geboren iſt, macht mich froh; von dir erzogen und gebildet wird er Unſerer würdig und der großen Beſtimmung, die einſt ſein Erbe iſt, gewachſen ſein“ 24). Der die Welt dem Gedanken erobert hat, erzog den, der ſie mit dem Schwerte erobern ſollte; ihm gebührt der Ruhm, in dem lei- denſchaftlichen Knaben jene Hoheit und Strenge des Denkens ge- weckt zu haben, die ihn den Genuß verachten und die Wolluſt flie- hen lehrte 25), die ſeine Leidenſchaft adelte und ſeiner Kraft Maaß
23)Plut. Alex. und de fort. Alex. II.
24) Die Aechtheit die- ſes von Gellius aufbewahrten Briefes iſt zweifelhaft.
25) In der That iſt die Keuſchheit eine ſeiner ſchönſten Tugenden und durch viele Beiſpiele bewährt. Als Jüngling war er ſo entfernt von Wol- luſt, daß ſeine Aeltern, voll Beſorgniß, ihn durch eine ſchöne Hetäre
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ſiegte über die Griechen, aber der Orient war das Ziel, für das
man kämpfte und ſiegte. Unter ſolchen Umgebungen wuchs Alexan-
der auf, und früh genug mögen die Sagen vom Morgenlande,
vom ſtillen Goldſtrom und dem Sonnenquell, dem goldnen Wein-
ſtock mit ſmaragdnen Trauben, und der Nyſawieſe des Dionyſus
des Knaben Seele beſchäftigt haben; dann wuchs er auf und hörte
von den Siegen bei Marathon und Salamis, und von den heiligen
Tempeln und Gräbern, die der Perſerkönig mit ſeinen Sklavenhee-
ren zerſtört und geſchändet habe, und daß Macedonien gen Aſien
ziehen und ſie rächen müſſe; und mit dem Knaben wuchs das Ver-
langen nach Aſien und nach Siegen über den großen König in
Suſa. Und als einſt Geſandte aus der Perſiſchen Königsburg
nach Pella kamen, und er, noch ein Knabe, ſie empfing, ſo fragte
er ſorgſam nach den Heeren und Völkern des Reichs, nach Geſetz
und Brauch, nach Verfaſſung und Leben der Völker; und die Per-
ſer ſtaunten über das Kind 23). —
Von nicht minderer Wichtigkeit war, daß Ariſtoteles, der
größte Denker des Alterthums, ihn erzog. Philipp hatte bei der
Geburt ſeines Sohnes ihn darum erſucht: „wiſſe daß mir ein
Sohn geboren iſt,“ ſchrieb er an den Stagiriten; „nicht daß er ge-
boren iſt, ſondern daß er in deinen Tagen geboren iſt, macht mich
froh; von dir erzogen und gebildet wird er Unſerer würdig und der
großen Beſtimmung, die einſt ſein Erbe iſt, gewachſen ſein“ 24).
Der die Welt dem Gedanken erobert hat, erzog den, der ſie mit
dem Schwerte erobern ſollte; ihm gebührt der Ruhm, in dem lei-
denſchaftlichen Knaben jene Hoheit und Strenge des Denkens ge-
weckt zu haben, die ihn den Genuß verachten und die Wolluſt flie-
hen lehrte 25), die ſeine Leidenſchaft adelte und ſeiner Kraft Maaß
23) Plut. Alex. und de fort. Alex. II.
24) Die Aechtheit die-
ſes von Gellius aufbewahrten Briefes iſt zweifelhaft.
25) In
der That iſt die Keuſchheit eine ſeiner ſchönſten Tugenden und durch
viele Beiſpiele bewährt. Als Jüngling war er ſo entfernt von Wol-
luſt, daß ſeine Aeltern, voll Beſorgniß, ihn durch eine ſchöne Hetäre
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/61>, abgerufen am 23.11.2024.
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