und Bewußtsein gab. Alexander bewahrte für seinen Lehrer allezeit die innigste Verehrung; er sagte oft, seinem Vater danke er nur sein Leben, seinem Lehrer, daß er würdig lebe.
So in jeder Weise vom Glücke begünstigt, bildete sich Alexan- der und sein Charakter früh, glücklich und entschieden aus; voll Tha- tendurst und Ruhmbegier trauerte er oft um die Siege seines Va- ters, die ihm nichts mehr zu thun übrig ließen. Sein Vorbild war Achilles, aus dessen Geschlecht er sich gern entstammt zu sein rühmte, und dem er durch Glück und Leid und Ruhm ähnlich wer- den sollte. Wie jener seinen Patroklus, so liebte er den Freund seiner Jugend Hephästion; aber einen Homer fand er nicht. Er liebte mehr seine Mutter als seinen Vater, von jener hatte er den Enthusiasmus 26) und die Innigkeit, die ihn vor allen Helden aus- zeichnen. Dem entsprach sein Aeußeres; sein heftiger Gang, der funkelnde Blick, das zurückfliegende Haar, die Gewalt seiner Stimme bekundeten den Helden; wenn er ruhte, bezauberte die Milde seiner Miene, das sanfte Roth, das auf seiner Wange spielte, sein feucht- aufblickendes Auge, das ein wenig zur Linken geneigte Haupt. In ritterlichen Uebungen war er vor Allen ausgezeichnet; schon als Knabe bändigte er das wilde Thessalische Roß Bucephalus, an wel- ches sich kein Anderer wagen wollte, und das ihm späterhin auf allen seinen Zügen als Schlachtroß diente. Die erste Waffenprobe legte er unter seines Vaters Regierung ab; er bezwang, da Phi- lipp Byzanz belagerte, die Mäder, und gründete dort eine Stadt mit seinem Namen; noch höheren Ruhm gewann er in der Schlacht von Chäronea, die durch seine persönliche Tapferkeit gewonnen wurde. Sein Vater sah und liebte in ihm den einstigen Vollender seiner eigenen Hoffnungen; er hörte sich gern von den Macedoniern
ihren
zu verführen suchten, die sich in sein Schlafgemach schleichen mußte; Alexander wandte sich voll Schaam von ihr, und beklagte sich bitter über das Geschehene.
26) Unter den vielen dahin gehörigen Er- zählungen zeichnen wir die von dem wunderbaren Einfluß aus, den die Musik über ihn ausübte; als Antigenides einst ein Kriegslied zur Flöte sang, sprang Alexander auf, und griff nach den Waffen. Plut. de fort. Alex. II.
und Bewußtſein gab. Alexander bewahrte für ſeinen Lehrer allezeit die innigſte Verehrung; er ſagte oft, ſeinem Vater danke er nur ſein Leben, ſeinem Lehrer, daß er würdig lebe.
So in jeder Weiſe vom Glücke begünſtigt, bildete ſich Alexan- der und ſein Charakter früh, glücklich und entſchieden aus; voll Tha- tendurſt und Ruhmbegier trauerte er oft um die Siege ſeines Va- ters, die ihm nichts mehr zu thun übrig ließen. Sein Vorbild war Achilles, aus deſſen Geſchlecht er ſich gern entſtammt zu ſein rühmte, und dem er durch Glück und Leid und Ruhm ähnlich wer- den ſollte. Wie jener ſeinen Patroklus, ſo liebte er den Freund ſeiner Jugend Hephäſtion; aber einen Homer fand er nicht. Er liebte mehr ſeine Mutter als ſeinen Vater, von jener hatte er den Enthuſiasmus 26) und die Innigkeit, die ihn vor allen Helden aus- zeichnen. Dem entſprach ſein Aeußeres; ſein heftiger Gang, der funkelnde Blick, das zurückfliegende Haar, die Gewalt ſeiner Stimme bekundeten den Helden; wenn er ruhte, bezauberte die Milde ſeiner Miene, das ſanfte Roth, das auf ſeiner Wange ſpielte, ſein feucht- aufblickendes Auge, das ein wenig zur Linken geneigte Haupt. In ritterlichen Uebungen war er vor Allen ausgezeichnet; ſchon als Knabe bändigte er das wilde Theſſaliſche Roß Bucephalus, an wel- ches ſich kein Anderer wagen wollte, und das ihm ſpäterhin auf allen ſeinen Zügen als Schlachtroß diente. Die erſte Waffenprobe legte er unter ſeines Vaters Regierung ab; er bezwang, da Phi- lipp Byzanz belagerte, die Mäder, und gründete dort eine Stadt mit ſeinem Namen; noch höheren Ruhm gewann er in der Schlacht von Chäronea, die durch ſeine perſönliche Tapferkeit gewonnen wurde. Sein Vater ſah und liebte in ihm den einſtigen Vollender ſeiner eigenen Hoffnungen; er hörte ſich gern von den Macedoniern
ihren
zu verführen ſuchten, die ſich in ſein Schlafgemach ſchleichen mußte; Alexander wandte ſich voll Schaam von ihr, und beklagte ſich bitter über das Geſchehene.
26) Unter den vielen dahin gehörigen Er- zählungen zeichnen wir die von dem wunderbaren Einfluß aus, den die Muſik über ihn ausübte; als Antigenides einſt ein Kriegslied zur Flöte ſang, ſprang Alexander auf, und griff nach den Waffen. Plut. de fort. Alex. II.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0062"n="48"/>
und Bewußtſein gab. Alexander bewahrte für ſeinen Lehrer allezeit<lb/>
die innigſte Verehrung; er ſagte oft, ſeinem Vater danke er nur<lb/>ſein Leben, ſeinem Lehrer, daß er würdig lebe.</p><lb/><p>So in jeder Weiſe vom Glücke begünſtigt, bildete ſich Alexan-<lb/>
der und ſein Charakter früh, glücklich und entſchieden aus; voll Tha-<lb/>
tendurſt und Ruhmbegier trauerte er oft um die Siege ſeines Va-<lb/>
ters, die ihm nichts mehr zu thun übrig ließen. Sein Vorbild<lb/>
war Achilles, aus deſſen Geſchlecht er ſich gern entſtammt zu ſein<lb/>
rühmte, und dem er durch Glück und Leid und Ruhm ähnlich wer-<lb/>
den ſollte. Wie jener ſeinen Patroklus, ſo liebte er den Freund<lb/>ſeiner Jugend Hephäſtion; aber einen Homer fand er nicht. Er<lb/>
liebte mehr ſeine Mutter als ſeinen Vater, von jener hatte er den<lb/>
Enthuſiasmus <noteplace="foot"n="26)">Unter den vielen dahin gehörigen Er-<lb/>
zählungen zeichnen wir die von dem wunderbaren Einfluß aus, den<lb/>
die Muſik über ihn ausübte; als Antigenides einſt ein Kriegslied zur<lb/>
Flöte ſang, ſprang Alexander auf, und griff nach den Waffen.<lb/><hirendition="#aq">Plut. de fort. Alex. II.</hi></note> und die Innigkeit, die ihn vor allen Helden aus-<lb/>
zeichnen. Dem entſprach ſein Aeußeres; ſein heftiger Gang, der<lb/>
funkelnde Blick, das zurückfliegende Haar, die Gewalt ſeiner Stimme<lb/>
bekundeten den Helden; wenn er ruhte, bezauberte die Milde ſeiner<lb/>
Miene, das ſanfte Roth, das auf ſeiner Wange ſpielte, ſein feucht-<lb/>
aufblickendes Auge, das ein wenig zur Linken geneigte Haupt. In<lb/>
ritterlichen Uebungen war er vor Allen ausgezeichnet; ſchon als<lb/>
Knabe bändigte er das wilde Theſſaliſche Roß Bucephalus, an wel-<lb/>
ches ſich kein Anderer wagen wollte, und das ihm ſpäterhin auf<lb/>
allen ſeinen Zügen als Schlachtroß diente. Die erſte Waffenprobe<lb/>
legte er unter ſeines Vaters Regierung ab; er bezwang, da Phi-<lb/>
lipp Byzanz belagerte, die Mäder, und gründete dort eine Stadt<lb/>
mit ſeinem Namen; noch höheren Ruhm gewann er in der Schlacht<lb/>
von Chäronea, die durch ſeine perſönliche Tapferkeit gewonnen<lb/>
wurde. Sein Vater ſah und liebte in ihm den einſtigen Vollender<lb/>ſeiner eigenen Hoffnungen; er hörte ſich gern von den Macedoniern<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ihren</fw><lb/><notexml:id="note-0062"prev="#note-0061"place="foot"n="25)">zu verführen ſuchten, die ſich in ſein Schlafgemach ſchleichen mußte;<lb/>
Alexander wandte ſich voll Schaam von ihr, und beklagte ſich bitter<lb/>
über das Geſchehene.</note><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[48/0062]
und Bewußtſein gab. Alexander bewahrte für ſeinen Lehrer allezeit
die innigſte Verehrung; er ſagte oft, ſeinem Vater danke er nur
ſein Leben, ſeinem Lehrer, daß er würdig lebe.
So in jeder Weiſe vom Glücke begünſtigt, bildete ſich Alexan-
der und ſein Charakter früh, glücklich und entſchieden aus; voll Tha-
tendurſt und Ruhmbegier trauerte er oft um die Siege ſeines Va-
ters, die ihm nichts mehr zu thun übrig ließen. Sein Vorbild
war Achilles, aus deſſen Geſchlecht er ſich gern entſtammt zu ſein
rühmte, und dem er durch Glück und Leid und Ruhm ähnlich wer-
den ſollte. Wie jener ſeinen Patroklus, ſo liebte er den Freund
ſeiner Jugend Hephäſtion; aber einen Homer fand er nicht. Er
liebte mehr ſeine Mutter als ſeinen Vater, von jener hatte er den
Enthuſiasmus 26) und die Innigkeit, die ihn vor allen Helden aus-
zeichnen. Dem entſprach ſein Aeußeres; ſein heftiger Gang, der
funkelnde Blick, das zurückfliegende Haar, die Gewalt ſeiner Stimme
bekundeten den Helden; wenn er ruhte, bezauberte die Milde ſeiner
Miene, das ſanfte Roth, das auf ſeiner Wange ſpielte, ſein feucht-
aufblickendes Auge, das ein wenig zur Linken geneigte Haupt. In
ritterlichen Uebungen war er vor Allen ausgezeichnet; ſchon als
Knabe bändigte er das wilde Theſſaliſche Roß Bucephalus, an wel-
ches ſich kein Anderer wagen wollte, und das ihm ſpäterhin auf
allen ſeinen Zügen als Schlachtroß diente. Die erſte Waffenprobe
legte er unter ſeines Vaters Regierung ab; er bezwang, da Phi-
lipp Byzanz belagerte, die Mäder, und gründete dort eine Stadt
mit ſeinem Namen; noch höheren Ruhm gewann er in der Schlacht
von Chäronea, die durch ſeine perſönliche Tapferkeit gewonnen
wurde. Sein Vater ſah und liebte in ihm den einſtigen Vollender
ſeiner eigenen Hoffnungen; er hörte ſich gern von den Macedoniern
ihren
25)
26) Unter den vielen dahin gehörigen Er-
zählungen zeichnen wir die von dem wunderbaren Einfluß aus, den
die Muſik über ihn ausübte; als Antigenides einſt ein Kriegslied zur
Flöte ſang, ſprang Alexander auf, und griff nach den Waffen.
Plut. de fort. Alex. II.
25) zu verführen ſuchten, die ſich in ſein Schlafgemach ſchleichen mußte;
Alexander wandte ſich voll Schaam von ihr, und beklagte ſich bitter
über das Geſchehene.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/62>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.