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Droysen, Johann Gustav: Grundriss der Historik. Leipzig, 1868.

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und Art nicht hätten, einer eigenen Methode nicht bedürften; und
die Methode, die er auf einen ihr fremdartigen Bereich anwendet, rächt
sich damit, dass sie ihn statt der calculabeln Formeln, in denen sie
sonst ihre Gesetze ausdrückt, Gemeinplätze gewinnen lässt, die für
heut und gestern eine gewisse Richtigkeit haben mögen, aber Ange-
sichts der Jahrtausende der Geschichte, Angesichts der grossen Ge-
staltungen des Mittelalters, des beginnenden Christenthums, der Römer-
und Griechenwelt völlig nichtssagend erscheinen.

Wenn Buckle in der Geschichte die grosse Arbeit des Menschen-
geschlechts erkennt, wie konnte er da umhin sich zu fragen: welcher
Art, aus welchem Stoff diese Arbeit sei, wie sich die Arbeiter zu ihr
verhalten, für welche Zwecke gearbeitet wird? Er würde -- denn es
ist der Mühe werth einen Augenblick bei diesen Fragen zu verweilen
-- er würde erkannt haben, dass die geschichtliche Arbeit ihrem
Stoff nach sowohl natürlich Gegebenes wie geschichtlich Gewordenes
umfasst, dass beides eben so Mittel und Schranke, eben so Bedingung
wie Antrieb für sie ist. Er würde bemerkt haben, dass in diesem Be-
reich allerdings die Methode der quantitativen Erscheinungen eine ge-
wisse Anwendbarkeit hat, dass hier, wo es sich um die grossen Factoren
der leiblichen Existenz, der Naturbedingnisse, der statistischen Zustände
handelt, unsere Disciplin die Arbeiten der exacten Wissenschaft mit
dem grössten Interesse begleiten, ihre glänzenden Ergebnisse mit freu-
digem Dank annehmen wird. Aber eingedenk der weiteren Fragen,
die angedeutet sind, würde sich Buckle gehütet haben zu glauben, dass
die in jenem Bereich gefundenen Ergebnisse -- die, wie er meint, auf
dem Wege der Verallgemeinerung gefundenen Gesetze -- die Summe
der Geschichte seien, dass sie "die Geschichte zu dem Rang einer
Wissenschaft erheben", indem sie ihre Erscheinungen "erklären." Er-
klärt sind sie damit so wenig, wie die schöne Statue des Adorante
mit dem Erz, aus dem sie gegossen, dem Thon, aus dem die Form
gefertigt, dem Feuer, mit dem das Metall in Fluss gebracht worden
ist. Es bedurfte, wie schon "der Meister derer, welche wissen", ge-
lehrt hat, auch der Vorstellung von dem Bilde, das da werden
sollte; und sie war in des Künstlers Seele, ehe das Werk war, in dem
sie sich verwirklichen sollte (to ti en eina[ - 1 Zeichen fehlt]); es bedurfte auch des
Zweckes, um dess Willen das Bildwerk gemacht werden sollte, etwa

und Art nicht hätten, einer eigenen Methode nicht bedürften; und
die Methode, die er auf einen ihr fremdartigen Bereich anwendet, rächt
sich damit, dass sie ihn statt der calculabeln Formeln, in denen sie
sonst ihre Gesetze ausdrückt, Gemeinplätze gewinnen lässt, die für
heut und gestern eine gewisse Richtigkeit haben mögen, aber Ange-
sichts der Jahrtausende der Geschichte, Angesichts der grossen Ge-
staltungen des Mittelalters, des beginnenden Christenthums, der Römer-
und Griechenwelt völlig nichtssagend erscheinen.

Wenn Buckle in der Geschichte die grosse Arbeit des Menschen-
geschlechts erkennt, wie konnte er da umhin sich zu fragen: welcher
Art, aus welchem Stoff diese Arbeit sei, wie sich die Arbeiter zu ihr
verhalten, für welche Zwecke gearbeitet wird? Er würde — denn es
ist der Mühe werth einen Augenblick bei diesen Fragen zu verweilen
— er würde erkannt haben, dass die geschichtliche Arbeit ihrem
Stoff nach sowohl natürlich Gegebenes wie geschichtlich Gewordenes
umfasst, dass beides eben so Mittel und Schranke, eben so Bedingung
wie Antrieb für sie ist. Er würde bemerkt haben, dass in diesem Be-
reich allerdings die Methode der quantitativen Erscheinungen eine ge-
wisse Anwendbarkeit hat, dass hier, wo es sich um die grossen Factoren
der leiblichen Existenz, der Naturbedingnisse, der statistischen Zustände
handelt, unsere Disciplin die Arbeiten der exacten Wissenschaft mit
dem grössten Interesse begleiten, ihre glänzenden Ergebnisse mit freu-
digem Dank annehmen wird. Aber eingedenk der weiteren Fragen,
die angedeutet sind, würde sich Buckle gehütet haben zu glauben, dass
die in jenem Bereich gefundenen Ergebnisse — die, wie er meint, auf
dem Wege der Verallgemeinerung gefundenen Gesetze — die Summe
der Geschichte seien, dass sie „die Geschichte zu dem Rang einer
Wissenschaft erheben“, indem sie ihre Erscheinungen „erklären.“ Er-
klärt sind sie damit so wenig, wie die schöne Statue des Adorante
mit dem Erz, aus dem sie gegossen, dem Thon, aus dem die Form
gefertigt, dem Feuer, mit dem das Metall in Fluss gebracht worden
ist. Es bedurfte, wie schon „der Meister derer, welche wissen“, ge-
lehrt hat, auch der Vorstellung von dem Bilde, das da werden
sollte; und sie war in des Künstlers Seele, ehe das Werk war, in dem
sie sich verwirklichen sollte (τὸ τί ἦν εἶνα[ – 1 Zeichen fehlt]); es bedurfte auch des
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[56/0065] und Art nicht hätten, einer eigenen Methode nicht bedürften; und die Methode, die er auf einen ihr fremdartigen Bereich anwendet, rächt sich damit, dass sie ihn statt der calculabeln Formeln, in denen sie sonst ihre Gesetze ausdrückt, Gemeinplätze gewinnen lässt, die für heut und gestern eine gewisse Richtigkeit haben mögen, aber Ange- sichts der Jahrtausende der Geschichte, Angesichts der grossen Ge- staltungen des Mittelalters, des beginnenden Christenthums, der Römer- und Griechenwelt völlig nichtssagend erscheinen. Wenn Buckle in der Geschichte die grosse Arbeit des Menschen- geschlechts erkennt, wie konnte er da umhin sich zu fragen: welcher Art, aus welchem Stoff diese Arbeit sei, wie sich die Arbeiter zu ihr verhalten, für welche Zwecke gearbeitet wird? Er würde — denn es ist der Mühe werth einen Augenblick bei diesen Fragen zu verweilen — er würde erkannt haben, dass die geschichtliche Arbeit ihrem Stoff nach sowohl natürlich Gegebenes wie geschichtlich Gewordenes umfasst, dass beides eben so Mittel und Schranke, eben so Bedingung wie Antrieb für sie ist. Er würde bemerkt haben, dass in diesem Be- reich allerdings die Methode der quantitativen Erscheinungen eine ge- wisse Anwendbarkeit hat, dass hier, wo es sich um die grossen Factoren der leiblichen Existenz, der Naturbedingnisse, der statistischen Zustände handelt, unsere Disciplin die Arbeiten der exacten Wissenschaft mit dem grössten Interesse begleiten, ihre glänzenden Ergebnisse mit freu- digem Dank annehmen wird. Aber eingedenk der weiteren Fragen, die angedeutet sind, würde sich Buckle gehütet haben zu glauben, dass die in jenem Bereich gefundenen Ergebnisse — die, wie er meint, auf dem Wege der Verallgemeinerung gefundenen Gesetze — die Summe der Geschichte seien, dass sie „die Geschichte zu dem Rang einer Wissenschaft erheben“, indem sie ihre Erscheinungen „erklären.“ Er- klärt sind sie damit so wenig, wie die schöne Statue des Adorante mit dem Erz, aus dem sie gegossen, dem Thon, aus dem die Form gefertigt, dem Feuer, mit dem das Metall in Fluss gebracht worden ist. Es bedurfte, wie schon „der Meister derer, welche wissen“, ge- lehrt hat, auch der Vorstellung von dem Bilde, das da werden sollte; und sie war in des Künstlers Seele, ehe das Werk war, in dem sie sich verwirklichen sollte (τὸ τί ἦν εἶνα_); es bedurfte auch des Zweckes, um dess Willen das Bildwerk gemacht werden sollte, etwa

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Grundriss der Historik. Leipzig, 1868, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_historik_1868/65>, abgerufen am 21.11.2024.