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Droysen, Johann Gustav: Grundriss der Historik. Leipzig, 1868.

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so mannigfach wechseln mochte. Der Name war gleichsam die dauernde
und unterscheidende Wesenheit der rastlos wechselnden Erscheinungen;
der Name fasste das im Wechsel Gleiche auf und hielt es als das
Wesentliche fest.

Objectiv oder richtiger thatsächlich und äusserlich sind die unter
gleichem Namen subsumirten Erscheinungen in tausendfacher Verän-
derlichkeit, Vielheit, Verschiedenartigkeit vorhanden; aber dies wüste
Vielerlei beherrscht der Geist, indem er das in gewisser Weise, im
Wesentlichen, für die Vorstellung Gleiche nach dieser seiner Gleichheit
zusammenfasst. Objectiv oder vielmehr äusserlicher Weise sind nur
zahllose Einzelnheiten in zahllosen Berührungen und Trennungen, in
rastlosem Wechsel; aber in der Vorstellung des Menschengeistes stehn
sie nach ihren Gleichheiten, Beziehungen, Verhältnissen fixirt und
classificirt da, die geordneten Gegenbilder der chaotisch uns umfluthen-
den Endlichkeiten, der wirren Vielheit wechselnder und schwankender
Erscheinungen. Und diese Welt von Namen und Begriffen ist dem
Geist das Gegenbild der Welt draussen, ist für uns deren Wahrheit.

So vereinfachend, scheidend und combinirend, ordnend und unter-
ordnend, so der wirren Welt der Endlichkeiten gegenüber einen Kosmos
von Vorstellungen und Begriffen in sich schaffend, macht sich der mensch-
liche Geist sprechend und denkend, theoretisch zum Meister der End-
lichkeiten, in denen und deren Wechseln sein Zeitliches selbst steht;
und zwar jeder Mensch von Neuem, jeder ist ein neuer Anfang, ein
neues Ich-werden.

Er wird dadurch, dass er lernt sich als Totalität in sich zu fühlen
und zu fassen, dass er Alles, was sich zu ihm, wozu er sich verhält,
wie eng oder weit dessen Bereich sein mag, als geschlossenen Kreis
um sich als Mittelpunkt sieht und denkt und so viel an ihm ist ge-
staltet. Er kann es mit jener Gabe, die Einzelheiten nach ihrer We-
senheit zusammenzufassen, mit jener rastlos arbeitenden Gabe des Ver-
einfachens und Verallgemeinerns, des Scheidens und Combinirens, kraft
deren er immer weitere Strecken umfasst, in die Vorstellung aufnimmt,
seinem Geist gleichsam einbildet. Die Rose -- Ein Wort für zahllose
Einzelnheiten -- unterscheidet er von der Nelke; aber das in ihnen
Gleiche auffassend nennt er sie Blumen; sie sind ihm wie die Sträuche,
die Gräser Pflanzen; die Pflanzen sieht er sehr verschieden vom Thier,

so mannigfach wechseln mochte. Der Name war gleichsam die dauernde
und unterscheidende Wesenheit der rastlos wechselnden Erscheinungen;
der Name fasste das im Wechsel Gleiche auf und hielt es als das
Wesentliche fest.

Objectiv oder richtiger thatsächlich und äusserlich sind die unter
gleichem Namen subsumirten Erscheinungen in tausendfacher Verän-
derlichkeit, Vielheit, Verschiedenartigkeit vorhanden; aber dies wüste
Vielerlei beherrscht der Geist, indem er das in gewisser Weise, im
Wesentlichen, für die Vorstellung Gleiche nach dieser seiner Gleichheit
zusammenfasst. Objectiv oder vielmehr äusserlicher Weise sind nur
zahllose Einzelnheiten in zahllosen Berührungen und Trennungen, in
rastlosem Wechsel; aber in der Vorstellung des Menschengeistes stehn
sie nach ihren Gleichheiten, Beziehungen, Verhältnissen fixirt und
classificirt da, die geordneten Gegenbilder der chaotisch uns umfluthen-
den Endlichkeiten, der wirren Vielheit wechselnder und schwankender
Erscheinungen. Und diese Welt von Namen und Begriffen ist dem
Geist das Gegenbild der Welt draussen, ist für uns deren Wahrheit.

So vereinfachend, scheidend und combinirend, ordnend und unter-
ordnend, so der wirren Welt der Endlichkeiten gegenüber einen Kosmos
von Vorstellungen und Begriffen in sich schaffend, macht sich der mensch-
liche Geist sprechend und denkend, theoretisch zum Meister der End-
lichkeiten, in denen und deren Wechseln sein Zeitliches selbst steht;
und zwar jeder Mensch von Neuem, jeder ist ein neuer Anfang, ein
neues Ich-werden.

Er wird dadurch, dass er lernt sich als Totalität in sich zu fühlen
und zu fassen, dass er Alles, was sich zu ihm, wozu er sich verhält,
wie eng oder weit dessen Bereich sein mag, als geschlossenen Kreis
um sich als Mittelpunkt sieht und denkt und so viel an ihm ist ge-
staltet. Er kann es mit jener Gabe, die Einzelheiten nach ihrer We-
senheit zusammenzufassen, mit jener rastlos arbeitenden Gabe des Ver-
einfachens und Verallgemeinerns, des Scheidens und Combinirens, kraft
deren er immer weitere Strecken umfasst, in die Vorstellung aufnimmt,
seinem Geist gleichsam einbildet. Die Rose — Ein Wort für zahllose
Einzelnheiten — unterscheidet er von der Nelke; aber das in ihnen
Gleiche auffassend nennt er sie Blumen; sie sind ihm wie die Sträuche,
die Gräser Pflanzen; die Pflanzen sieht er sehr verschieden vom Thier,

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[66/0075] so mannigfach wechseln mochte. Der Name war gleichsam die dauernde und unterscheidende Wesenheit der rastlos wechselnden Erscheinungen; der Name fasste das im Wechsel Gleiche auf und hielt es als das Wesentliche fest. Objectiv oder richtiger thatsächlich und äusserlich sind die unter gleichem Namen subsumirten Erscheinungen in tausendfacher Verän- derlichkeit, Vielheit, Verschiedenartigkeit vorhanden; aber dies wüste Vielerlei beherrscht der Geist, indem er das in gewisser Weise, im Wesentlichen, für die Vorstellung Gleiche nach dieser seiner Gleichheit zusammenfasst. Objectiv oder vielmehr äusserlicher Weise sind nur zahllose Einzelnheiten in zahllosen Berührungen und Trennungen, in rastlosem Wechsel; aber in der Vorstellung des Menschengeistes stehn sie nach ihren Gleichheiten, Beziehungen, Verhältnissen fixirt und classificirt da, die geordneten Gegenbilder der chaotisch uns umfluthen- den Endlichkeiten, der wirren Vielheit wechselnder und schwankender Erscheinungen. Und diese Welt von Namen und Begriffen ist dem Geist das Gegenbild der Welt draussen, ist für uns deren Wahrheit. So vereinfachend, scheidend und combinirend, ordnend und unter- ordnend, so der wirren Welt der Endlichkeiten gegenüber einen Kosmos von Vorstellungen und Begriffen in sich schaffend, macht sich der mensch- liche Geist sprechend und denkend, theoretisch zum Meister der End- lichkeiten, in denen und deren Wechseln sein Zeitliches selbst steht; und zwar jeder Mensch von Neuem, jeder ist ein neuer Anfang, ein neues Ich-werden. Er wird dadurch, dass er lernt sich als Totalität in sich zu fühlen und zu fassen, dass er Alles, was sich zu ihm, wozu er sich verhält, wie eng oder weit dessen Bereich sein mag, als geschlossenen Kreis um sich als Mittelpunkt sieht und denkt und so viel an ihm ist ge- staltet. Er kann es mit jener Gabe, die Einzelheiten nach ihrer We- senheit zusammenzufassen, mit jener rastlos arbeitenden Gabe des Ver- einfachens und Verallgemeinerns, des Scheidens und Combinirens, kraft deren er immer weitere Strecken umfasst, in die Vorstellung aufnimmt, seinem Geist gleichsam einbildet. Die Rose — Ein Wort für zahllose Einzelnheiten — unterscheidet er von der Nelke; aber das in ihnen Gleiche auffassend nennt er sie Blumen; sie sind ihm wie die Sträuche, die Gräser Pflanzen; die Pflanzen sieht er sehr verschieden vom Thier,

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Grundriss der Historik. Leipzig, 1868, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_historik_1868/75>, abgerufen am 21.11.2024.