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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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Aehnliche Absonderung der Fauna.
ders in der Knospenbildung und in der mannigfaltigsten
Gestaltung der Blattorgane und ihrer Oberhäute. Die
Tierwelt ergreift andere Schutzmaßregeln; Eingraben in
Erdlöcher, periodisches Fortwandern bis zur Wiederkehr
der günstigeren Jahreszeit, täglicher Besuch spärlicher
Wasserquellen sind Dinge, welche der Pflanzenwelt ver-
sagt bleiben. Die Wanderungsfähigkeit der Tiere er-
scheint auf den ersten Blick als die grössere und ist es
auch bei kleinen trennenden Zwischenräumen; bei ge-
nauerer Betrachtung stellt sich aber heraus, dass die
Pflanzen sich durchschnittlich viel leichter zum Ver-
schlagen auf weite Erdräume hin eignen, als jene. Schon
die verschiedene Fortpflanzung und die Bildung ruhender,
auf das höchste geschützter Samen lässt die Pflanzen
zum Ueberspringen weiter trennender Hindernisse geeig-
neter erscheinen, während ein einzelnes verschlagenes
Tier in der Regel nicht zur Fortpflanzung gelangt, und
fortgetriebene Eier bei der Hilflosigkeit der Jugend-
zustände so sehr vieler Tierklassen in diesen ihre Aus-
breitungswirkung verfehlen. So überwindet die Pflanzen-
welt, trotz engerer klimatischer Lebenssphäre, dennoch
leichter die durch Entwickelung in bestimmtem geogra-
phischen Gebiet gezogenen Grenzen, und so ist es auch
wohl zu erklären, dass zumal eine ganz besonders auf-
fällige Verbreitungsgrenze der Fauna durchaus nicht in
dem gleichen Maße von Schärfe in der Flora auftritt.
Diese Grenze ist der Abschluss Australiens, Neuseelands
und der malayischen Inselwelt bis nach Celebes gegen-
über Indien und der übrigen Welt ringsum in Hinsicht
auf seine höheren Tierklassen. Auch einige andere Gegen-
sätze in Tier- und Pflanzengrenzen von geringerer Be-
deutung lassen sich namhaft machen; das Gebiet der
Antillen ist z. B. in faunistischer Hinsicht viel mehr ab-
geschlossen und reicher an eigentümlichen Formen als in
Bezug auf seine Flora. Nachdem also diese Einschrän-
kungen gemeinsamer Verbreitungsgesetze für Tier- und
Pflanzenwelt beleuchtet sind, bleibt trotzdem im allge-
meinen der Satz bestehen, dass der Absonderung eigen-
tümlicher Floren auch eine analoge eigentümlicher Faunen

Aehnliche Absonderung der Fauna.
ders in der Knospenbildung und in der mannigfaltigsten
Gestaltung der Blattorgane und ihrer Oberhäute. Die
Tierwelt ergreift andere Schutzmaßregeln; Eingraben in
Erdlöcher, periodisches Fortwandern bis zur Wiederkehr
der günstigeren Jahreszeit, täglicher Besuch spärlicher
Wasserquellen sind Dinge, welche der Pflanzenwelt ver-
sagt bleiben. Die Wanderungsfähigkeit der Tiere er-
scheint auf den ersten Blick als die grössere und ist es
auch bei kleinen trennenden Zwischenräumen; bei ge-
nauerer Betrachtung stellt sich aber heraus, dass die
Pflanzen sich durchschnittlich viel leichter zum Ver-
schlagen auf weite Erdräume hin eignen, als jene. Schon
die verschiedene Fortpflanzung und die Bildung ruhender,
auf das höchste geschützter Samen lässt die Pflanzen
zum Ueberspringen weiter trennender Hindernisse geeig-
neter erscheinen, während ein einzelnes verschlagenes
Tier in der Regel nicht zur Fortpflanzung gelangt, und
fortgetriebene Eier bei der Hilflosigkeit der Jugend-
zustände so sehr vieler Tierklassen in diesen ihre Aus-
breitungswirkung verfehlen. So überwindet die Pflanzen-
welt, trotz engerer klimatischer Lebenssphäre, dennoch
leichter die durch Entwickelung in bestimmtem geogra-
phischen Gebiet gezogenen Grenzen, und so ist es auch
wohl zu erklären, dass zumal eine ganz besonders auf-
fällige Verbreitungsgrenze der Fauna durchaus nicht in
dem gleichen Maße von Schärfe in der Flora auftritt.
Diese Grenze ist der Abschluss Australiens, Neuseelands
und der malayischen Inselwelt bis nach Celebes gegen-
über Indien und der übrigen Welt ringsum in Hinsicht
auf seine höheren Tierklassen. Auch einige andere Gegen-
sätze in Tier- und Pflanzengrenzen von geringerer Be-
deutung lassen sich namhaft machen; das Gebiet der
Antillen ist z. B. in faunistischer Hinsicht viel mehr ab-
geschlossen und reicher an eigentümlichen Formen als in
Bezug auf seine Flora. Nachdem also diese Einschrän-
kungen gemeinsamer Verbreitungsgesetze für Tier- und
Pflanzenwelt beleuchtet sind, bleibt trotzdem im allge-
meinen der Satz bestehen, dass der Absonderung eigen-
tümlicher Floren auch eine analoge eigentümlicher Faunen

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[118/0140] Aehnliche Absonderung der Fauna. ders in der Knospenbildung und in der mannigfaltigsten Gestaltung der Blattorgane und ihrer Oberhäute. Die Tierwelt ergreift andere Schutzmaßregeln; Eingraben in Erdlöcher, periodisches Fortwandern bis zur Wiederkehr der günstigeren Jahreszeit, täglicher Besuch spärlicher Wasserquellen sind Dinge, welche der Pflanzenwelt ver- sagt bleiben. Die Wanderungsfähigkeit der Tiere er- scheint auf den ersten Blick als die grössere und ist es auch bei kleinen trennenden Zwischenräumen; bei ge- nauerer Betrachtung stellt sich aber heraus, dass die Pflanzen sich durchschnittlich viel leichter zum Ver- schlagen auf weite Erdräume hin eignen, als jene. Schon die verschiedene Fortpflanzung und die Bildung ruhender, auf das höchste geschützter Samen lässt die Pflanzen zum Ueberspringen weiter trennender Hindernisse geeig- neter erscheinen, während ein einzelnes verschlagenes Tier in der Regel nicht zur Fortpflanzung gelangt, und fortgetriebene Eier bei der Hilflosigkeit der Jugend- zustände so sehr vieler Tierklassen in diesen ihre Aus- breitungswirkung verfehlen. So überwindet die Pflanzen- welt, trotz engerer klimatischer Lebenssphäre, dennoch leichter die durch Entwickelung in bestimmtem geogra- phischen Gebiet gezogenen Grenzen, und so ist es auch wohl zu erklären, dass zumal eine ganz besonders auf- fällige Verbreitungsgrenze der Fauna durchaus nicht in dem gleichen Maße von Schärfe in der Flora auftritt. Diese Grenze ist der Abschluss Australiens, Neuseelands und der malayischen Inselwelt bis nach Celebes gegen- über Indien und der übrigen Welt ringsum in Hinsicht auf seine höheren Tierklassen. Auch einige andere Gegen- sätze in Tier- und Pflanzengrenzen von geringerer Be- deutung lassen sich namhaft machen; das Gebiet der Antillen ist z. B. in faunistischer Hinsicht viel mehr ab- geschlossen und reicher an eigentümlichen Formen als in Bezug auf seine Flora. Nachdem also diese Einschrän- kungen gemeinsamer Verbreitungsgesetze für Tier- und Pflanzenwelt beleuchtet sind, bleibt trotzdem im allge- meinen der Satz bestehen, dass der Absonderung eigen- tümlicher Floren auch eine analoge eigentümlicher Faunen

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/140>, abgerufen am 23.11.2024.