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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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Problem des Blumenmangels in Neuseeland.
mit Australien oder Südamerika, da von diesen Gebieten her
Insekten hätten einwandern und eigene Beziehungen zur Blumen-
befruchtung im eigenen Interesse hätten ausbilden müssen. --
Dieser geistreiche Gedankengang hat inzwischen einer Richtig-
darstellung der Grundlagen weichen müssen. Thomson hat nach-
gewiesen, dass weder die Insektenarmut Neuseelands irgendwie
den Voraussetzungen entspricht, noch auch die Blumenbefruch-
tungen durch Insekten das vermutete geringe Maß wirklich er-
reichen; unter 262 genauer untersuchten Blütenpflanzen fand er
110 mit Notwendigkeit auf Insektenbefruchtung angewiesene Arten
mit allen in Europas Flora beobachteten sexuellen Adaptionen,
und unter den übrigen 152 fand er noch etwa 96, denen der In-
sektenbesuch für die Samenerzeugung günstig erscheint. Anderer-
seits fand er zahlreiche Beispiele von bestimmten, durchaus auf
gewisse Blumen zur Wohnstätte angewiesenen Insekten, z. B. einen
Käfer Oropterus auf Fuchsia excorticata, andere auf Compositen-
köpfen, fand aber zugleich als hervorstechende Eigentümlichkeit
der neuseeländischen Insektenwelt, dass nicht die Hymenopteren
(erst 10 Binnenarten waren damals bekannt!), sondern die Dipteren
an Formenreichtum vorwiegen, und dass daher in Abweichung von
unserem europäischen Blütenpflanzenleben die Blumenbestäubung
hauptsächlich durch Fliegen und Käfer ausgeführt wird. -- Es
entsteht nach dieser Berichtigung also die weitere Frage: sind viel-
leicht die Lebensziele dieser Fremdbestäuber Veranlassung zu einer
sich so merkwürdig äussernden Verschiedenheit der Blumenschau-
stellung auf Neuseeland? Oder liegt deren Begründung, ganz un-
abhängig von der Insektenwelt, in den spontanen Entwickelungs-
prozessen der Flora von Neuseeland, im Klima, in den vorherr-
schenden Systemformen? Es bedarf hier nur des Hinweises auf
ein solches Problem, um die Weite und Tiefe der geographischen
Forschung im Anschluss an die Biologie zum Verständnis beson-
derer Züge in der Formationsentwickelung zu charakterisieren:
durch die Verknüpfung der verschiedenartigsten Wissenszweige
zur Erzielung eines eindringenden Verständnisses zeichnet sich die
moderne Naturforschung aus!

Das hier über die 5 Punkte Angeführte lässt sich
dahin zusammenfassen, dass die Häufigkeit bestimmter
Arten und deren Wachstumsformen im Anschluss an die
Jahresperiode zusammen die kräftigsten Landschaftszüge
der Vegetationsformationen liefern, während im Klima
und Relief des Bodens nach Standortsverschiedenheiten
die Bedingungen zur dauernden Abgrenzung verschiede-
ner Formationen wiederum gegeben sind; die biologischen
Wechselwirkungen leiten dahin, die Formation nicht als
ein Gemisch zusammenhangsloser Stücke, sondern als
einen innigen Verband von gemeinsam, bald einander

Problem des Blumenmangels in Neuseeland.
mit Australien oder Südamerika, da von diesen Gebieten her
Insekten hätten einwandern und eigene Beziehungen zur Blumen-
befruchtung im eigenen Interesse hätten ausbilden müssen. —
Dieser geistreiche Gedankengang hat inzwischen einer Richtig-
darstellung der Grundlagen weichen müssen. Thomson hat nach-
gewiesen, dass weder die Insektenarmut Neuseelands irgendwie
den Voraussetzungen entspricht, noch auch die Blumenbefruch-
tungen durch Insekten das vermutete geringe Maß wirklich er-
reichen; unter 262 genauer untersuchten Blütenpflanzen fand er
110 mit Notwendigkeit auf Insektenbefruchtung angewiesene Arten
mit allen in Europas Flora beobachteten sexuellen Adaptionen,
und unter den übrigen 152 fand er noch etwa 96, denen der In-
sektenbesuch für die Samenerzeugung günstig erscheint. Anderer-
seits fand er zahlreiche Beispiele von bestimmten, durchaus auf
gewisse Blumen zur Wohnstätte angewiesenen Insekten, z. B. einen
Käfer Oropterus auf Fuchsia excorticata, andere auf Compositen-
köpfen, fand aber zugleich als hervorstechende Eigentümlichkeit
der neuseeländischen Insektenwelt, dass nicht die Hymenopteren
(erst 10 Binnenarten waren damals bekannt!), sondern die Dipteren
an Formenreichtum vorwiegen, und dass daher in Abweichung von
unserem europäischen Blütenpflanzenleben die Blumenbestäubung
hauptsächlich durch Fliegen und Käfer ausgeführt wird. — Es
entsteht nach dieser Berichtigung also die weitere Frage: sind viel-
leicht die Lebensziele dieser Fremdbestäuber Veranlassung zu einer
sich so merkwürdig äussernden Verschiedenheit der Blumenschau-
stellung auf Neuseeland? Oder liegt deren Begründung, ganz un-
abhängig von der Insektenwelt, in den spontanen Entwickelungs-
prozessen der Flora von Neuseeland, im Klima, in den vorherr-
schenden Systemformen? Es bedarf hier nur des Hinweises auf
ein solches Problem, um die Weite und Tiefe der geographischen
Forschung im Anschluss an die Biologie zum Verständnis beson-
derer Züge in der Formationsentwickelung zu charakterisieren:
durch die Verknüpfung der verschiedenartigsten Wissenszweige
zur Erzielung eines eindringenden Verständnisses zeichnet sich die
moderne Naturforschung aus!

Das hier über die 5 Punkte Angeführte lässt sich
dahin zusammenfassen, dass die Häufigkeit bestimmter
Arten und deren Wachstumsformen im Anschluss an die
Jahresperiode zusammen die kräftigsten Landschaftszüge
der Vegetationsformationen liefern, während im Klima
und Relief des Bodens nach Standortsverschiedenheiten
die Bedingungen zur dauernden Abgrenzung verschiede-
ner Formationen wiederum gegeben sind; die biologischen
Wechselwirkungen leiten dahin, die Formation nicht als
ein Gemisch zusammenhangsloser Stücke, sondern als
einen innigen Verband von gemeinsam, bald einander

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[228/0258] Problem des Blumenmangels in Neuseeland. mit Australien oder Südamerika, da von diesen Gebieten her Insekten hätten einwandern und eigene Beziehungen zur Blumen- befruchtung im eigenen Interesse hätten ausbilden müssen. — Dieser geistreiche Gedankengang hat inzwischen einer Richtig- darstellung der Grundlagen weichen müssen. Thomson hat nach- gewiesen, dass weder die Insektenarmut Neuseelands irgendwie den Voraussetzungen entspricht, noch auch die Blumenbefruch- tungen durch Insekten das vermutete geringe Maß wirklich er- reichen; unter 262 genauer untersuchten Blütenpflanzen fand er 110 mit Notwendigkeit auf Insektenbefruchtung angewiesene Arten mit allen in Europas Flora beobachteten sexuellen Adaptionen, und unter den übrigen 152 fand er noch etwa 96, denen der In- sektenbesuch für die Samenerzeugung günstig erscheint. Anderer- seits fand er zahlreiche Beispiele von bestimmten, durchaus auf gewisse Blumen zur Wohnstätte angewiesenen Insekten, z. B. einen Käfer Oropterus auf Fuchsia excorticata, andere auf Compositen- köpfen, fand aber zugleich als hervorstechende Eigentümlichkeit der neuseeländischen Insektenwelt, dass nicht die Hymenopteren (erst 10 Binnenarten waren damals bekannt!), sondern die Dipteren an Formenreichtum vorwiegen, und dass daher in Abweichung von unserem europäischen Blütenpflanzenleben die Blumenbestäubung hauptsächlich durch Fliegen und Käfer ausgeführt wird. — Es entsteht nach dieser Berichtigung also die weitere Frage: sind viel- leicht die Lebensziele dieser Fremdbestäuber Veranlassung zu einer sich so merkwürdig äussernden Verschiedenheit der Blumenschau- stellung auf Neuseeland? Oder liegt deren Begründung, ganz un- abhängig von der Insektenwelt, in den spontanen Entwickelungs- prozessen der Flora von Neuseeland, im Klima, in den vorherr- schenden Systemformen? Es bedarf hier nur des Hinweises auf ein solches Problem, um die Weite und Tiefe der geographischen Forschung im Anschluss an die Biologie zum Verständnis beson- derer Züge in der Formationsentwickelung zu charakterisieren: durch die Verknüpfung der verschiedenartigsten Wissenszweige zur Erzielung eines eindringenden Verständnisses zeichnet sich die moderne Naturforschung aus! Das hier über die 5 Punkte Angeführte lässt sich dahin zusammenfassen, dass die Häufigkeit bestimmter Arten und deren Wachstumsformen im Anschluss an die Jahresperiode zusammen die kräftigsten Landschaftszüge der Vegetationsformationen liefern, während im Klima und Relief des Bodens nach Standortsverschiedenheiten die Bedingungen zur dauernden Abgrenzung verschiede- ner Formationen wiederum gegeben sind; die biologischen Wechselwirkungen leiten dahin, die Formation nicht als ein Gemisch zusammenhangsloser Stücke, sondern als einen innigen Verband von gemeinsam, bald einander

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/258>, abgerufen am 22.11.2024.