um auf diesem Wege die in ihrer Masse mit fesselndem Liebreiz auf ihn einwirkenden Vegetationsbilder in ihren Einzelzügen verstehen zu lernen. -- So zeigt sich auch in der Verbindung von Arbeiten, welche dem tiefsten Wesen der Botanik angehören, mit solchen, welche auf geographischer Grundlage stehend in die geologischen und klimatologischen Sphären hineingreifen, die Stellung der Pflanzengeographie als einer die organischen Naturwissen- schaften mit der physikalischen Geographie innig ver- knüpfenden Disziplin.
Entstehung der Pflanzengeographie als eigener Wissenschaftszweig. Als die ersten Bausteine der Pflan- zengeographie müssen solche Floren genannt werden, welche das Wesen der Floristik richtig erfassten und sie auf geographische Grundlage stellten, dabei also über den Rahmen der Artbeschreibungen eines willkürlich abge- grenzten Landbezirkes hinausgingen. Die älteste vor- zügliche Landesflora von solcher Beschaffenheit scheint Linnees Flora Lapponica (1737), später dessen Flora Suecica (1745) gewesen zu sein; in beiden alten Werken ist eine bewunderungswürdige Vielseitigkeit der Anschau- ungen reich verarbeitet, und es verdiente Linnee durch diese seine Originalarbeiten viel mehr als durch seine unbrauchbar gewordene Systemanordnung der Nachwelt als berühmtes Vorbild vorgehalten zu werden. Gleich darauf folgte, ebenfalls im alt-botanischen Stil, Gmelins umfangreiche Flora Sibirica (1757), in deren Vorrede für die damalige Zeit fruchtbare geographisch-botanische Gedanken entwickelt sind. Die nordischen Floren sollten also den Hebel ansetzen, um die botanische Wissenschaft auch auf das geographische Gebiet zu leiten, und ihnen folgten dann in der Geschwindigkeit, wie der Stoff es zuliess, vollständige oder fragmentarische Floren südlicherer Länder, welche allmählich den Blick erweitern halfen und die Idee von der vorhandenen durchgehenden Verschie- denheit in den Floren entlegener Länder um so mehr befestigten, als die ersten noch unvollkommenen Kennt- nisse über tropische Floren fast nur den Blick auf den
Geschichte der Pflanzengeographie.
um auf diesem Wege die in ihrer Masse mit fesselndem Liebreiz auf ihn einwirkenden Vegetationsbilder in ihren Einzelzügen verstehen zu lernen. — So zeigt sich auch in der Verbindung von Arbeiten, welche dem tiefsten Wesen der Botanik angehören, mit solchen, welche auf geographischer Grundlage stehend in die geologischen und klimatologischen Sphären hineingreifen, die Stellung der Pflanzengeographie als einer die organischen Naturwissen- schaften mit der physikalischen Geographie innig ver- knüpfenden Disziplin.
Entstehung der Pflanzengeographie als eigener Wissenschaftszweig. Als die ersten Bausteine der Pflan- zengeographie müssen solche Floren genannt werden, welche das Wesen der Floristik richtig erfassten und sie auf geographische Grundlage stellten, dabei also über den Rahmen der Artbeschreibungen eines willkürlich abge- grenzten Landbezirkes hinausgingen. Die älteste vor- zügliche Landesflora von solcher Beschaffenheit scheint Linnees Flora Lapponica (1737), später dessen Flora Suecica (1745) gewesen zu sein; in beiden alten Werken ist eine bewunderungswürdige Vielseitigkeit der Anschau- ungen reich verarbeitet, und es verdiente Linnee durch diese seine Originalarbeiten viel mehr als durch seine unbrauchbar gewordene Systemanordnung der Nachwelt als berühmtes Vorbild vorgehalten zu werden. Gleich darauf folgte, ebenfalls im alt-botanischen Stil, Gmelins umfangreiche Flora Sibirica (1757), in deren Vorrede für die damalige Zeit fruchtbare geographisch-botanische Gedanken entwickelt sind. Die nordischen Floren sollten also den Hebel ansetzen, um die botanische Wissenschaft auch auf das geographische Gebiet zu leiten, und ihnen folgten dann in der Geschwindigkeit, wie der Stoff es zuliess, vollständige oder fragmentarische Floren südlicherer Länder, welche allmählich den Blick erweitern halfen und die Idee von der vorhandenen durchgehenden Verschie- denheit in den Floren entlegener Länder um so mehr befestigten, als die ersten noch unvollkommenen Kennt- nisse über tropische Floren fast nur den Blick auf den
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0027"n="5"/><fwplace="top"type="header">Geschichte der Pflanzengeographie.</fw><lb/>
um auf diesem Wege die in ihrer Masse mit fesselndem<lb/>
Liebreiz auf ihn einwirkenden Vegetationsbilder in ihren<lb/>
Einzelzügen verstehen zu lernen. — So zeigt sich auch<lb/>
in der Verbindung von Arbeiten, welche dem tiefsten<lb/>
Wesen der Botanik angehören, mit solchen, welche auf<lb/>
geographischer Grundlage stehend in die geologischen und<lb/>
klimatologischen Sphären hineingreifen, die Stellung der<lb/>
Pflanzengeographie als einer die organischen Naturwissen-<lb/>
schaften mit der physikalischen Geographie innig ver-<lb/>
knüpfenden Disziplin.</p><lb/><p><hirendition="#b">Entstehung der Pflanzengeographie als eigener<lb/>
Wissenschaftszweig.</hi> Als die ersten Bausteine der Pflan-<lb/>
zengeographie müssen solche Floren genannt werden,<lb/>
welche das Wesen der Floristik richtig erfassten und sie<lb/>
auf geographische Grundlage stellten, dabei also über den<lb/>
Rahmen der Artbeschreibungen eines willkürlich abge-<lb/>
grenzten Landbezirkes hinausgingen. Die älteste vor-<lb/>
zügliche Landesflora von solcher Beschaffenheit scheint<lb/>
Linnees <hirendition="#i">Flora Lapponica</hi> (1737), später dessen <hirendition="#i">Flora<lb/>
Suecica</hi> (1745) gewesen zu sein; in beiden alten Werken<lb/>
ist eine bewunderungswürdige Vielseitigkeit der Anschau-<lb/>
ungen reich verarbeitet, und es verdiente Linnee durch<lb/>
diese seine Originalarbeiten viel mehr als durch seine<lb/>
unbrauchbar gewordene Systemanordnung der Nachwelt<lb/>
als berühmtes Vorbild vorgehalten zu werden. Gleich<lb/>
darauf folgte, ebenfalls im alt-botanischen Stil, Gmelins<lb/>
umfangreiche <hirendition="#i">Flora Sibirica</hi> (1757), in deren Vorrede für<lb/>
die damalige Zeit fruchtbare geographisch-botanische<lb/>
Gedanken entwickelt sind. Die nordischen Floren sollten<lb/>
also den Hebel ansetzen, um die botanische Wissenschaft<lb/>
auch auf das geographische Gebiet zu leiten, und ihnen<lb/>
folgten dann in der Geschwindigkeit, wie der Stoff es<lb/>
zuliess, vollständige oder fragmentarische Floren südlicherer<lb/>
Länder, welche allmählich den Blick erweitern halfen und<lb/>
die Idee von der vorhandenen durchgehenden Verschie-<lb/>
denheit in den Floren entlegener Länder um so mehr<lb/>
befestigten, als die ersten noch unvollkommenen Kennt-<lb/>
nisse über tropische Floren fast nur den Blick auf den<lb/></p></div></body></text></TEI>
[5/0027]
Geschichte der Pflanzengeographie.
um auf diesem Wege die in ihrer Masse mit fesselndem
Liebreiz auf ihn einwirkenden Vegetationsbilder in ihren
Einzelzügen verstehen zu lernen. — So zeigt sich auch
in der Verbindung von Arbeiten, welche dem tiefsten
Wesen der Botanik angehören, mit solchen, welche auf
geographischer Grundlage stehend in die geologischen und
klimatologischen Sphären hineingreifen, die Stellung der
Pflanzengeographie als einer die organischen Naturwissen-
schaften mit der physikalischen Geographie innig ver-
knüpfenden Disziplin.
Entstehung der Pflanzengeographie als eigener
Wissenschaftszweig. Als die ersten Bausteine der Pflan-
zengeographie müssen solche Floren genannt werden,
welche das Wesen der Floristik richtig erfassten und sie
auf geographische Grundlage stellten, dabei also über den
Rahmen der Artbeschreibungen eines willkürlich abge-
grenzten Landbezirkes hinausgingen. Die älteste vor-
zügliche Landesflora von solcher Beschaffenheit scheint
Linnees Flora Lapponica (1737), später dessen Flora
Suecica (1745) gewesen zu sein; in beiden alten Werken
ist eine bewunderungswürdige Vielseitigkeit der Anschau-
ungen reich verarbeitet, und es verdiente Linnee durch
diese seine Originalarbeiten viel mehr als durch seine
unbrauchbar gewordene Systemanordnung der Nachwelt
als berühmtes Vorbild vorgehalten zu werden. Gleich
darauf folgte, ebenfalls im alt-botanischen Stil, Gmelins
umfangreiche Flora Sibirica (1757), in deren Vorrede für
die damalige Zeit fruchtbare geographisch-botanische
Gedanken entwickelt sind. Die nordischen Floren sollten
also den Hebel ansetzen, um die botanische Wissenschaft
auch auf das geographische Gebiet zu leiten, und ihnen
folgten dann in der Geschwindigkeit, wie der Stoff es
zuliess, vollständige oder fragmentarische Floren südlicherer
Länder, welche allmählich den Blick erweitern halfen und
die Idee von der vorhandenen durchgehenden Verschie-
denheit in den Floren entlegener Länder um so mehr
befestigten, als die ersten noch unvollkommenen Kennt-
nisse über tropische Floren fast nur den Blick auf den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/27>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.