Es bleibt nun eine Besprechung der Eigentümlich- keiten der dikotylen Laubbäume im Tropenwalde übrig, jener Hauptmasse von Bäumen, welche im bunten Wechsel vieler Arten aus allen möglichen Ordnungen doch die Hauptbestände bilden, obwohl die Palmen, Sci- tamineen, Farne etc. physiognomisch viel reizvoller auf- treten. Ja wenn in Tropenwäldern, wie es z. B. an den Berggehängen von Neuguinea die Regel zu sein scheint, die monokotylen Beimischungen oder herdenweise reinen Bestände selten sind und ganz zurücktreten, dann liest man oft von den Reisenden, welche sie durchzogen, den Eindruck, dass sie von heimischen finsteren Laubwäldern nicht so erheblich im Gesamteindruck abweichen. Wal- lace hat die unterscheidenden Züge mit Bestimmtheit aus- zudrücken versucht: die verschiedenen, und doch sym- metrisch mit vollständiger Geradheit astlos bis zu grosser Höhe nebeneinander in ziemlich weiten Entfernungen auf- strebenden Stämme, ähnlich den Säulen eines riesigen Gebäudes, bezeichnet er als den ersten packenden Zug; erst hoch, vielleicht 30 m über der Erde, beginnt das fast ununterbrochene Laubdach, aus den verschiedenartig- sten Blättern bis zum völligen Abschluss des Himmels- lichtes dicht gemischt, sich auszubreiten und bewirkt für den Waldboden ein schweigsames Düster. Die bunte Zusammensetzung des Waldes ist so gross (ob in allen Fällen?), dass des Beobachters Auge selten zugleich auf zwei Repräsentanten derselben Art trifft; das gibt sich schon aus den verschiedenen Formen der Stämme und aus deren Ansatz unmittelbar über dem Grunde zu er- kennen.
Viele derselben verbreiten sich über der Erde in strahlenartig verlaufende, auf hoher Kante wie Bretter gestellte Lamellen, durch welche sie einen mächtigen Um- fang erhalten; denn zwischen den Lamellen solcher Wald- riesen verschwindet, wie gute Abbildungen von Martius und v. Kittlitz zeigen, die menschliche Grösse. Andere Stämme wieder sind unten so tief ausgefurcht, als be- ständen sie aus einer Reihe verschmolzener Bäume; diese Wachstumsweise führt Wallace auf die frühzeitige Bil-
Wuchs der dikotylen Tropenbäume.
Es bleibt nun eine Besprechung der Eigentümlich- keiten der dikotylen Laubbäume im Tropenwalde übrig, jener Hauptmasse von Bäumen, welche im bunten Wechsel vieler Arten aus allen möglichen Ordnungen doch die Hauptbestände bilden, obwohl die Palmen, Sci- tamineen, Farne etc. physiognomisch viel reizvoller auf- treten. Ja wenn in Tropenwäldern, wie es z. B. an den Berggehängen von Neuguinea die Regel zu sein scheint, die monokotylen Beimischungen oder herdenweise reinen Bestände selten sind und ganz zurücktreten, dann liest man oft von den Reisenden, welche sie durchzogen, den Eindruck, dass sie von heimischen finsteren Laubwäldern nicht so erheblich im Gesamteindruck abweichen. Wal- lace hat die unterscheidenden Züge mit Bestimmtheit aus- zudrücken versucht: die verschiedenen, und doch sym- metrisch mit vollständiger Geradheit astlos bis zu grosser Höhe nebeneinander in ziemlich weiten Entfernungen auf- strebenden Stämme, ähnlich den Säulen eines riesigen Gebäudes, bezeichnet er als den ersten packenden Zug; erst hoch, vielleicht 30 m über der Erde, beginnt das fast ununterbrochene Laubdach, aus den verschiedenartig- sten Blättern bis zum völligen Abschluss des Himmels- lichtes dicht gemischt, sich auszubreiten und bewirkt für den Waldboden ein schweigsames Düster. Die bunte Zusammensetzung des Waldes ist so gross (ob in allen Fällen?), dass des Beobachters Auge selten zugleich auf zwei Repräsentanten derselben Art trifft; das gibt sich schon aus den verschiedenen Formen der Stämme und aus deren Ansatz unmittelbar über dem Grunde zu er- kennen.
Viele derselben verbreiten sich über der Erde in strahlenartig verlaufende, auf hoher Kante wie Bretter gestellte Lamellen, durch welche sie einen mächtigen Um- fang erhalten; denn zwischen den Lamellen solcher Wald- riesen verschwindet, wie gute Abbildungen von Martius und v. Kittlitz zeigen, die menschliche Grösse. Andere Stämme wieder sind unten so tief ausgefurcht, als be- ständen sie aus einer Reihe verschmolzener Bäume; diese Wachstumsweise führt Wallace auf die frühzeitige Bil-
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Wuchs der dikotylen Tropenbäume.
Es bleibt nun eine Besprechung der Eigentümlich-
keiten der dikotylen Laubbäume im Tropenwalde
übrig, jener Hauptmasse von Bäumen, welche im bunten
Wechsel vieler Arten aus allen möglichen Ordnungen
doch die Hauptbestände bilden, obwohl die Palmen, Sci-
tamineen, Farne etc. physiognomisch viel reizvoller auf-
treten. Ja wenn in Tropenwäldern, wie es z. B. an den
Berggehängen von Neuguinea die Regel zu sein scheint,
die monokotylen Beimischungen oder herdenweise reinen
Bestände selten sind und ganz zurücktreten, dann liest
man oft von den Reisenden, welche sie durchzogen, den
Eindruck, dass sie von heimischen finsteren Laubwäldern
nicht so erheblich im Gesamteindruck abweichen. Wal-
lace hat die unterscheidenden Züge mit Bestimmtheit aus-
zudrücken versucht: die verschiedenen, und doch sym-
metrisch mit vollständiger Geradheit astlos bis zu grosser
Höhe nebeneinander in ziemlich weiten Entfernungen auf-
strebenden Stämme, ähnlich den Säulen eines riesigen
Gebäudes, bezeichnet er als den ersten packenden Zug;
erst hoch, vielleicht 30 m über der Erde, beginnt das
fast ununterbrochene Laubdach, aus den verschiedenartig-
sten Blättern bis zum völligen Abschluss des Himmels-
lichtes dicht gemischt, sich auszubreiten und bewirkt für
den Waldboden ein schweigsames Düster. Die bunte
Zusammensetzung des Waldes ist so gross (ob in allen
Fällen?), dass des Beobachters Auge selten zugleich auf
zwei Repräsentanten derselben Art trifft; das gibt sich
schon aus den verschiedenen Formen der Stämme und
aus deren Ansatz unmittelbar über dem Grunde zu er-
kennen.
Viele derselben verbreiten sich über der Erde in
strahlenartig verlaufende, auf hoher Kante wie Bretter
gestellte Lamellen, durch welche sie einen mächtigen Um-
fang erhalten; denn zwischen den Lamellen solcher Wald-
riesen verschwindet, wie gute Abbildungen von Martius
und v. Kittlitz zeigen, die menschliche Grösse. Andere
Stämme wieder sind unten so tief ausgefurcht, als be-
ständen sie aus einer Reihe verschmolzener Bäume; diese
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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/274>, abgerufen am 22.11.2024.
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