Gebirgsbodens gibt es nur eine Moosart als treue Begleiterin des feuchten Bodens nahe dem Eisrande: Seligeria polaris; auf dem krystallinischen Boden dagegen gibt es mehrere solcher Arten, teils mit dem skandinavischen Hochgebirge, teils mit den Alpen gemeinsam.
Die Mooswiesen, die trockenen Moos- und Flechtentundren ersetzen unter den allgemein ge- nannten Bedingungen die Grasfluren der temperierten Zone. In den Alpen tritt häufig der gletscherliebende Widerthon (Polytrichum septentrionale) als geselliges Moos an den von Gletschern verlassenen und mit Moränenschutt überlagerten Stellen auf, bis eine kräftigere Formation ihn von dort verdrängt. In den schattigen Kesseln des Hochgebirges, und endlich da, wo der Grasrasen nicht mehr zum Schluss gelangen kann, erhält sich diese Moos- wiese dauernd und überzieht dort, wo der Schnee kaum alljährlich schmilzt, grosse Strecken mit seinem dunkel- grünen Rasen dicht gedrängter Stämmchen. In den ark- tischen Ländern und Inseln sind solche Stellen viel mehr, und unter den von Flechten und Moosen bewachsenen Felsabstürzen ist auch der ebene Boden oft zu wahren Mooswiesen umgewandelt. Breitblätterige Arten der Hyp- naceen und Bryinen (z. B. Aulacomnium palustre) bedecken nach Berggren hier weite wiesenähnliche Flächen mit üppigem Grün, welche den Renntieren zu Weideplätzen dienen.
An einem solchen Platz hatten die Tiere am Fuss der Felsen- wand einen sehr betretenen Steig zu dieser Weidestelle gebahnt, welcher zeigte, dass sie das Moos nicht zufällig zur Nahrung be- nutzten; ihre Exkremente zeigten nur Blattreste von den dort wachsenden Moosen. (Ber. üb. d. Unters. der Moosflora Spitz- bergens.)
Mit dem Namen der "Mooswiese" würden, wie hier, die saftiggrünen, aber nicht versumpften Flächen zu be- legen sein. Weit ausgedehnte Landstrecken aber sind mit an periodische Trocknis gewöhnten Arten von Flechten und Moosen bedeckt; sie sind nass zur Zeit der Schnee- schmelze und bei jedem sommerlichen Niederschlag, der nicht zu lange fehlen darf, trocknen aber rasch ober- flächlich ab. Diese weiten Strecken hat man mit dem Formationsnamen der "Tundra" belegt, in welchen die
Mooswiesen.
Gebirgsbodens gibt es nur eine Moosart als treue Begleiterin des feuchten Bodens nahe dem Eisrande: Seligeria polaris; auf dem krystallinischen Boden dagegen gibt es mehrere solcher Arten, teils mit dem skandinavischen Hochgebirge, teils mit den Alpen gemeinsam.
Die Mooswiesen, die trockenen Moos- und Flechtentundren ersetzen unter den allgemein ge- nannten Bedingungen die Grasfluren der temperierten Zone. In den Alpen tritt häufig der gletscherliebende Widerthon (Polytrichum septentrionale) als geselliges Moos an den von Gletschern verlassenen und mit Moränenschutt überlagerten Stellen auf, bis eine kräftigere Formation ihn von dort verdrängt. In den schattigen Kesseln des Hochgebirges, und endlich da, wo der Grasrasen nicht mehr zum Schluss gelangen kann, erhält sich diese Moos- wiese dauernd und überzieht dort, wo der Schnee kaum alljährlich schmilzt, grosse Strecken mit seinem dunkel- grünen Rasen dicht gedrängter Stämmchen. In den ark- tischen Ländern und Inseln sind solche Stellen viel mehr, und unter den von Flechten und Moosen bewachsenen Felsabstürzen ist auch der ebene Boden oft zu wahren Mooswiesen umgewandelt. Breitblätterige Arten der Hyp- naceen und Bryinen (z. B. Aulacomnium palustre) bedecken nach Berggren hier weite wiesenähnliche Flächen mit üppigem Grün, welche den Renntieren zu Weideplätzen dienen.
An einem solchen Platz hatten die Tiere am Fuss der Felsen- wand einen sehr betretenen Steig zu dieser Weidestelle gebahnt, welcher zeigte, dass sie das Moos nicht zufällig zur Nahrung be- nutzten; ihre Exkremente zeigten nur Blattreste von den dort wachsenden Moosen. (Ber. üb. d. Unters. der Moosflora Spitz- bergens.)
Mit dem Namen der „Mooswiese“ würden, wie hier, die saftiggrünen, aber nicht versumpften Flächen zu be- legen sein. Weit ausgedehnte Landstrecken aber sind mit an periodische Trocknis gewöhnten Arten von Flechten und Moosen bedeckt; sie sind nass zur Zeit der Schnee- schmelze und bei jedem sommerlichen Niederschlag, der nicht zu lange fehlen darf, trocknen aber rasch ober- flächlich ab. Diese weiten Strecken hat man mit dem Formationsnamen der „Tundra“ belegt, in welchen die
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Mooswiesen.
Gebirgsbodens gibt es nur eine Moosart als treue Begleiterin des
feuchten Bodens nahe dem Eisrande: Seligeria polaris; auf dem
krystallinischen Boden dagegen gibt es mehrere solcher Arten,
teils mit dem skandinavischen Hochgebirge, teils mit den Alpen
gemeinsam.
Die Mooswiesen, die trockenen Moos- und
Flechtentundren ersetzen unter den allgemein ge-
nannten Bedingungen die Grasfluren der temperierten
Zone. In den Alpen tritt häufig der gletscherliebende
Widerthon (Polytrichum septentrionale) als geselliges Moos
an den von Gletschern verlassenen und mit Moränenschutt
überlagerten Stellen auf, bis eine kräftigere Formation
ihn von dort verdrängt. In den schattigen Kesseln des
Hochgebirges, und endlich da, wo der Grasrasen nicht
mehr zum Schluss gelangen kann, erhält sich diese Moos-
wiese dauernd und überzieht dort, wo der Schnee kaum
alljährlich schmilzt, grosse Strecken mit seinem dunkel-
grünen Rasen dicht gedrängter Stämmchen. In den ark-
tischen Ländern und Inseln sind solche Stellen viel mehr,
und unter den von Flechten und Moosen bewachsenen
Felsabstürzen ist auch der ebene Boden oft zu wahren
Mooswiesen umgewandelt. Breitblätterige Arten der Hyp-
naceen und Bryinen (z. B. Aulacomnium palustre) bedecken
nach Berggren hier weite wiesenähnliche Flächen mit
üppigem Grün, welche den Renntieren zu Weideplätzen
dienen.
An einem solchen Platz hatten die Tiere am Fuss der Felsen-
wand einen sehr betretenen Steig zu dieser Weidestelle gebahnt,
welcher zeigte, dass sie das Moos nicht zufällig zur Nahrung be-
nutzten; ihre Exkremente zeigten nur Blattreste von den dort
wachsenden Moosen. (Ber. üb. d. Unters. der Moosflora Spitz-
bergens.)
Mit dem Namen der „Mooswiese“ würden, wie hier,
die saftiggrünen, aber nicht versumpften Flächen zu be-
legen sein. Weit ausgedehnte Landstrecken aber sind mit
an periodische Trocknis gewöhnten Arten von Flechten
und Moosen bedeckt; sie sind nass zur Zeit der Schnee-
schmelze und bei jedem sommerlichen Niederschlag, der
nicht zu lange fehlen darf, trocknen aber rasch ober-
flächlich ab. Diese weiten Strecken hat man mit dem
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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/340>, abgerufen am 22.11.2024.
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