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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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Tundren.
Flechten hauptsächlich aus den Gattungen Cladonia und
Cetraria, die Moose hauptsächlich aus Polytrichum-Arten
bestehen, dazu Dicranum u. a. Je nach den Uneben-
heiten des Bodens wechseln trockenere Tundra- mit
feuchteren Mooswiesenstreifen, wofür Grisebach nach Bärs
Beobachtungen die Halbinsel Kola als charakteristisches
Beispiel anführt (V. d. E., Kap. I Anm. 26). Im Taimyr-
lande fand Middendorff auf trockenem, festen Boden eine
karge Vegetation, unvermögend den zum Grunde dienen-
den Geröllsand zu verdecken (Anhang zur Florula taimy-
rensis, S. 77). Moos mit Riedgras, nämlich Polytrichum
mit Eriophorum und Luzula hyperborea, bilden ziemlich
zur Hälfte die Bedeckung dieser Oberfläche: "von dem
schmutzig-gelbbraunen Moose stechen nur wenig die ab-
gestorbenen gelben Grasspitzen ab, und nur unrein, wie
durch einen Flor, schimmert die noch grüne untere Hälfte
der Grashalme hervor".

Es verdient die kurze Bemerkung hier eingeschaltet zu werden,
dass ab und an wegen der genannten nicht völlig schliessenden
Bodenbedeckung durch Moos und Cyperaceen für solche Tundren
der Formationsname "Steppen" Anwendung gefunden hat. Der
Begriff der Steppen liegt aber nicht so sehr in der lückenhaften
Bodenbedeckung selbst, als vielmehr in dem Ausschluss des Baum-
lebens durch Dürre und durch Einführung getrennter Rasen,
Halbsträucher und vereinzelter Büsche mit Trockenschutzeinrich-
tungen an die geeigneten Plätze. Gegen diesen Uebergriff in der
Anwendung der Bezeichnung als Steppe hat sich daher mit Recht
Schneider bei Gelegenheit des Dresdener Geographentages 1886 ge-
wendet.

Während in den bisher genannten Formationsgliedern
die Moose und Flechten entweder gemischt vorkommen,
oder sich wechselseitig an geeigneten Standorten in einer
äusserlich verschiedenen Gesamtwirkung vertreten, fehlen
die Flechten gemäß ihrer Vorliebe für trockene Stand-
orte in den Moosmooren und von Sphagneten erfüllten
Torfsümpfen, welche man dann, wenn sie in weiterer
Ausdehnung zwischen den nordischen Moos- und Flechten-
tundren eingestreut sind, zum Unterschied gegen diese
auch wohl als "schwappende Tundra" bezeichnet hat.
Sie setzen zu ihrer Bildung rieselndes Wasser, am häu-
figsten auf Kiesgrund, voraus; sie erhalten durch die

Tundren.
Flechten hauptsächlich aus den Gattungen Cladonia und
Cetraria, die Moose hauptsächlich aus Polytrichum-Arten
bestehen, dazu Dicranum u. a. Je nach den Uneben-
heiten des Bodens wechseln trockenere Tundra- mit
feuchteren Mooswiesenstreifen, wofür Grisebach nach Bärs
Beobachtungen die Halbinsel Kola als charakteristisches
Beispiel anführt (V. d. E., Kap. I Anm. 26). Im Taimyr-
lande fand Middendorff auf trockenem, festen Boden eine
karge Vegetation, unvermögend den zum Grunde dienen-
den Geröllsand zu verdecken (Anhang zur Florula taimy-
rensis, S. 77). Moos mit Riedgras, nämlich Polytrichum
mit Eriophorum und Luzula hyperborea, bilden ziemlich
zur Hälfte die Bedeckung dieser Oberfläche: „von dem
schmutzig-gelbbraunen Moose stechen nur wenig die ab-
gestorbenen gelben Grasspitzen ab, und nur unrein, wie
durch einen Flor, schimmert die noch grüne untere Hälfte
der Grashalme hervor“.

Es verdient die kurze Bemerkung hier eingeschaltet zu werden,
dass ab und an wegen der genannten nicht völlig schliessenden
Bodenbedeckung durch Moos und Cyperaceen für solche Tundren
der Formationsname „Steppen“ Anwendung gefunden hat. Der
Begriff der Steppen liegt aber nicht so sehr in der lückenhaften
Bodenbedeckung selbst, als vielmehr in dem Ausschluss des Baum-
lebens durch Dürre und durch Einführung getrennter Rasen,
Halbsträucher und vereinzelter Büsche mit Trockenschutzeinrich-
tungen an die geeigneten Plätze. Gegen diesen Uebergriff in der
Anwendung der Bezeichnung als Steppe hat sich daher mit Recht
Schneider bei Gelegenheit des Dresdener Geographentages 1886 ge-
wendet.

Während in den bisher genannten Formationsgliedern
die Moose und Flechten entweder gemischt vorkommen,
oder sich wechselseitig an geeigneten Standorten in einer
äusserlich verschiedenen Gesamtwirkung vertreten, fehlen
die Flechten gemäß ihrer Vorliebe für trockene Stand-
orte in den Moosmooren und von Sphagneten erfüllten
Torfsümpfen, welche man dann, wenn sie in weiterer
Ausdehnung zwischen den nordischen Moos- und Flechten-
tundren eingestreut sind, zum Unterschied gegen diese
auch wohl als „schwappende Tundra“ bezeichnet hat.
Sie setzen zu ihrer Bildung rieselndes Wasser, am häu-
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[311/0341] Tundren. Flechten hauptsächlich aus den Gattungen Cladonia und Cetraria, die Moose hauptsächlich aus Polytrichum-Arten bestehen, dazu Dicranum u. a. Je nach den Uneben- heiten des Bodens wechseln trockenere Tundra- mit feuchteren Mooswiesenstreifen, wofür Grisebach nach Bärs Beobachtungen die Halbinsel Kola als charakteristisches Beispiel anführt (V. d. E., Kap. I Anm. 26). Im Taimyr- lande fand Middendorff auf trockenem, festen Boden eine karge Vegetation, unvermögend den zum Grunde dienen- den Geröllsand zu verdecken (Anhang zur Florula taimy- rensis, S. 77). Moos mit Riedgras, nämlich Polytrichum mit Eriophorum und Luzula hyperborea, bilden ziemlich zur Hälfte die Bedeckung dieser Oberfläche: „von dem schmutzig-gelbbraunen Moose stechen nur wenig die ab- gestorbenen gelben Grasspitzen ab, und nur unrein, wie durch einen Flor, schimmert die noch grüne untere Hälfte der Grashalme hervor“. Es verdient die kurze Bemerkung hier eingeschaltet zu werden, dass ab und an wegen der genannten nicht völlig schliessenden Bodenbedeckung durch Moos und Cyperaceen für solche Tundren der Formationsname „Steppen“ Anwendung gefunden hat. Der Begriff der Steppen liegt aber nicht so sehr in der lückenhaften Bodenbedeckung selbst, als vielmehr in dem Ausschluss des Baum- lebens durch Dürre und durch Einführung getrennter Rasen, Halbsträucher und vereinzelter Büsche mit Trockenschutzeinrich- tungen an die geeigneten Plätze. Gegen diesen Uebergriff in der Anwendung der Bezeichnung als Steppe hat sich daher mit Recht Schneider bei Gelegenheit des Dresdener Geographentages 1886 ge- wendet. Während in den bisher genannten Formationsgliedern die Moose und Flechten entweder gemischt vorkommen, oder sich wechselseitig an geeigneten Standorten in einer äusserlich verschiedenen Gesamtwirkung vertreten, fehlen die Flechten gemäß ihrer Vorliebe für trockene Stand- orte in den Moosmooren und von Sphagneten erfüllten Torfsümpfen, welche man dann, wenn sie in weiterer Ausdehnung zwischen den nordischen Moos- und Flechten- tundren eingestreut sind, zum Unterschied gegen diese auch wohl als „schwappende Tundra“ bezeichnet hat. Sie setzen zu ihrer Bildung rieselndes Wasser, am häu- figsten auf Kiesgrund, voraus; sie erhalten durch die

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/341>, abgerufen am 22.11.2024.