neue, wenn auch geringe Wassermenge an die Wurzeln der Gewächse in ihm abzugeben. Es scheint, dass in trockenen Klimaten mehr, als man bisher glaubt, die Ge- wächse auf diese Wasserzufuhr angewiesen sind, da in ihnen vielfältig in den kühlen Nächten ein starkes An- steigen der relativen Feuchtigkeit bis zur Taubildung eintritt.
Dann ist aber auch ausser Zweifel, dass die Pflanzen unter gewissen Umständen im stande sind, nicht nur Regentropfen mit ihren oberirdischen Organen (Blättern, weichen Stengelteilen, besonders Haaren) aufzunehmen, sondern auch auf demselben Wege den atmosphärischen Wasserdampf für ihre eigene Wasserversorgung zu ver- wenden, denselben auf die eine oder andere Weise zu kondensieren. Wenn dies auch in unseren Fluren und Kulturen nicht beobachtet werden konnte und vielleicht nie geschieht, da es nicht nötig ist, so findet es sicher in den Wüstenvegetationen statt.
Die einzigen bisher gewonnenen sicheren Beobachtungen sind an wenigen Wüstenpflanzen angestellt. Volkens untersuchte die Wasserversorgung von Reaumuria hirtella, einem 1/2--1 m hohen Strauche der ägyptisch-arabischen Wüste (Sitzungsberichte der K. Preuss. Akad. d. Wiss., Berlin 1886, Heft VI, S. 70 und Flora d. ägypt.- arab. Wüste, G. J., Bd. XIII, S. 338). Derselbe übersteht durch Ausscheidung eines stark hygroskopischen Salzes aus Stengeln und Blättern die dortige lange Periode absoluten Regenmangels; diese Salzmasse gibt sich als ein körniger, weisslicher Ueberzug zu erkennen, auf dem Haufen würfelförmiger Krystalle bis zu Steck- nadelkopfgrösse unregelmässig zerstreut sind. Betrachtet man im Frühjahr Stöcke mit frischen Sprossen am Abend eines regnerischen Tages, so erscheinen sie sämtlich lebhaft grün, jede Spur der Salz- decke ist aufgelöst und fortgespült. Am nächsten Vormittage je- doch bemerkt man auf allen Blättern über Oberhautdrüsen sehr kleine Wassertröpfchen in regelmässigen Abständen; bei steigender Verdunstungsgrösse mit dem Sonnenstande verschwinden die Tröpf- chen und werden durch kleine Krystallconglomerate ersetzt. Folgt nun eine längere regenfreie Zeit, so sieht man stets nachts und früh am Morgen die Pflanzen hellgrün, mit Wassertröpfchen besät, am Tage erscheinen sie mit einem grauweisslichen Ueberzuge, der sich leicht fortwischen lässt; dabei nimmt die Salzbedeckung all- mählich entschieden zu, indem auch unabhängig von den Drüsen der Oberhaut einzelne Tröpfchen zusammenfliessen und die Fläche allgemeiner benetzen; so entsteht schliesslich eine zusammenhän- gende Salzdecke.
Wasseraufnahme in Blättern.
neue, wenn auch geringe Wassermenge an die Wurzeln der Gewächse in ihm abzugeben. Es scheint, dass in trockenen Klimaten mehr, als man bisher glaubt, die Ge- wächse auf diese Wasserzufuhr angewiesen sind, da in ihnen vielfältig in den kühlen Nächten ein starkes An- steigen der relativen Feuchtigkeit bis zur Taubildung eintritt.
Dann ist aber auch ausser Zweifel, dass die Pflanzen unter gewissen Umständen im stande sind, nicht nur Regentropfen mit ihren oberirdischen Organen (Blättern, weichen Stengelteilen, besonders Haaren) aufzunehmen, sondern auch auf demselben Wege den atmosphärischen Wasserdampf für ihre eigene Wasserversorgung zu ver- wenden, denselben auf die eine oder andere Weise zu kondensieren. Wenn dies auch in unseren Fluren und Kulturen nicht beobachtet werden konnte und vielleicht nie geschieht, da es nicht nötig ist, so findet es sicher in den Wüstenvegetationen statt.
Die einzigen bisher gewonnenen sicheren Beobachtungen sind an wenigen Wüstenpflanzen angestellt. Volkens untersuchte die Wasserversorgung von Reaumuria hirtella, einem ½—1 m hohen Strauche der ägyptisch-arabischen Wüste (Sitzungsberichte der K. Preuss. Akad. d. Wiss., Berlin 1886, Heft VI, S. 70 und Flora d. ägypt.- arab. Wüste, G. J., Bd. XIII, S. 338). Derselbe übersteht durch Ausscheidung eines stark hygroskopischen Salzes aus Stengeln und Blättern die dortige lange Periode absoluten Regenmangels; diese Salzmasse gibt sich als ein körniger, weisslicher Ueberzug zu erkennen, auf dem Haufen würfelförmiger Krystalle bis zu Steck- nadelkopfgrösse unregelmässig zerstreut sind. Betrachtet man im Frühjahr Stöcke mit frischen Sprossen am Abend eines regnerischen Tages, so erscheinen sie sämtlich lebhaft grün, jede Spur der Salz- decke ist aufgelöst und fortgespült. Am nächsten Vormittage je- doch bemerkt man auf allen Blättern über Oberhautdrüsen sehr kleine Wassertröpfchen in regelmässigen Abständen; bei steigender Verdunstungsgrösse mit dem Sonnenstande verschwinden die Tröpf- chen und werden durch kleine Krystallconglomerate ersetzt. Folgt nun eine längere regenfreie Zeit, so sieht man stets nachts und früh am Morgen die Pflanzen hellgrün, mit Wassertröpfchen besät, am Tage erscheinen sie mit einem grauweisslichen Ueberzuge, der sich leicht fortwischen lässt; dabei nimmt die Salzbedeckung all- mählich entschieden zu, indem auch unabhängig von den Drüsen der Oberhaut einzelne Tröpfchen zusammenfliessen und die Fläche allgemeiner benetzen; so entsteht schliesslich eine zusammenhän- gende Salzdecke.
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Wasseraufnahme in Blättern.
neue, wenn auch geringe Wassermenge an die Wurzeln
der Gewächse in ihm abzugeben. Es scheint, dass in
trockenen Klimaten mehr, als man bisher glaubt, die Ge-
wächse auf diese Wasserzufuhr angewiesen sind, da in
ihnen vielfältig in den kühlen Nächten ein starkes An-
steigen der relativen Feuchtigkeit bis zur Taubildung
eintritt.
Dann ist aber auch ausser Zweifel, dass die Pflanzen
unter gewissen Umständen im stande sind, nicht nur
Regentropfen mit ihren oberirdischen Organen (Blättern,
weichen Stengelteilen, besonders Haaren) aufzunehmen,
sondern auch auf demselben Wege den atmosphärischen
Wasserdampf für ihre eigene Wasserversorgung zu ver-
wenden, denselben auf die eine oder andere Weise zu
kondensieren. Wenn dies auch in unseren Fluren und
Kulturen nicht beobachtet werden konnte und vielleicht
nie geschieht, da es nicht nötig ist, so findet es sicher
in den Wüstenvegetationen statt.
Die einzigen bisher gewonnenen sicheren Beobachtungen sind
an wenigen Wüstenpflanzen angestellt. Volkens untersuchte die
Wasserversorgung von Reaumuria hirtella, einem ½—1 m hohen
Strauche der ägyptisch-arabischen Wüste (Sitzungsberichte der K.
Preuss. Akad. d. Wiss., Berlin 1886, Heft VI, S. 70 und Flora d. ägypt.-
arab. Wüste, G. J., Bd. XIII, S. 338). Derselbe übersteht durch
Ausscheidung eines stark hygroskopischen Salzes aus Stengeln und
Blättern die dortige lange Periode absoluten Regenmangels; diese
Salzmasse gibt sich als ein körniger, weisslicher Ueberzug zu
erkennen, auf dem Haufen würfelförmiger Krystalle bis zu Steck-
nadelkopfgrösse unregelmässig zerstreut sind. Betrachtet man im
Frühjahr Stöcke mit frischen Sprossen am Abend eines regnerischen
Tages, so erscheinen sie sämtlich lebhaft grün, jede Spur der Salz-
decke ist aufgelöst und fortgespült. Am nächsten Vormittage je-
doch bemerkt man auf allen Blättern über Oberhautdrüsen sehr
kleine Wassertröpfchen in regelmässigen Abständen; bei steigender
Verdunstungsgrösse mit dem Sonnenstande verschwinden die Tröpf-
chen und werden durch kleine Krystallconglomerate ersetzt. Folgt
nun eine längere regenfreie Zeit, so sieht man stets nachts und
früh am Morgen die Pflanzen hellgrün, mit Wassertröpfchen besät,
am Tage erscheinen sie mit einem grauweisslichen Ueberzuge, der
sich leicht fortwischen lässt; dabei nimmt die Salzbedeckung all-
mählich entschieden zu, indem auch unabhängig von den Drüsen
der Oberhaut einzelne Tröpfchen zusammenfliessen und die Fläche
allgemeiner benetzen; so entsteht schliesslich eine zusammenhän-
gende Salzdecke.
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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/52>, abgerufen am 21.11.2024.
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