Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Organbildung in äusserer Anpassung.
der Pflanzenwelt erkennen zu lassen. Die mit Haftor-
ganen ausgerüsteten "Klettpflanzen" sind zum Teil die
wanderungsfähigsten von allen; ihren biologischen Ein-
richtungen hat Huth eine neuere Abhandlung gewidmet
(G. J., Bd. XIII. S. 294).

So werden durch diese organischen Mitwirkungen
die Verwickelungen in den Lebensbedingungen grösser und
im Rahmen der grossen klimatischen Periode kleine Stand-
orts- und Gelegenheitsbedingungen geschaffen, welche die
sonst einfach verteilten biologischen Grundbedingungen
zu oft unentwirrbaren, im einzelnen wenigstens nur lang-
sam und schwierig auf die besonderen wirkenden Ursachen
zurückführbaren Erscheinungen umgestalten.

3. Biologische Verschiedenheit der Organisation
unter den Wirkungen der geographisch und topographisch
wirkenden Agentien. -- Alle vorstehend aufgeführten
Faktoren wirken nun zusammen zur Erzeugung von Ve-
getationsbildern, denen die grossen Züge durch die perio-
dischen Wirkungen, die kleinen durch die Standortsver-
schiedenheiten aufgedrückt sind. Denn wenn z. B. in Mittel-
europa der Frühling einzieht, so zeigt sein Einzug nur
kleine Zeitverschiedenheiten in offenem oder bedecktem
Gelände, in Wald oder Wiese, Heide und Moor; überall
erwacht das Pflanzenleben ungefähr gleichzeitig, nur ein-
zelne Standorte sind im stande, gewissermaßen ein be-
sonderes Klima mit kürzerer, oder umgekehrt mit länger
ausgedehnter Periode hervorzurufen. Dagegen zeigen sich
in Teichen, Sümpfen, Wiesen, Waldungen, an trockenen
sonnigen Abhängen oder in feuchten Thalschluchten die
mannigfachsten Verschiedenheiten im Charakter der
Pflanzenformen, indem jedes Gewächs aus dem ihm ge-
botenen Wasser, Licht, Insolationswärme und Bodenwir-
kungen mit besonderen erblichen Eigenschaften sich einen
eigenartigen Aufbau mit besonderer Vegetationsperiode
nach Wachstum, Ernährung und Fortpflanzung gut ge-
gliedert errichtet hat. Indem man die Gewächse aller
Länder auf ihre Wuchsformen in Anpassung an Klima
und Standortsverhältnisse vergleichend betrachtet, ohne

Organbildung in äusserer Anpassung.
der Pflanzenwelt erkennen zu lassen. Die mit Haftor-
ganen ausgerüsteten „Klettpflanzen“ sind zum Teil die
wanderungsfähigsten von allen; ihren biologischen Ein-
richtungen hat Huth eine neuere Abhandlung gewidmet
(G. J., Bd. XIII. S. 294).

So werden durch diese organischen Mitwirkungen
die Verwickelungen in den Lebensbedingungen grösser und
im Rahmen der grossen klimatischen Periode kleine Stand-
orts- und Gelegenheitsbedingungen geschaffen, welche die
sonst einfach verteilten biologischen Grundbedingungen
zu oft unentwirrbaren, im einzelnen wenigstens nur lang-
sam und schwierig auf die besonderen wirkenden Ursachen
zurückführbaren Erscheinungen umgestalten.

3. Biologische Verschiedenheit der Organisation
unter den Wirkungen der geographisch und topographisch
wirkenden Agentien. — Alle vorstehend aufgeführten
Faktoren wirken nun zusammen zur Erzeugung von Ve-
getationsbildern, denen die grossen Züge durch die perio-
dischen Wirkungen, die kleinen durch die Standortsver-
schiedenheiten aufgedrückt sind. Denn wenn z. B. in Mittel-
europa der Frühling einzieht, so zeigt sein Einzug nur
kleine Zeitverschiedenheiten in offenem oder bedecktem
Gelände, in Wald oder Wiese, Heide und Moor; überall
erwacht das Pflanzenleben ungefähr gleichzeitig, nur ein-
zelne Standorte sind im stande, gewissermaßen ein be-
sonderes Klima mit kürzerer, oder umgekehrt mit länger
ausgedehnter Periode hervorzurufen. Dagegen zeigen sich
in Teichen, Sümpfen, Wiesen, Waldungen, an trockenen
sonnigen Abhängen oder in feuchten Thalschluchten die
mannigfachsten Verschiedenheiten im Charakter der
Pflanzenformen, indem jedes Gewächs aus dem ihm ge-
botenen Wasser, Licht, Insolationswärme und Bodenwir-
kungen mit besonderen erblichen Eigenschaften sich einen
eigenartigen Aufbau mit besonderer Vegetationsperiode
nach Wachstum, Ernährung und Fortpflanzung gut ge-
gliedert errichtet hat. Indem man die Gewächse aller
Länder auf ihre Wuchsformen in Anpassung an Klima
und Standortsverhältnisse vergleichend betrachtet, ohne

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0083" n="61"/><fw place="top" type="header">Organbildung in äusserer Anpassung.</fw><lb/>
der Pflanzenwelt erkennen zu lassen. Die mit Haftor-<lb/>
ganen ausgerüsteten &#x201E;Klettpflanzen&#x201C; sind zum Teil die<lb/>
wanderungsfähigsten von allen; ihren biologischen Ein-<lb/>
richtungen hat Huth eine neuere Abhandlung gewidmet<lb/>
(<hi rendition="#i">G. J.,</hi> Bd. XIII. S. 294).</p><lb/>
        <p>So werden durch diese organischen Mitwirkungen<lb/>
die Verwickelungen in den Lebensbedingungen grösser und<lb/>
im Rahmen der grossen klimatischen Periode kleine Stand-<lb/>
orts- und Gelegenheitsbedingungen geschaffen, welche die<lb/>
sonst einfach verteilten biologischen Grundbedingungen<lb/>
zu oft unentwirrbaren, im einzelnen wenigstens nur lang-<lb/>
sam und schwierig auf die besonderen wirkenden Ursachen<lb/>
zurückführbaren Erscheinungen umgestalten.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#b">3. Biologische Verschiedenheit der Organisation</hi><lb/>
unter den Wirkungen der geographisch und topographisch<lb/>
wirkenden Agentien. &#x2014; Alle vorstehend aufgeführten<lb/>
Faktoren wirken nun zusammen zur Erzeugung von Ve-<lb/>
getationsbildern, denen die grossen Züge durch die perio-<lb/>
dischen Wirkungen, die kleinen durch die Standortsver-<lb/>
schiedenheiten aufgedrückt sind. Denn wenn z. B. in Mittel-<lb/>
europa der Frühling einzieht, so zeigt sein Einzug nur<lb/>
kleine Zeitverschiedenheiten in offenem oder bedecktem<lb/>
Gelände, in Wald oder Wiese, Heide und Moor; überall<lb/>
erwacht das Pflanzenleben ungefähr gleichzeitig, nur ein-<lb/>
zelne Standorte sind im stande, gewissermaßen ein be-<lb/>
sonderes Klima mit kürzerer, oder umgekehrt mit länger<lb/>
ausgedehnter Periode hervorzurufen. Dagegen zeigen sich<lb/>
in Teichen, Sümpfen, Wiesen, Waldungen, an trockenen<lb/>
sonnigen Abhängen oder in feuchten Thalschluchten die<lb/>
mannigfachsten Verschiedenheiten im Charakter der<lb/>
Pflanzenformen, indem jedes Gewächs aus dem ihm ge-<lb/>
botenen Wasser, Licht, Insolationswärme und Bodenwir-<lb/>
kungen mit besonderen erblichen Eigenschaften sich einen<lb/>
eigenartigen Aufbau mit besonderer Vegetationsperiode<lb/>
nach Wachstum, Ernährung und Fortpflanzung gut ge-<lb/>
gliedert errichtet hat. Indem man die Gewächse aller<lb/>
Länder auf ihre Wuchsformen in Anpassung an Klima<lb/>
und Standortsverhältnisse vergleichend betrachtet, ohne<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0083] Organbildung in äusserer Anpassung. der Pflanzenwelt erkennen zu lassen. Die mit Haftor- ganen ausgerüsteten „Klettpflanzen“ sind zum Teil die wanderungsfähigsten von allen; ihren biologischen Ein- richtungen hat Huth eine neuere Abhandlung gewidmet (G. J., Bd. XIII. S. 294). So werden durch diese organischen Mitwirkungen die Verwickelungen in den Lebensbedingungen grösser und im Rahmen der grossen klimatischen Periode kleine Stand- orts- und Gelegenheitsbedingungen geschaffen, welche die sonst einfach verteilten biologischen Grundbedingungen zu oft unentwirrbaren, im einzelnen wenigstens nur lang- sam und schwierig auf die besonderen wirkenden Ursachen zurückführbaren Erscheinungen umgestalten. 3. Biologische Verschiedenheit der Organisation unter den Wirkungen der geographisch und topographisch wirkenden Agentien. — Alle vorstehend aufgeführten Faktoren wirken nun zusammen zur Erzeugung von Ve- getationsbildern, denen die grossen Züge durch die perio- dischen Wirkungen, die kleinen durch die Standortsver- schiedenheiten aufgedrückt sind. Denn wenn z. B. in Mittel- europa der Frühling einzieht, so zeigt sein Einzug nur kleine Zeitverschiedenheiten in offenem oder bedecktem Gelände, in Wald oder Wiese, Heide und Moor; überall erwacht das Pflanzenleben ungefähr gleichzeitig, nur ein- zelne Standorte sind im stande, gewissermaßen ein be- sonderes Klima mit kürzerer, oder umgekehrt mit länger ausgedehnter Periode hervorzurufen. Dagegen zeigen sich in Teichen, Sümpfen, Wiesen, Waldungen, an trockenen sonnigen Abhängen oder in feuchten Thalschluchten die mannigfachsten Verschiedenheiten im Charakter der Pflanzenformen, indem jedes Gewächs aus dem ihm ge- botenen Wasser, Licht, Insolationswärme und Bodenwir- kungen mit besonderen erblichen Eigenschaften sich einen eigenartigen Aufbau mit besonderer Vegetationsperiode nach Wachstum, Ernährung und Fortpflanzung gut ge- gliedert errichtet hat. Indem man die Gewächse aller Länder auf ihre Wuchsformen in Anpassung an Klima und Standortsverhältnisse vergleichend betrachtet, ohne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/83
Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/83>, abgerufen am 21.11.2024.