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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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Nördliche Baumgrenze.
stimmter Temperatur- und Zonengrenzen sich heraus-
stellen: Die nördliche Baumgrenze, welche die Grenze
der ersten und zweiten Vegetationszone bildet und welche
ihrer ganzen Natur nach auf die Wärme in irgend welcher
Gestalt als ersten klimatischen Faktor zurückzuführen ist,
fällt ziemlich gut zusammen mit der Juliisotherme von 10°,
so allerdings, dass dieselbe an einigen Stellen zu weit
nach Norden greift und gerade dort einige kleine Ver-
besserungen durch die Lage der Jahresisotherme von 0°
erfahren könnte. Ist hier ein mittleres Temperaturextrem
von bestimmendem Einfluss (und es ist ja in der That
das Zusammenfallen von der 10°-Linie mit der Baum-
grenze kein Zufall), so sehen wir sogleich, dass an an-
deren Stellen die entsprechenden Extreme nicht von
gleichem Einfluss sind. Denn es sind z. B. die von der
30°-Juliisotherme eingeschlossenen Länder zwar noch ge-
meinsam heisse Wüsten, nicht aber die Glanzpunkte der
Tropenvegetation; und die Januarisothermen von -- 40°,
-- 20° schneiden ebenso wie die von 0°C. mitten in
die bewaldeten nordischen Länder hinein. Auf der + 20°-
Juliisotherme der Temperaturkarten liegt Paris, Jakutsk
und die nordamerikanische Seengegend, alle drei zwar zu
derselben Vegetationszone gehörig, aber doch in sehr un-
gleichen Nebenumständen und in sehr verschiedener
Nachbarschaft; die 10°-Juliisotherme hat also schon bei
20°-Isotherme ihren auffälligen Einfluss verloren, weil
sich nun auch das Jahresmittel, resp. die Winterkälten
bestimmend eindrängen und weil es doch nicht ohne Ein-
fluss sein kann, ob ein Ort wie Paris über der 0°-Januar-
isotherme liegt, oder wie Jakutsk von der -- 40°-Januar-
isotherme mit umschlossen. So sehen wir auch die
Tropenvegetationszone viel mehr als die äussersten nörd-
lichen und südlichen Zonen vom Temperatur-Jahresmittel
abhängig, in der Hauptmasse ihres Gebietes etwa in die
24°-Jahresmittel umschliessenden Isothermen hineinfallend,
wobei aber sowohl einerseits eine Erniedrigung des Jahres-
mittels auf 20° die tropische Vegetation noch nicht aus-
schliesst (z. B. in Südbrasilien), andererseits eine Erhöhung
eher die Wüstenbildung als den Reichtum der Tropen-

Nördliche Baumgrenze.
stimmter Temperatur- und Zonengrenzen sich heraus-
stellen: Die nördliche Baumgrenze, welche die Grenze
der ersten und zweiten Vegetationszone bildet und welche
ihrer ganzen Natur nach auf die Wärme in irgend welcher
Gestalt als ersten klimatischen Faktor zurückzuführen ist,
fällt ziemlich gut zusammen mit der Juliisotherme von 10°,
so allerdings, dass dieselbe an einigen Stellen zu weit
nach Norden greift und gerade dort einige kleine Ver-
besserungen durch die Lage der Jahresisotherme von 0°
erfahren könnte. Ist hier ein mittleres Temperaturextrem
von bestimmendem Einfluss (und es ist ja in der That
das Zusammenfallen von der 10°-Linie mit der Baum-
grenze kein Zufall), so sehen wir sogleich, dass an an-
deren Stellen die entsprechenden Extreme nicht von
gleichem Einfluss sind. Denn es sind z. B. die von der
30°-Juliisotherme eingeschlossenen Länder zwar noch ge-
meinsam heisse Wüsten, nicht aber die Glanzpunkte der
Tropenvegetation; und die Januarisothermen von — 40°,
— 20° schneiden ebenso wie die von 0°C. mitten in
die bewaldeten nordischen Länder hinein. Auf der + 20°-
Juliisotherme der Temperaturkarten liegt Paris, Jakutsk
und die nordamerikanische Seengegend, alle drei zwar zu
derselben Vegetationszone gehörig, aber doch in sehr un-
gleichen Nebenumständen und in sehr verschiedener
Nachbarschaft; die 10°-Juliisotherme hat also schon bei
20°-Isotherme ihren auffälligen Einfluss verloren, weil
sich nun auch das Jahresmittel, resp. die Winterkälten
bestimmend eindrängen und weil es doch nicht ohne Ein-
fluss sein kann, ob ein Ort wie Paris über der 0°-Januar-
isotherme liegt, oder wie Jakutsk von der — 40°-Januar-
isotherme mit umschlossen. So sehen wir auch die
Tropenvegetationszone viel mehr als die äussersten nörd-
lichen und südlichen Zonen vom Temperatur-Jahresmittel
abhängig, in der Hauptmasse ihres Gebietes etwa in die
24°-Jahresmittel umschliessenden Isothermen hineinfallend,
wobei aber sowohl einerseits eine Erniedrigung des Jahres-
mittels auf 20° die tropische Vegetation noch nicht aus-
schliesst (z. B. in Südbrasilien), andererseits eine Erhöhung
eher die Wüstenbildung als den Reichtum der Tropen-

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[73/0095] Nördliche Baumgrenze. stimmter Temperatur- und Zonengrenzen sich heraus- stellen: Die nördliche Baumgrenze, welche die Grenze der ersten und zweiten Vegetationszone bildet und welche ihrer ganzen Natur nach auf die Wärme in irgend welcher Gestalt als ersten klimatischen Faktor zurückzuführen ist, fällt ziemlich gut zusammen mit der Juliisotherme von 10°, so allerdings, dass dieselbe an einigen Stellen zu weit nach Norden greift und gerade dort einige kleine Ver- besserungen durch die Lage der Jahresisotherme von 0° erfahren könnte. Ist hier ein mittleres Temperaturextrem von bestimmendem Einfluss (und es ist ja in der That das Zusammenfallen von der 10°-Linie mit der Baum- grenze kein Zufall), so sehen wir sogleich, dass an an- deren Stellen die entsprechenden Extreme nicht von gleichem Einfluss sind. Denn es sind z. B. die von der 30°-Juliisotherme eingeschlossenen Länder zwar noch ge- meinsam heisse Wüsten, nicht aber die Glanzpunkte der Tropenvegetation; und die Januarisothermen von — 40°, — 20° schneiden ebenso wie die von 0°C. mitten in die bewaldeten nordischen Länder hinein. Auf der + 20°- Juliisotherme der Temperaturkarten liegt Paris, Jakutsk und die nordamerikanische Seengegend, alle drei zwar zu derselben Vegetationszone gehörig, aber doch in sehr un- gleichen Nebenumständen und in sehr verschiedener Nachbarschaft; die 10°-Juliisotherme hat also schon bei 20°-Isotherme ihren auffälligen Einfluss verloren, weil sich nun auch das Jahresmittel, resp. die Winterkälten bestimmend eindrängen und weil es doch nicht ohne Ein- fluss sein kann, ob ein Ort wie Paris über der 0°-Januar- isotherme liegt, oder wie Jakutsk von der — 40°-Januar- isotherme mit umschlossen. So sehen wir auch die Tropenvegetationszone viel mehr als die äussersten nörd- lichen und südlichen Zonen vom Temperatur-Jahresmittel abhängig, in der Hauptmasse ihres Gebietes etwa in die 24°-Jahresmittel umschliessenden Isothermen hineinfallend, wobei aber sowohl einerseits eine Erniedrigung des Jahres- mittels auf 20° die tropische Vegetation noch nicht aus- schliesst (z. B. in Südbrasilien), andererseits eine Erhöhung eher die Wüstenbildung als den Reichtum der Tropen-

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/95>, abgerufen am 21.11.2024.