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Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886.

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Massen hatte, konnte der Gedanke eines Religionsersatzes
füglich keine Macht gewinnen. Wir suchen daher bis auf
die letzten drei Jahrzehnte, abgesehen von den philosophischen
Systemen, die doch nur für ihre Urheber und eine kleine
Schaar Anhänger die Bedeutung eines Religionsersatzes
haben konnten, vergeblich nach einer ernsten Berücksichtigung
unseres Problems. Erst in unserer Zeit, seitdem der Glaube
mehr und mehr seine Autorität verliert, ist das Problem in
den Vordergrund getreten.

Jn einem französischen und in einem deutschen Denker
tauchte zuerst gleichzeitig der Gedanke auf, daß an Stelle
des Christenthums, -- gegen welches der deutsche Denker,
Ludwig Feuerbach, so wuchtige Schläge führte, während es
der französische Philosoph, Auguste Comte, von vornherein
als eine in der Hauptsache überwundene Phase in der Ent-
wicklung der Menschheit betrachtete, -- ein von allem Aber-
glauben gereinigter Ersatz treten müsse, den jedoch beide irr-
thümlicherweise als atheistische Religion faßten. Beide
betonen wesentlich jene Seite der Religion und des Reli-
gionsersatzes, welche das Verhältniß des Menschen zur
Gesellschaft bestimmt. Doch tritt, wie wir sehen werden, bei
Feuerbach noch ein anderes Moment glücklich hervor, welches
aus der Stellung des Menschen zur Natur sich ergiebt,
während Comte in diesem Punkte nichts Befriedigendes ge-
leistet hat. Wenn wir uns Feuerbach's Liebesreligion
jedoch aus verstreuten Bemerkungen selbst construiren müssen,
hat Comte seine Menschheitsreligion in einem bändereichen,
äußerst voluminösen Werke bis in's kleinste Detail ausge-
führt. So wenig wir auch mit den Hauptgedanken seines
"Systeme de Politique positive" werden einverstanden sein
können, so ist das Werk an sich doch höchst merkwürdig, ja
einzig in seiner Art und das Produkt eines außerordent-
lichen Constructionsvermögens. Freilich hat dem neuen Re-

Maſſen hatte, konnte der Gedanke eines Religionserſatzes
füglich keine Macht gewinnen. Wir ſuchen daher bis auf
die letzten drei Jahrzehnte, abgeſehen von den philoſophiſchen
Syſtemen, die doch nur für ihre Urheber und eine kleine
Schaar Anhänger die Bedeutung eines Religionserſatzes
haben konnten, vergeblich nach einer ernſten Berückſichtigung
unſeres Problems. Erſt in unſerer Zeit, ſeitdem der Glaube
mehr und mehr ſeine Autorität verliert, iſt das Problem in
den Vordergrund getreten.

Jn einem franzöſiſchen und in einem deutſchen Denker
tauchte zuerſt gleichzeitig der Gedanke auf, daß an Stelle
des Chriſtenthums, — gegen welches der deutſche Denker,
Ludwig Feuerbach, ſo wuchtige Schläge führte, während es
der franzöſiſche Philoſoph, Auguſte Comte, von vornherein
als eine in der Hauptſache überwundene Phaſe in der Ent-
wicklung der Menſchheit betrachtete, — ein von allem Aber-
glauben gereinigter Erſatz treten müſſe, den jedoch beide irr-
thümlicherweiſe als atheiſtiſche Religion faßten. Beide
betonen weſentlich jene Seite der Religion und des Reli-
gionserſatzes, welche das Verhältniß des Menſchen zur
Geſellſchaft beſtimmt. Doch tritt, wie wir ſehen werden, bei
Feuerbach noch ein anderes Moment glücklich hervor, welches
aus der Stellung des Menſchen zur Natur ſich ergiebt,
während Comte in dieſem Punkte nichts Befriedigendes ge-
leiſtet hat. Wenn wir uns Feuerbach’s Liebesreligion
jedoch aus verſtreuten Bemerkungen ſelbſt conſtruiren müſſen,
hat Comte ſeine Menſchheitsreligion in einem bändereichen,
äußerſt voluminöſen Werke bis in’s kleinſte Detail ausge-
führt. So wenig wir auch mit den Hauptgedanken ſeines
Système de Politique positive“ werden einverſtanden ſein
können, ſo iſt das Werk an ſich doch höchſt merkwürdig, ja
einzig in ſeiner Art und das Produkt eines außerordent-
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[8/0017] Maſſen hatte, konnte der Gedanke eines Religionserſatzes füglich keine Macht gewinnen. Wir ſuchen daher bis auf die letzten drei Jahrzehnte, abgeſehen von den philoſophiſchen Syſtemen, die doch nur für ihre Urheber und eine kleine Schaar Anhänger die Bedeutung eines Religionserſatzes haben konnten, vergeblich nach einer ernſten Berückſichtigung unſeres Problems. Erſt in unſerer Zeit, ſeitdem der Glaube mehr und mehr ſeine Autorität verliert, iſt das Problem in den Vordergrund getreten. Jn einem franzöſiſchen und in einem deutſchen Denker tauchte zuerſt gleichzeitig der Gedanke auf, daß an Stelle des Chriſtenthums, — gegen welches der deutſche Denker, Ludwig Feuerbach, ſo wuchtige Schläge führte, während es der franzöſiſche Philoſoph, Auguſte Comte, von vornherein als eine in der Hauptſache überwundene Phaſe in der Ent- wicklung der Menſchheit betrachtete, — ein von allem Aber- glauben gereinigter Erſatz treten müſſe, den jedoch beide irr- thümlicherweiſe als atheiſtiſche Religion faßten. Beide betonen weſentlich jene Seite der Religion und des Reli- gionserſatzes, welche das Verhältniß des Menſchen zur Geſellſchaft beſtimmt. Doch tritt, wie wir ſehen werden, bei Feuerbach noch ein anderes Moment glücklich hervor, welches aus der Stellung des Menſchen zur Natur ſich ergiebt, während Comte in dieſem Punkte nichts Befriedigendes ge- leiſtet hat. Wenn wir uns Feuerbach’s Liebesreligion jedoch aus verſtreuten Bemerkungen ſelbſt conſtruiren müſſen, hat Comte ſeine Menſchheitsreligion in einem bändereichen, äußerſt voluminöſen Werke bis in’s kleinſte Detail ausge- führt. So wenig wir auch mit den Hauptgedanken ſeines „Système de Politique positive“ werden einverſtanden ſein können, ſo iſt das Werk an ſich doch höchſt merkwürdig, ja einzig in ſeiner Art und das Produkt eines außerordent- lichen Conſtructionsvermögens. Freilich hat dem neuen Re-

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Zitationshilfe: Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/druskowitz_religionsersatz_1886/17>, abgerufen am 23.11.2024.