Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886.die Wahl des Nachfolgers; das achte besagt, daß der Priester Der öffentliche Kultus vollzieht sich jährlich in 84 Die neue Religion hat eine zahlreiche, streng organisirte Jn politischer Hinsicht zerfallen die Bevölkerungen der die Wahl des Nachfolgers; das achte beſagt, daß der Prieſter Der öffentliche Kultus vollzieht ſich jährlich in 84 Die neue Religion hat eine zahlreiche, ſtreng organiſirte Jn politiſcher Hinſicht zerfallen die Bevölkerungen der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0030" n="21"/> die Wahl des Nachfolgers; das achte beſagt, daß der Prieſter<lb/> das Leben des Todten, indem er das Bedauern der Geſell-<lb/> ſchaft mit den Thränen der Verwandten vereint, in würdiger<lb/> Weiſe darlegt und prüft; das neunte, welches erſt ſieben<lb/> Jahre nach dem Tode in Kraft tritt, bezeichnet das Urtheil,<lb/> ob ein Mann würdig ſei, in das <hi rendition="#aq">Grand-Être</hi> aufgenommen<lb/> zu werden.</p><lb/> <p>Der öffentliche Kultus vollzieht ſich jährlich in 84<lb/> Feſten, welche in Tempeln von Prieſtern celebrirt werden,<lb/> um die ſich die Frauen gruppiren. Die Tempel ſehen mit<lb/> der Hauptfa<hi rendition="#aq">ç</hi>ade nach Paris; an ſie ſchließt ſich das <hi rendition="#aq">bois<lb/> sacré</hi>, in dem die würdigen Diener des <hi rendition="#aq">Grand-Être</hi> ihre<lb/> Ruheſtätte finden, während die Verbrecher, die Duellanten<lb/> und Selbſtmörder außerhalb desſelben beerdigt werden.</p><lb/> <p>Die neue Religion hat eine zahlreiche, ſtreng organiſirte<lb/> Prieſterſchaft, mit einem <hi rendition="#aq">Grand-Prêtre</hi> an der Spitze, (der<lb/> ſeinen Sitz ſelbſtverſtändlich in Paris hat), denn: <hi rendition="#aq">„aucune<lb/> société ne peut se conserver et se développer sans un<lb/> sacerdoce quelconque</hi>“, wie unſer Philoſoph vermeint.<lb/> Die Prieſter ſollen in jeder Hinſicht vollkommene Menſchen<lb/> ſein. Politiſche Rolle ſpielen ſie keine, doch iſt auch ohne<lb/> eine ſolche ihre Macht groß genug. Sie ſind die Erzieher<lb/> der Jugend, in ihren Händen liegt die Pflege der Künſte<lb/> und Wiſſenſchaften und ſoweit ſoll die geiſtige Vergewalti-<lb/> gung der poſitiviſtiſchen Aera gehen, daß der Oberprieſter<lb/> die jedesmaligen wiſſenſchaftlichen Themen beſtimmt, welche<lb/> einer Bearbeitung unterzogen werden ſollen.</p><lb/> <p>Jn politiſcher Hinſicht zerfallen die Bevölkerungen der<lb/> poſitiviſtiſchen Länder — welch’ letztere Comte von mäßigem Um-<lb/> fange ſich denkt — in die Unternehmer und Arbeiter. Das Ver-<lb/> hältniß zwiſchen dieſen beiden Klaſſen ſoll aber ein von dem that-<lb/> ſächlich beſtehenden ſehr verſchiedenes ſein, indem es auf den<lb/> Satz: „<hi rendition="#aq">dévouement des forts aux faibles, vénération<lb/></hi></p> </div> </body> </text> </TEI> [21/0030]
die Wahl des Nachfolgers; das achte beſagt, daß der Prieſter
das Leben des Todten, indem er das Bedauern der Geſell-
ſchaft mit den Thränen der Verwandten vereint, in würdiger
Weiſe darlegt und prüft; das neunte, welches erſt ſieben
Jahre nach dem Tode in Kraft tritt, bezeichnet das Urtheil,
ob ein Mann würdig ſei, in das Grand-Être aufgenommen
zu werden.
Der öffentliche Kultus vollzieht ſich jährlich in 84
Feſten, welche in Tempeln von Prieſtern celebrirt werden,
um die ſich die Frauen gruppiren. Die Tempel ſehen mit
der Hauptfaçade nach Paris; an ſie ſchließt ſich das bois
sacré, in dem die würdigen Diener des Grand-Être ihre
Ruheſtätte finden, während die Verbrecher, die Duellanten
und Selbſtmörder außerhalb desſelben beerdigt werden.
Die neue Religion hat eine zahlreiche, ſtreng organiſirte
Prieſterſchaft, mit einem Grand-Prêtre an der Spitze, (der
ſeinen Sitz ſelbſtverſtändlich in Paris hat), denn: „aucune
société ne peut se conserver et se développer sans un
sacerdoce quelconque“, wie unſer Philoſoph vermeint.
Die Prieſter ſollen in jeder Hinſicht vollkommene Menſchen
ſein. Politiſche Rolle ſpielen ſie keine, doch iſt auch ohne
eine ſolche ihre Macht groß genug. Sie ſind die Erzieher
der Jugend, in ihren Händen liegt die Pflege der Künſte
und Wiſſenſchaften und ſoweit ſoll die geiſtige Vergewalti-
gung der poſitiviſtiſchen Aera gehen, daß der Oberprieſter
die jedesmaligen wiſſenſchaftlichen Themen beſtimmt, welche
einer Bearbeitung unterzogen werden ſollen.
Jn politiſcher Hinſicht zerfallen die Bevölkerungen der
poſitiviſtiſchen Länder — welch’ letztere Comte von mäßigem Um-
fange ſich denkt — in die Unternehmer und Arbeiter. Das Ver-
hältniß zwiſchen dieſen beiden Klaſſen ſoll aber ein von dem that-
ſächlich beſtehenden ſehr verſchiedenes ſein, indem es auf den
Satz: „dévouement des forts aux faibles, vénération
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