Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886.einzigen Bilde, das all' die Gewalt, welche die Jdee der Es ist bei näherer Betrachtung aber doch viel Unrichtiges einzigen Bilde, das all’ die Gewalt, welche die Jdee der Es iſt bei näherer Betrachtung aber doch viel Unrichtiges <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0035" n="26"/> einzigen Bilde, das all’ die Gewalt, welche die Jdee der<lb/> Nachwelt auf den Geiſt ausübt, mit unſerem beſten Fühlen<lb/> für die uns umgebende Welt und für die Vorgänger ver-<lb/> einigt, die uns zu dem gemacht haben, was wir ſind.“</p><lb/> <p>Es iſt bei näherer Betrachtung aber doch viel Unrichtiges<lb/> in dieſen Sätzen. Das Wohl der Menſchheit zum Gegen-<lb/> ſtande des höchſten Strebens des Jndividuums zu erheben,<lb/> heißt die Menſchheit als höchſten Gegenſtand der Verehrung<lb/> hinſtellen. Das iſt aber aus dem einfachen Grunde unzu-<lb/> läſſig, weil ſich Höheres als die Menſchheit denken läßt.<lb/> Das Höchſte, was es für den Menſchen gibt, kann immer<lb/> nur das Jdeal des Guten, Wahren und Schönen ſein, mit<lb/> dem vollen Bewußtſein, daß daſſelbe keine feſte Größe und<lb/> daß es mit dem Fortſchritte des Menſchen ſelber fortſchreitet.<lb/> Wer aber nur auf das Wohl ſeiner Mitmenſchen bedacht,<lb/> der darf gar nicht die höchſten und ſtrengſten Anforderungen<lb/> weder an ſich ſelbſt noch an Andere ſtellen. Ja, man darf<lb/> umgekehrt ſagen, daß das Erſte die Liebe zum Jdeal, erſt<lb/> das Zweite die Liebe zu den Menſchen ſein ſoll. Wer z. B.<lb/> die Menſchen für eine große Wahrheit begeiſtern will, wird<lb/> dies in erſter Linie aus Liebe zur Wahrheit thun, und, iſt<lb/> er ein wahrhaft heroiſcher Menſch, ſo wird er auch dann<lb/> ſeine Ueberzeugung laut verkünden, geſetzt er ſähe voraus,<lb/> daß er die Menſchheit in ſich einander heftig bekämpfende<lb/> Parteien zerſpaltete. Es iſt kein ſuperiorer Standpunkt, die<lb/> hohen Manifeſtationen des menſchlichen Geiſtes nur als Mittel<lb/> zu betrachten, Gefühlszuſtände im Menſchen hervorzurufen.<lb/> Sollte die entgegengeſetzte Auffaſſung nicht die richtigere und<lb/> größere ſein, daß die Natur den Menſchen hauptſächlich als<lb/> Mittel benützt, um jene hohen Manifeſtationen zu ermög-<lb/> lichen? Es ſcheint der Natur allerdings nicht auf das Glück<lb/> des Menſchen anzukommen, wohl aber ſtrebt ſie durch ihn<lb/> eine ideale Ordnung zu ſchaffen (Moral), über ſich ſelbſt<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [26/0035]
einzigen Bilde, das all’ die Gewalt, welche die Jdee der
Nachwelt auf den Geiſt ausübt, mit unſerem beſten Fühlen
für die uns umgebende Welt und für die Vorgänger ver-
einigt, die uns zu dem gemacht haben, was wir ſind.“
Es iſt bei näherer Betrachtung aber doch viel Unrichtiges
in dieſen Sätzen. Das Wohl der Menſchheit zum Gegen-
ſtande des höchſten Strebens des Jndividuums zu erheben,
heißt die Menſchheit als höchſten Gegenſtand der Verehrung
hinſtellen. Das iſt aber aus dem einfachen Grunde unzu-
läſſig, weil ſich Höheres als die Menſchheit denken läßt.
Das Höchſte, was es für den Menſchen gibt, kann immer
nur das Jdeal des Guten, Wahren und Schönen ſein, mit
dem vollen Bewußtſein, daß daſſelbe keine feſte Größe und
daß es mit dem Fortſchritte des Menſchen ſelber fortſchreitet.
Wer aber nur auf das Wohl ſeiner Mitmenſchen bedacht,
der darf gar nicht die höchſten und ſtrengſten Anforderungen
weder an ſich ſelbſt noch an Andere ſtellen. Ja, man darf
umgekehrt ſagen, daß das Erſte die Liebe zum Jdeal, erſt
das Zweite die Liebe zu den Menſchen ſein ſoll. Wer z. B.
die Menſchen für eine große Wahrheit begeiſtern will, wird
dies in erſter Linie aus Liebe zur Wahrheit thun, und, iſt
er ein wahrhaft heroiſcher Menſch, ſo wird er auch dann
ſeine Ueberzeugung laut verkünden, geſetzt er ſähe voraus,
daß er die Menſchheit in ſich einander heftig bekämpfende
Parteien zerſpaltete. Es iſt kein ſuperiorer Standpunkt, die
hohen Manifeſtationen des menſchlichen Geiſtes nur als Mittel
zu betrachten, Gefühlszuſtände im Menſchen hervorzurufen.
Sollte die entgegengeſetzte Auffaſſung nicht die richtigere und
größere ſein, daß die Natur den Menſchen hauptſächlich als
Mittel benützt, um jene hohen Manifeſtationen zu ermög-
lichen? Es ſcheint der Natur allerdings nicht auf das Glück
des Menſchen anzukommen, wohl aber ſtrebt ſie durch ihn
eine ideale Ordnung zu ſchaffen (Moral), über ſich ſelbſt
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