Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite

höchsten Typus hinstellt, in denselben Fehler wie Comte.
Wohl aber ist, wie bemerkt, der Mensch auf seiner näheren
Bühne das höchste Werkzeug der Natur, und es liegt ein
mächtiger Antrieb und Sporn in dem Gedanken, daß die
Natur selbst ihm die heilige Aufgabe gestellt, jene Fähig-
keiten und Kräfte zu entwickeln, die er, soweit er um sich
blickt, allein besitzt, und daß er nur dann die Stimme der
Natur versteht und ihren Willen erfüllt, wenn er sein mensch-
lich-Eigenstes zur Darstellung bringt.

Feuerbach hat jedoch von den Gefühlen, welche der
Mensch in der Religion dem Allgemeinen gegenüber empfindet,
nur das der Abhängigkeit auf eine Verstand und Gemüth
in gleicher Weise befriedigende Art begründet und dadurch
der Moral sowie jedem Vervollkommnungsstreben einen festen
Anknüpfungspunkt gegeben, wogegen er weder das Gefühl
der Ehrfurcht vor dem das Jndividuum überragenden
Weltganzen, noch das Vertrauen in die letzten Weltmächte,
-- gleichgiltig ob man sich dieselben als Dispositionen in
der gestaltlos gedachten Urmaterie oder als etwas Unnenn-
bares, hinter den Erscheinungen Waltendes denkt -- betont.

Dies thut D. Fr. Strauß, wenn auch in unvollkommener
und mattherziger Weise, in seinem letzten Werke. Gleich-
wohl wird man folgende Stelle immer berücksichtigen müssen
wie man auch sonst über das Buch denken mag. Wir geben
die Stelle ganz wieder: "Wir nehmen in der Natur gewal-
tige Gegensätze, furchtbare Kämpfe wahr, aber wir finden,
daß durch sie der Bestand und Einklang des Ganzen nicht
gestört, im Gegentheil erhalten wird. Wir nehmen weiterhin
einen Stufengang, eine Hervorbringung des Höheren aus dem
Niedrigen, des Feinen aus dem Groben, des Milden aus
dem Rohen wahr. Und deshalb finden wir uns in unserm
persönlichen wie in unserm geselligen Leben desto mehr ge-
fördert, je mehr es uns gelingt, auch in uns das willkürlich

höchſten Typus hinſtellt, in denſelben Fehler wie Comte.
Wohl aber iſt, wie bemerkt, der Menſch auf ſeiner näheren
Bühne das höchſte Werkzeug der Natur, und es liegt ein
mächtiger Antrieb und Sporn in dem Gedanken, daß die
Natur ſelbſt ihm die heilige Aufgabe geſtellt, jene Fähig-
keiten und Kräfte zu entwickeln, die er, ſoweit er um ſich
blickt, allein beſitzt, und daß er nur dann die Stimme der
Natur verſteht und ihren Willen erfüllt, wenn er ſein menſch-
lich-Eigenſtes zur Darſtellung bringt.

Feuerbach hat jedoch von den Gefühlen, welche der
Menſch in der Religion dem Allgemeinen gegenüber empfindet,
nur das der Abhängigkeit auf eine Verſtand und Gemüth
in gleicher Weiſe befriedigende Art begründet und dadurch
der Moral ſowie jedem Vervollkommnungsſtreben einen feſten
Anknüpfungspunkt gegeben, wogegen er weder das Gefühl
der Ehrfurcht vor dem das Jndividuum überragenden
Weltganzen, noch das Vertrauen in die letzten Weltmächte,
— gleichgiltig ob man ſich dieſelben als Dispoſitionen in
der geſtaltlos gedachten Urmaterie oder als etwas Unnenn-
bares, hinter den Erſcheinungen Waltendes denkt — betont.

Dies thut D. Fr. Strauß, wenn auch in unvollkommener
und mattherziger Weiſe, in ſeinem letzten Werke. Gleich-
wohl wird man folgende Stelle immer berückſichtigen müſſen
wie man auch ſonſt über das Buch denken mag. Wir geben
die Stelle ganz wieder: „Wir nehmen in der Natur gewal-
tige Gegenſätze, furchtbare Kämpfe wahr, aber wir finden,
daß durch ſie der Beſtand und Einklang des Ganzen nicht
geſtört, im Gegentheil erhalten wird. Wir nehmen weiterhin
einen Stufengang, eine Hervorbringung des Höheren aus dem
Niedrigen, des Feinen aus dem Groben, des Milden aus
dem Rohen wahr. Und deshalb finden wir uns in unſerm
perſönlichen wie in unſerm geſelligen Leben deſto mehr ge-
fördert, je mehr es uns gelingt, auch in uns das willkürlich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0046" n="37"/>
höch&#x017F;ten Typus hin&#x017F;tellt, in den&#x017F;elben Fehler wie Comte.<lb/>
Wohl aber i&#x017F;t, wie bemerkt, der Men&#x017F;ch auf &#x017F;einer näheren<lb/>
Bühne das höch&#x017F;te Werkzeug der Natur, und es liegt ein<lb/>
mächtiger Antrieb und Sporn in dem Gedanken, daß die<lb/>
Natur &#x017F;elb&#x017F;t ihm die heilige Aufgabe ge&#x017F;tellt, jene Fähig-<lb/>
keiten und Kräfte zu entwickeln, die er, &#x017F;oweit er um &#x017F;ich<lb/>
blickt, allein be&#x017F;itzt, und daß er nur dann die Stimme der<lb/>
Natur ver&#x017F;teht und ihren Willen erfüllt, wenn er &#x017F;ein men&#x017F;ch-<lb/>
lich-Eigen&#x017F;tes zur Dar&#x017F;tellung bringt.</p><lb/>
        <p>Feuerbach hat jedoch von den Gefühlen, welche der<lb/>
Men&#x017F;ch in der Religion dem Allgemeinen gegenüber empfindet,<lb/>
nur das der <hi rendition="#g">Abhängigkeit</hi> auf eine Ver&#x017F;tand und Gemüth<lb/>
in gleicher Wei&#x017F;e befriedigende Art begründet und dadurch<lb/>
der Moral &#x017F;owie jedem Vervollkommnungs&#x017F;treben einen fe&#x017F;ten<lb/>
Anknüpfungspunkt gegeben, wogegen er weder das Gefühl<lb/>
der <hi rendition="#g">Ehrfurcht</hi> vor dem das Jndividuum überragenden<lb/>
Weltganzen, noch das Vertrauen in die letzten Weltmächte,<lb/>
&#x2014; gleichgiltig ob man &#x017F;ich die&#x017F;elben als Dispo&#x017F;itionen in<lb/>
der ge&#x017F;taltlos gedachten Urmaterie oder als etwas Unnenn-<lb/>
bares, hinter den Er&#x017F;cheinungen Waltendes denkt &#x2014; betont.</p><lb/>
        <p>Dies thut D. Fr. Strauß, wenn auch in unvollkommener<lb/>
und mattherziger Wei&#x017F;e, in &#x017F;einem letzten Werke. Gleich-<lb/>
wohl wird man folgende Stelle immer berück&#x017F;ichtigen mü&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wie man auch &#x017F;on&#x017F;t über das Buch denken mag. Wir geben<lb/>
die Stelle ganz wieder: &#x201E;Wir nehmen in der Natur gewal-<lb/>
tige Gegen&#x017F;ätze, furchtbare Kämpfe wahr, aber wir finden,<lb/>
daß durch &#x017F;ie der Be&#x017F;tand und Einklang des Ganzen nicht<lb/>
ge&#x017F;tört, im Gegentheil erhalten wird. Wir nehmen weiterhin<lb/>
einen Stufengang, eine Hervorbringung des Höheren aus dem<lb/>
Niedrigen, des Feinen aus dem Groben, des Milden aus<lb/>
dem Rohen wahr. Und deshalb finden wir uns in un&#x017F;erm<lb/>
per&#x017F;önlichen wie in un&#x017F;erm ge&#x017F;elligen Leben de&#x017F;to mehr ge-<lb/>
fördert, je mehr es uns gelingt, auch in uns das willkürlich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0046] höchſten Typus hinſtellt, in denſelben Fehler wie Comte. Wohl aber iſt, wie bemerkt, der Menſch auf ſeiner näheren Bühne das höchſte Werkzeug der Natur, und es liegt ein mächtiger Antrieb und Sporn in dem Gedanken, daß die Natur ſelbſt ihm die heilige Aufgabe geſtellt, jene Fähig- keiten und Kräfte zu entwickeln, die er, ſoweit er um ſich blickt, allein beſitzt, und daß er nur dann die Stimme der Natur verſteht und ihren Willen erfüllt, wenn er ſein menſch- lich-Eigenſtes zur Darſtellung bringt. Feuerbach hat jedoch von den Gefühlen, welche der Menſch in der Religion dem Allgemeinen gegenüber empfindet, nur das der Abhängigkeit auf eine Verſtand und Gemüth in gleicher Weiſe befriedigende Art begründet und dadurch der Moral ſowie jedem Vervollkommnungsſtreben einen feſten Anknüpfungspunkt gegeben, wogegen er weder das Gefühl der Ehrfurcht vor dem das Jndividuum überragenden Weltganzen, noch das Vertrauen in die letzten Weltmächte, — gleichgiltig ob man ſich dieſelben als Dispoſitionen in der geſtaltlos gedachten Urmaterie oder als etwas Unnenn- bares, hinter den Erſcheinungen Waltendes denkt — betont. Dies thut D. Fr. Strauß, wenn auch in unvollkommener und mattherziger Weiſe, in ſeinem letzten Werke. Gleich- wohl wird man folgende Stelle immer berückſichtigen müſſen wie man auch ſonſt über das Buch denken mag. Wir geben die Stelle ganz wieder: „Wir nehmen in der Natur gewal- tige Gegenſätze, furchtbare Kämpfe wahr, aber wir finden, daß durch ſie der Beſtand und Einklang des Ganzen nicht geſtört, im Gegentheil erhalten wird. Wir nehmen weiterhin einen Stufengang, eine Hervorbringung des Höheren aus dem Niedrigen, des Feinen aus dem Groben, des Milden aus dem Rohen wahr. Und deshalb finden wir uns in unſerm perſönlichen wie in unſerm geſelligen Leben deſto mehr ge- fördert, je mehr es uns gelingt, auch in uns das willkürlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/druskowitz_religionsersatz_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/druskowitz_religionsersatz_1886/46
Zitationshilfe: Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/druskowitz_religionsersatz_1886/46>, abgerufen am 23.11.2024.