Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886.Wechselnde der Regel zu unterwerfen, aus dem Niedrigen Wechſelnde der Regel zu unterwerfen, aus dem Niedrigen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0047" n="38"/> Wechſelnde der Regel zu unterwerfen, aus dem Niedrigen<lb/> das Höhere, aus dem Rohen das Zarte zu entwickeln.<lb/> Dergleichen nennen wir, wenn wir es im Kreiſe des menſch-<lb/> lichen Lebens antreffen, vernünftig und gut. Das Ent-<lb/> ſprechende, das wir in der Welt um uns her wahrnehmen,<lb/> können wir nicht umhin, ebenſo zu nennen. Und da wir uns<lb/> übrigens von dieſer Welt ſchlechthin abhängig fühlen, unfer<lb/> Daſein wie die Einrichtung unſeres Weſens nur von ihr her-<lb/> leiten können, ſo werden wir ſie und zwar in ihrem Vollbe-<lb/> griff oder als Univerſum, auch als die Urquelle alles Vernünf-<lb/> tigen und Guten betrachten müſſen. Daß das Vernünftige<lb/> und Gute in der Menſchenwelt vom Bewußtſein und Willen<lb/> ausgeht, daraus hat die alte Religion geſchloſſen, daß auch<lb/> das, was ſich in der Welt im Großen Entſprechendes findet,<lb/> von einem bewußten und wollenden Urheber ausgehen müſſe.<lb/> Wir haben dieſe Schlußweiſe aufgegeben, wir betrachten die<lb/> Welt nicht mehr als das Werk einer abſolut vernünftigen<lb/> und guten Perſönlichkeit, wohl aber als die Werkſtätte des<lb/> Vernünftigen und Guten. Sie iſt uns nicht mehr angelegt<lb/> von einer höchſten Vernunft, aber angelegt <hi rendition="#g">auf</hi> eine höchſte<lb/> Vernunft. Da müſſen wir freilich was in der Wirkung<lb/> liegt, auch in die Urſache legen; was herauskommt, muß auch<lb/> drinnen geweſen ſein. Das iſt aber nur die Beſchränktheit<lb/> unſeres menſchlichen Vorſtellens, daß wir ſo unterſcheiden;<lb/> das Univerſum iſt ja Urſache und Wirkung, Aeußeres und<lb/> Jnneres zugleich. Es iſt mithin dasjenige, wovon wir uns<lb/> ſchlechthin abhängig fühlen, mit Nichten eine rohe Uebermacht,<lb/> der wir mit ſtummer Reſignation uns beugen, ſondern zu-<lb/> gleich Ordnung und Geſetz, Vernunft und Güte, der wir uns<lb/> mit liebendem Vertrauen ergeben. Und noch mehr: da wir<lb/> die Anlage zu dem Vernünftigen und Guten, die wir in<lb/> der Welt zu erkennen glauben, in uns ſelbſt wahrnehmen,<lb/> und als die Weſen finden, von denen empfunden, erkannt,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [38/0047]
Wechſelnde der Regel zu unterwerfen, aus dem Niedrigen
das Höhere, aus dem Rohen das Zarte zu entwickeln.
Dergleichen nennen wir, wenn wir es im Kreiſe des menſch-
lichen Lebens antreffen, vernünftig und gut. Das Ent-
ſprechende, das wir in der Welt um uns her wahrnehmen,
können wir nicht umhin, ebenſo zu nennen. Und da wir uns
übrigens von dieſer Welt ſchlechthin abhängig fühlen, unfer
Daſein wie die Einrichtung unſeres Weſens nur von ihr her-
leiten können, ſo werden wir ſie und zwar in ihrem Vollbe-
griff oder als Univerſum, auch als die Urquelle alles Vernünf-
tigen und Guten betrachten müſſen. Daß das Vernünftige
und Gute in der Menſchenwelt vom Bewußtſein und Willen
ausgeht, daraus hat die alte Religion geſchloſſen, daß auch
das, was ſich in der Welt im Großen Entſprechendes findet,
von einem bewußten und wollenden Urheber ausgehen müſſe.
Wir haben dieſe Schlußweiſe aufgegeben, wir betrachten die
Welt nicht mehr als das Werk einer abſolut vernünftigen
und guten Perſönlichkeit, wohl aber als die Werkſtätte des
Vernünftigen und Guten. Sie iſt uns nicht mehr angelegt
von einer höchſten Vernunft, aber angelegt auf eine höchſte
Vernunft. Da müſſen wir freilich was in der Wirkung
liegt, auch in die Urſache legen; was herauskommt, muß auch
drinnen geweſen ſein. Das iſt aber nur die Beſchränktheit
unſeres menſchlichen Vorſtellens, daß wir ſo unterſcheiden;
das Univerſum iſt ja Urſache und Wirkung, Aeußeres und
Jnneres zugleich. Es iſt mithin dasjenige, wovon wir uns
ſchlechthin abhängig fühlen, mit Nichten eine rohe Uebermacht,
der wir mit ſtummer Reſignation uns beugen, ſondern zu-
gleich Ordnung und Geſetz, Vernunft und Güte, der wir uns
mit liebendem Vertrauen ergeben. Und noch mehr: da wir
die Anlage zu dem Vernünftigen und Guten, die wir in
der Welt zu erkennen glauben, in uns ſelbſt wahrnehmen,
und als die Weſen finden, von denen empfunden, erkannt,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |