Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886.immer wahrhaftiger zu werden, die einzige Furcht nur die, Welchen Trost die Religion der Moral dem Sterbenden *) p. 137.
immer wahrhaftiger zu werden, die einzige Furcht nur die, Welchen Troſt die Religion der Moral dem Sterbenden *) p. 137.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0093" n="84"/> immer wahrhaftiger zu werden, die einzige Furcht nur die,<lb/> von ſolch’ einem Gedanken und ſolch’ einem Ziele abzufallen<lb/> und hineingezogen zu werden in irgendwelche andere niedrigen<lb/> Jntereſſen, die für die Menſchen ſo nahe liegend und ſo ver-<lb/> ſuchend ſind.“ Und ferner ſagt er in demſelben Kapitel ſehr<lb/> ſchön: „Eine moraliſche Handlung iſt nicht eine äußere That,<lb/> noch irgend ein einzelner, beſonderer Willensakt. Alle ſo-<lb/> genannten moraliſchen Handlungen ſind, nach alledem, in<lb/> Wahrheit Theilausdrücke Einer Handlung und das iſt die<lb/> Geſammtabſicht der Seele, die Handlung des Lebens.<lb/> Denn aller kleinen Abweichungen ungeachtet, bewegen wir uns<lb/> in der einen Richtung oder in der andern. Keine einzelne<lb/> Handlung, die wir thun, zählt, außer wenn ſie ein Theil<lb/> eines Vorſatzes iſt, der über ſie hinausgeht. Und kein Vor-<lb/> ſatz iſt zureichend, der nicht das geſammte Leben und deſſen<lb/> ganze mögliche Zukunft umfaßt.“</p><lb/> <p>Welchen Troſt die Religion der Moral dem Sterbenden<lb/> bietet, geht aus folgender Stelle hervor<note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq">p.</hi> 137.</note>: „Jch möchte den<lb/> Gedanken an die unſterblichen Grundſätze den Sterbenden<lb/> eingeben. Jch möchte ſie daran denken laſſen, daß die Liebe<lb/> darum nicht auſhört, ihre Anſprüche geltend zu machen, weil<lb/> ſeines eigenen Herzens Liebe bald erlöſchen wird. Jch möchte<lb/> ihn daran denken laſſen, daß die Gerechtigkeit nicht deshalb<lb/> ſtirbt, weil er ſtirbt, daß die Liebe darum nicht aufhört, ihre<lb/> Anſprüche geltend zu machen, weil ſeines eigenen Herzens<lb/> Liebe bald erlöſchen wird. Jch möchte ihn daran denken laſſen,<lb/> daß, wenn auch Gerechtigkeit und Liebe in der geſammten Ver-<lb/> gangenheit keinen Eingang in die menſchlichen Herzen gefunden<lb/> hätten, ſie dieſen Eingang hätten finden ſollen, da dort ihre Stelle<lb/> iſt, dort ihre Bedeutung lag und daß ſie das unabänderliche<lb/> Muſter ſind, nach welchem das Menſchenleben in Zukunft geſtaltet<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [84/0093]
immer wahrhaftiger zu werden, die einzige Furcht nur die,
von ſolch’ einem Gedanken und ſolch’ einem Ziele abzufallen
und hineingezogen zu werden in irgendwelche andere niedrigen
Jntereſſen, die für die Menſchen ſo nahe liegend und ſo ver-
ſuchend ſind.“ Und ferner ſagt er in demſelben Kapitel ſehr
ſchön: „Eine moraliſche Handlung iſt nicht eine äußere That,
noch irgend ein einzelner, beſonderer Willensakt. Alle ſo-
genannten moraliſchen Handlungen ſind, nach alledem, in
Wahrheit Theilausdrücke Einer Handlung und das iſt die
Geſammtabſicht der Seele, die Handlung des Lebens.
Denn aller kleinen Abweichungen ungeachtet, bewegen wir uns
in der einen Richtung oder in der andern. Keine einzelne
Handlung, die wir thun, zählt, außer wenn ſie ein Theil
eines Vorſatzes iſt, der über ſie hinausgeht. Und kein Vor-
ſatz iſt zureichend, der nicht das geſammte Leben und deſſen
ganze mögliche Zukunft umfaßt.“
Welchen Troſt die Religion der Moral dem Sterbenden
bietet, geht aus folgender Stelle hervor *): „Jch möchte den
Gedanken an die unſterblichen Grundſätze den Sterbenden
eingeben. Jch möchte ſie daran denken laſſen, daß die Liebe
darum nicht auſhört, ihre Anſprüche geltend zu machen, weil
ſeines eigenen Herzens Liebe bald erlöſchen wird. Jch möchte
ihn daran denken laſſen, daß die Gerechtigkeit nicht deshalb
ſtirbt, weil er ſtirbt, daß die Liebe darum nicht aufhört, ihre
Anſprüche geltend zu machen, weil ſeines eigenen Herzens
Liebe bald erlöſchen wird. Jch möchte ihn daran denken laſſen,
daß, wenn auch Gerechtigkeit und Liebe in der geſammten Ver-
gangenheit keinen Eingang in die menſchlichen Herzen gefunden
hätten, ſie dieſen Eingang hätten finden ſollen, da dort ihre Stelle
iſt, dort ihre Bedeutung lag und daß ſie das unabänderliche
Muſter ſind, nach welchem das Menſchenleben in Zukunft geſtaltet
*) p. 137.
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Zitationshilfe: | Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/druskowitz_religionsersatz_1886/93>, abgerufen am 16.02.2025. |