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Du Bois-Reymond, Emil Heinrich: Über die Grenzen des Naturerkennens. Leipzig, 1872.

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selbst für die, welche jene Irrthümer nicht theilen, einige
neue Seiten abzugewinnen.

Ich setze mir also vor, die Grenzen des Naturerken¬
nens aufzusuchen, und beantworte zunächst die Frage,
was Naturerkennen sei.

Naturerkennen -- genauer gesagt naturwissenschaft¬
liches Erkennen oder Erkennen der Körperwelt mit Hülfe
und im Sinne der theoretischen Naturwissenschaft -- ist
Zurückführen der Veränderungen in der Körperwelt auf
Bewegungen von Atomen, die durch deren von der Zeit
unabhängige Centralkräfte bewirkt werden, oder Auflö¬
sung der Naturvorgänge in Mechanik der Atome. Es
ist psychologische Erfahrungsthatsache, dass, wo solche
Auflösung gelingt, unser Causalitätsbedürfniss vorläufig
sich befriedigt fühlt. Die Sätze der Mechanik sind ma¬
thematisch darstellbar, und tragen in sich dieselbe apo¬
diktische Gewissheit, wie die Sätze der Mathematik. In¬
dem die Veränderungen in der Körperwelt auf eine con¬
stante Summe potentieller und kinetischer Energie, welche
einer constanten Menge von Materie anhaftet, zurückge¬
führt werden, bleibt in diesen Veränderungen selber nichts
zu erklären übrig.

Kant's Behauptung in der Vorrede zu den Metaphy¬
sischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft
, "dass in
"jeder besonderen Naturlehre nur so viel eigentliche
"Wissenschaft angetroffen werden könne, als darin

selbst für die, welche jene Irrthümer nicht theilen, einige
neue Seiten abzugewinnen.

Ich setze mir also vor, die Grenzen des Naturerken¬
nens aufzusuchen, und beantworte zunächst die Frage,
was Naturerkennen sei.

Naturerkennen — genauer gesagt naturwissenschaft¬
liches Erkennen oder Erkennen der Körperwelt mit Hülfe
und im Sinne der theoretischen Naturwissenschaft — ist
Zurückführen der Veränderungen in der Körperwelt auf
Bewegungen von Atomen, die durch deren von der Zeit
unabhängige Centralkräfte bewirkt werden, oder Auflö¬
sung der Naturvorgänge in Mechanik der Atome. Es
ist psychologische Erfahrungsthatsache, dass, wo solche
Auflösung gelingt, unser Causalitätsbedürfniss vorläufig
sich befriedigt fühlt. Die Sätze der Mechanik sind ma¬
thematisch darstellbar, und tragen in sich dieselbe apo¬
diktische Gewissheit, wie die Sätze der Mathematik. In¬
dem die Veränderungen in der Körperwelt auf eine con¬
stante Summe potentieller und kinetischer Energie, welche
einer constanten Menge von Materie anhaftet, zurückge¬
führt werden, bleibt in diesen Veränderungen selber nichts
zu erklären übrig.

Kant's Behauptung in der Vorrede zu den Metaphy¬
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[2/0010] selbst für die, welche jene Irrthümer nicht theilen, einige neue Seiten abzugewinnen. Ich setze mir also vor, die Grenzen des Naturerken¬ nens aufzusuchen, und beantworte zunächst die Frage, was Naturerkennen sei. Naturerkennen — genauer gesagt naturwissenschaft¬ liches Erkennen oder Erkennen der Körperwelt mit Hülfe und im Sinne der theoretischen Naturwissenschaft — ist Zurückführen der Veränderungen in der Körperwelt auf Bewegungen von Atomen, die durch deren von der Zeit unabhängige Centralkräfte bewirkt werden, oder Auflö¬ sung der Naturvorgänge in Mechanik der Atome. Es ist psychologische Erfahrungsthatsache, dass, wo solche Auflösung gelingt, unser Causalitätsbedürfniss vorläufig sich befriedigt fühlt. Die Sätze der Mechanik sind ma¬ thematisch darstellbar, und tragen in sich dieselbe apo¬ diktische Gewissheit, wie die Sätze der Mathematik. In¬ dem die Veränderungen in der Körperwelt auf eine con¬ stante Summe potentieller und kinetischer Energie, welche einer constanten Menge von Materie anhaftet, zurückge¬ führt werden, bleibt in diesen Veränderungen selber nichts zu erklären übrig. Kant's Behauptung in der Vorrede zu den Metaphy¬ sischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft, „dass in „jeder besonderen Naturlehre nur so viel eigentliche „Wissenschaft angetroffen werden könne, als darin

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Zitationshilfe: Du Bois-Reymond, Emil Heinrich: Über die Grenzen des Naturerkennens. Leipzig, 1872, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dubois_naturerkennen_1872/10>, abgerufen am 21.11.2024.