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Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885.

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thümlichen und ausschliesslich angehörigen Art von Täuschung.
Sie übt daher vielfach einen Trug, welcher zu dem der Religion
und dem der Metaphysik als ein Drittes hinzutritt, was man bis-
her noch nicht ins Auge gefasst hat. Bei der Herausgabe meiner
Arbeit über die Grössen der modernen Literatur wird sich grade
dieser Trugbestandtheil in der Poesie als ein wesentlicher Gegen-
stand durchgreifender Kritik offengelegt finden. Hier aber kann
keine Untersuchung angestellt, sondern es kann nur darauf hin-
gewiesen werden, wie ein Compass für die Befassung mit dem
belletristischen Gebiet unentbehrlich sei. Die Ruhe des Gemüths
und die Klarheit des Verstandes werden in der Ueberlassung an
die poetischen Eindrücke nur dadurch gewahrt, dass man an die
dichterischen Affecte und Phantasien das Maass der Wahrheit
und zwar der Wahrheit aus allen Gesichtspunkten anlegt. Es
giebt mehrere Seiten, von denen die modernen Literaturgrössen
noch nicht betrachtet worden sind, und grade auf diese Seiten habe
ich seit ein paar Jahrzehnten besonders geachtet. So bin ich
schliesslich zu der Ueberzeugung gelangt, dass eine Darstellung
und Kritik des Wesentlichen der schönen Literatur, wenn dabei
alle Mittel des Wissens, Strebens und Empfindens vereinigt zu
Hülfe genommen werden, einen wesentlichen Fortschritt der
Selbstausbildung bewirken muss. Einerseits wird ein neues und
populär sehr weittragendes Stück Emancipation von solchen
Bildungsfesseln durchgeführt, die man als solche noch am wenig-
sten erkannt hat. Andererseits aber wird die Möglichkeit eröffnet,
unter Meidung des Schadens und mit gehöriger Unterscheidung
an das wirklich Wohlthätige heranzutreten, was für Sinn und
Herz zur Verfügung steht.


thümlichen und ausschliesslich angehörigen Art von Täuschung.
Sie übt daher vielfach einen Trug, welcher zu dem der Religion
und dem der Metaphysik als ein Drittes hinzutritt, was man bis-
her noch nicht ins Auge gefasst hat. Bei der Herausgabe meiner
Arbeit über die Grössen der modernen Literatur wird sich grade
dieser Trugbestandtheil in der Poesie als ein wesentlicher Gegen-
stand durchgreifender Kritik offengelegt finden. Hier aber kann
keine Untersuchung angestellt, sondern es kann nur darauf hin-
gewiesen werden, wie ein Compass für die Befassung mit dem
belletristischen Gebiet unentbehrlich sei. Die Ruhe des Gemüths
und die Klarheit des Verstandes werden in der Ueberlassung an
die poetischen Eindrücke nur dadurch gewahrt, dass man an die
dichterischen Affecte und Phantasien das Maass der Wahrheit
und zwar der Wahrheit aus allen Gesichtspunkten anlegt. Es
giebt mehrere Seiten, von denen die modernen Literaturgrössen
noch nicht betrachtet worden sind, und grade auf diese Seiten habe
ich seit ein paar Jahrzehnten besonders geachtet. So bin ich
schliesslich zu der Ueberzeugung gelangt, dass eine Darstellung
und Kritik des Wesentlichen der schönen Literatur, wenn dabei
alle Mittel des Wissens, Strebens und Empfindens vereinigt zu
Hülfe genommen werden, einen wesentlichen Fortschritt der
Selbstausbildung bewirken muss. Einerseits wird ein neues und
populär sehr weittragendes Stück Emancipation von solchen
Bildungsfesseln durchgeführt, die man als solche noch am wenig-
sten erkannt hat. Andererseits aber wird die Möglichkeit eröffnet,
unter Meidung des Schadens und mit gehöriger Unterscheidung
an das wirklich Wohlthätige heranzutreten, was für Sinn und
Herz zur Verfügung steht.


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[107/0116] thümlichen und ausschliesslich angehörigen Art von Täuschung. Sie übt daher vielfach einen Trug, welcher zu dem der Religion und dem der Metaphysik als ein Drittes hinzutritt, was man bis- her noch nicht ins Auge gefasst hat. Bei der Herausgabe meiner Arbeit über die Grössen der modernen Literatur wird sich grade dieser Trugbestandtheil in der Poesie als ein wesentlicher Gegen- stand durchgreifender Kritik offengelegt finden. Hier aber kann keine Untersuchung angestellt, sondern es kann nur darauf hin- gewiesen werden, wie ein Compass für die Befassung mit dem belletristischen Gebiet unentbehrlich sei. Die Ruhe des Gemüths und die Klarheit des Verstandes werden in der Ueberlassung an die poetischen Eindrücke nur dadurch gewahrt, dass man an die dichterischen Affecte und Phantasien das Maass der Wahrheit und zwar der Wahrheit aus allen Gesichtspunkten anlegt. Es giebt mehrere Seiten, von denen die modernen Literaturgrössen noch nicht betrachtet worden sind, und grade auf diese Seiten habe ich seit ein paar Jahrzehnten besonders geachtet. So bin ich schliesslich zu der Ueberzeugung gelangt, dass eine Darstellung und Kritik des Wesentlichen der schönen Literatur, wenn dabei alle Mittel des Wissens, Strebens und Empfindens vereinigt zu Hülfe genommen werden, einen wesentlichen Fortschritt der Selbstausbildung bewirken muss. Einerseits wird ein neues und populär sehr weittragendes Stück Emancipation von solchen Bildungsfesseln durchgeführt, die man als solche noch am wenig- sten erkannt hat. Andererseits aber wird die Möglichkeit eröffnet, unter Meidung des Schadens und mit gehöriger Unterscheidung an das wirklich Wohlthätige heranzutreten, was für Sinn und Herz zur Verfügung steht.

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Zitationshilfe: Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/116>, abgerufen am 29.04.2024.