Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

als geistige, ja zum Theil auch geistliche Zünfte nach einer
kurzen Halbblüthe, die in bedeutenden sachlichen Anregungen
und in ursprünglich bisweilen auch freieren Verfassungen ihren
Grund hatte, in den modernen Jahrhunderten überall immer mehr
verfallen und haben den Fortschritt der Wissenschaften wesent-
lich gehemmt, die untergeordnete Vermittlung des anderweitig in
freierer Gewonnenen meist recht schlecht oder gar
nicht besorgt. Schon von Adam Smith wurden sie für diejenigen
Stätten erklärt, in denen die verrottesten Vorurtheile noch hausen,
die bereits aus allen Ecken der Welt vertrieben sind. Doch ich
kann mich hier nicht auf eine geschichtlich weit ausholende Dar-
legung einlassen. Das Zunftgerüst und seine Wirkungen können
auch an den heutigen deutschen Universitäten zur Genüge in
Augenschein genommen werden. Die ausschliessende Körper-
schaft cooptirt nach persönlichem Belieben; denn die Staats-
genehmigung ist fast nur formell. Ein Fachprofessor entscheidet
darüber, wen er zum Collegen haben will, und sieht sich natür-
lich nach einem möglichst gefälligen und zahmen Concurrenten
oder vielmehr Nichtconcurrenten um. Wo er sich nicht gradezu
Nullitäten besorgen kann, weil seine Fachcollegen auf andern
Universitäten mit ihm im vetterschaftlichen Cartell stehen und
auch ihre Leute untergebracht sehen wollen, arrangirt man sich
nach dem Princip der Gegenseitigkeit und theilt innerhalb der
Kameradie das Monopol nach jedesmaliger Convenienz. Aus-
nahmsweise greift allerdings auch die Bürokratie ein, und da
ihr Nepotismus weder an sich selbst so schlimm wie der zünft-
lerische und überdies weniger unmittelbar in die gelehrte Sphäre
hineinverzweigt ist, so geschieht es auch wohl, dass ein einfluss-
loserer Fachprofessor gute Miene zu dem für ihn bösen Spiel
machen und sich die Hinsetzung einer sogenannten Grösse als
nachbarlichen Concurrenten oder vielmehr Hauptmomopolisten ge-
fallen lassen muss. Selten wird es aber geschehen, dass der-
artige Grössen und Hauptprofessoren selbst nicht in der Lage
wären, jeder an seiner Universität möglichst allein zu horsten und
so in den Hauptzunftörtern in gehöriger Distanz voneinander ihre
gelehrten Zwangs- und Bannrechte über das Studentenpublicum
auszuüben. Das Ausland sei noch besonders daran erinnert, dass
die bei uns von den Studenten bezahlten Vorlesungsgelder eine
eine ansehnliche Privateinnahme der einzelnen Professoren bilden, und
dass diese letzteren daher eine sehr starke ökonomische Ursache

als geistige, ja zum Theil auch geistliche Zünfte nach einer
kurzen Halbblüthe, die in bedeutenden sachlichen Anregungen
und in ursprünglich bisweilen auch freieren Verfassungen ihren
Grund hatte, in den modernen Jahrhunderten überall immer mehr
verfallen und haben den Fortschritt der Wissenschaften wesent-
lich gehemmt, die untergeordnete Vermittlung des anderweitig in
freierer Gewonnenen meist recht schlecht oder gar
nicht besorgt. Schon von Adam Smith wurden sie für diejenigen
Stätten erklärt, in denen die verrottesten Vorurtheile noch hausen,
die bereits aus allen Ecken der Welt vertrieben sind. Doch ich
kann mich hier nicht auf eine geschichtlich weit ausholende Dar-
legung einlassen. Das Zunftgerüst und seine Wirkungen können
auch an den heutigen deutschen Universitäten zur Genüge in
Augenschein genommen werden. Die ausschliessende Körper-
schaft cooptirt nach persönlichem Belieben; denn die Staats-
genehmigung ist fast nur formell. Ein Fachprofessor entscheidet
darüber, wen er zum Collegen haben will, und sieht sich natür-
lich nach einem möglichst gefälligen und zahmen Concurrenten
oder vielmehr Nichtconcurrenten um. Wo er sich nicht gradezu
Nullitäten besorgen kann, weil seine Fachcollegen auf andern
Universitäten mit ihm im vetterschaftlichen Cartell stehen und
auch ihre Leute untergebracht sehen wollen, arrangirt man sich
nach dem Princip der Gegenseitigkeit und theilt innerhalb der
Kameradie das Monopol nach jedesmaliger Convenienz. Aus-
nahmsweise greift allerdings auch die Bürokratie ein, und da
ihr Nepotismus weder an sich selbst so schlimm wie der zünft-
lerische und überdies weniger unmittelbar in die gelehrte Sphäre
hineinverzweigt ist, so geschieht es auch wohl, dass ein einfluss-
loserer Fachprofessor gute Miene zu dem für ihn bösen Spiel
machen und sich die Hinsetzung einer sogenannten Grösse als
nachbarlichen Concurrenten oder vielmehr Hauptmomopolisten ge-
fallen lassen muss. Selten wird es aber geschehen, dass der-
artige Grössen und Hauptprofessoren selbst nicht in der Lage
wären, jeder an seiner Universität möglichst allein zu horsten und
so in den Hauptzunftörtern in gehöriger Distanz voneinander ihre
gelehrten Zwangs- und Bannrechte über das Studentenpublicum
auszuüben. Das Ausland sei noch besonders daran erinnert, dass
die bei uns von den Studenten bezahlten Vorlesungsgelder eine
eine ansehnliche Privateinnahme der einzelnen Professoren bilden, und
dass diese letzteren daher eine sehr starke ökonomische Ursache

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0049" n="40"/>
als geistige, ja zum Theil auch geistliche Zünfte nach einer<lb/>
kurzen Halbblüthe, die in bedeutenden sachlichen Anregungen<lb/>
und in ursprünglich bisweilen auch freieren Verfassungen ihren<lb/>
Grund hatte, in den modernen Jahrhunderten überall immer mehr<lb/>
verfallen und haben den Fortschritt der Wissenschaften wesent-<lb/>
lich gehemmt, die untergeordnete Vermittlung des anderweitig in<lb/>
freierer Gewonnenen meist recht schlecht oder gar<lb/>
nicht besorgt. Schon von Adam Smith wurden sie für diejenigen<lb/>
Stätten erklärt, in denen die verrottesten Vorurtheile noch hausen,<lb/>
die bereits aus allen Ecken der Welt vertrieben sind. Doch ich<lb/>
kann mich hier nicht auf eine geschichtlich weit ausholende Dar-<lb/>
legung einlassen. Das Zunftgerüst und seine Wirkungen können<lb/>
auch an den heutigen deutschen Universitäten zur Genüge in<lb/>
Augenschein genommen werden. Die ausschliessende Körper-<lb/>
schaft cooptirt nach persönlichem Belieben; denn die Staats-<lb/>
genehmigung ist fast nur formell. Ein Fachprofessor entscheidet<lb/>
darüber, wen er zum Collegen haben will, und sieht sich natür-<lb/>
lich nach einem möglichst gefälligen und zahmen Concurrenten<lb/>
oder vielmehr Nichtconcurrenten um. Wo er sich nicht gradezu<lb/>
Nullitäten besorgen kann, weil seine Fachcollegen auf andern<lb/>
Universitäten mit ihm im vetterschaftlichen Cartell stehen und<lb/>
auch ihre Leute untergebracht sehen wollen, arrangirt man sich<lb/>
nach dem Princip der Gegenseitigkeit und theilt innerhalb der<lb/>
Kameradie das Monopol nach jedesmaliger Convenienz. Aus-<lb/>
nahmsweise greift allerdings auch die Bürokratie ein, und da<lb/>
ihr Nepotismus weder an sich selbst so schlimm wie der zünft-<lb/>
lerische und überdies weniger unmittelbar in die gelehrte Sphäre<lb/>
hineinverzweigt ist, so geschieht es auch wohl, dass ein einfluss-<lb/>
loserer Fachprofessor gute Miene zu dem für ihn bösen Spiel<lb/>
machen und sich die Hinsetzung einer sogenannten Grösse als<lb/>
nachbarlichen Concurrenten oder vielmehr Hauptmomopolisten ge-<lb/>
fallen lassen muss. Selten wird es aber geschehen, dass der-<lb/>
artige Grössen und Hauptprofessoren selbst nicht in der Lage<lb/>
wären, jeder an seiner Universität möglichst allein zu horsten und<lb/>
so in den Hauptzunftörtern in gehöriger Distanz voneinander ihre<lb/>
gelehrten Zwangs- und Bannrechte über das Studentenpublicum<lb/>
auszuüben. Das Ausland sei noch besonders daran erinnert, dass<lb/>
die bei uns von den Studenten bezahlten Vorlesungsgelder eine<lb/>
eine ansehnliche Privateinnahme der einzelnen Professoren bilden, und<lb/>
dass diese letzteren daher eine sehr starke ökonomische Ursache<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0049] als geistige, ja zum Theil auch geistliche Zünfte nach einer kurzen Halbblüthe, die in bedeutenden sachlichen Anregungen und in ursprünglich bisweilen auch freieren Verfassungen ihren Grund hatte, in den modernen Jahrhunderten überall immer mehr verfallen und haben den Fortschritt der Wissenschaften wesent- lich gehemmt, die untergeordnete Vermittlung des anderweitig in freierer Gewonnenen meist recht schlecht oder gar nicht besorgt. Schon von Adam Smith wurden sie für diejenigen Stätten erklärt, in denen die verrottesten Vorurtheile noch hausen, die bereits aus allen Ecken der Welt vertrieben sind. Doch ich kann mich hier nicht auf eine geschichtlich weit ausholende Dar- legung einlassen. Das Zunftgerüst und seine Wirkungen können auch an den heutigen deutschen Universitäten zur Genüge in Augenschein genommen werden. Die ausschliessende Körper- schaft cooptirt nach persönlichem Belieben; denn die Staats- genehmigung ist fast nur formell. Ein Fachprofessor entscheidet darüber, wen er zum Collegen haben will, und sieht sich natür- lich nach einem möglichst gefälligen und zahmen Concurrenten oder vielmehr Nichtconcurrenten um. Wo er sich nicht gradezu Nullitäten besorgen kann, weil seine Fachcollegen auf andern Universitäten mit ihm im vetterschaftlichen Cartell stehen und auch ihre Leute untergebracht sehen wollen, arrangirt man sich nach dem Princip der Gegenseitigkeit und theilt innerhalb der Kameradie das Monopol nach jedesmaliger Convenienz. Aus- nahmsweise greift allerdings auch die Bürokratie ein, und da ihr Nepotismus weder an sich selbst so schlimm wie der zünft- lerische und überdies weniger unmittelbar in die gelehrte Sphäre hineinverzweigt ist, so geschieht es auch wohl, dass ein einfluss- loserer Fachprofessor gute Miene zu dem für ihn bösen Spiel machen und sich die Hinsetzung einer sogenannten Grösse als nachbarlichen Concurrenten oder vielmehr Hauptmomopolisten ge- fallen lassen muss. Selten wird es aber geschehen, dass der- artige Grössen und Hauptprofessoren selbst nicht in der Lage wären, jeder an seiner Universität möglichst allein zu horsten und so in den Hauptzunftörtern in gehöriger Distanz voneinander ihre gelehrten Zwangs- und Bannrechte über das Studentenpublicum auszuüben. Das Ausland sei noch besonders daran erinnert, dass die bei uns von den Studenten bezahlten Vorlesungsgelder eine eine ansehnliche Privateinnahme der einzelnen Professoren bilden, und dass diese letzteren daher eine sehr starke ökonomische Ursache

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Projekt: Texte zur Frauenfrage um 1900 Gießen/Kassel: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-13T16:46:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Thomas Gloning, Melanie Henß, Hannah Glaum: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-06-13T16:46:57Z)
Internet Archive: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-06-13T16:46:57Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Druckfehler: ignoriert
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet
  • i/j nach Lautwert: Lautwert transkribiert
  • I/J nach Lautwert: Lautwert transkribiert
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/49
Zitationshilfe: Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/49>, abgerufen am 23.11.2024.