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Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885.

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in jeder Richtung verrotteten Unterrichtssystems aus. Aus diesem
Grunde ist auch an die höhere Vorschulbildung des weiblichen
Geschlechts in dem bestimmten Sinne, in welchem ich dieses
Wort gebraucht habe, zunächst nur unter der Voraussetzung
privater Initiative zu denken. Bis jetzt lässt sich zwar noch
nicht einmal eine armselige Volksschule ohne öffentliche Ge-
nehmigung errichten; aber ein solches Uebermaass der Unfreiheit,
ja der Unterrichtssklaverei, wird wenigstens stückweise durch-
löchert werden. Für erwachsene Personen bildet das Vereins-
recht den Anknüpfungspunkt, um wenigstens die gesetzlich mög-
liche Form für eine Bildung- und Berufspropaganda zu gewinnen,
durch welche für die Pflanzschulen, aus denen die "höhern Vor-
schulen" ihre Lehrkräfte zu beziehen haben, eine Schaar in-
struirender Persönlichkeiten bereit gemacht werden könnte. Die
letzteren würden zunächst privatim überall da eine Verwendung
finden, wo das Publicum gewillt wäre, sich die bisherigen Un-
zulänglichkeiten nicht mehr gefallen zu lassen und concessionirte
Privatinstitute bisheriger Art, ja gelegentlich auch die Communen
zu nöthigen, die schlechten Anstalten für sogenannte höhere weib-
liche Bildung dadurch zu verbessern, dass besondere Extracurse
eingeführt und von jenen Normallehrerinnen abgehalten würden.
Hiebei ist natürlich vorauszusetzen, dass dieselben die Kleinig-
keiten der bisherigen privilegirten Prüfungen nebenbei längst er-
ledigt und daher keinen formellen Hindernissen der Zulassung zu
begegnen hätten. Man würde auf diese Weise das alte Regime
mit einem Netzwerk thatsächlich besserer Unterrichtshülfen durch-
flechten, sich aber jedenfalls überall da, wo der private Wille,
der Familienunterricht und eine Association von Familien den
Ausschlag geben kann, etwas modern Brauchbares und Gediegenes
sichern. Die Lehrerinnen an den Pflanzschulen der Vereine
würden zeitgemässere Figuren sein, als philologische Universitäts-
professoren, zu denen sie ungefähr die Parallele bildeten, ohne
deren überlebte Lehrstoffe und Methoden anzunehmen.

Ein einziger praktischer Berufszweig, wie die Medicin, er-
scheint vielleicht Manchem nicht ausreichend, um im Hinblick
auf denselben eine ganz neue höhere weibliche Vorschulbildung
nebst einer Zurüstung von Pflanzschulen zu organisiren, die ein
weibliches Gegenstück zu der universitären Production von Gym-
nasiallehrern bildeten. Es fehlt indessen doch nur an dem juri-
stischen Beruf, um an Weite wenigstens dasselbe für sich zu

in jeder Richtung verrotteten Unterrichtssystems aus. Aus diesem
Grunde ist auch an die höhere Vorschulbildung des weiblichen
Geschlechts in dem bestimmten Sinne, in welchem ich dieses
Wort gebraucht habe, zunächst nur unter der Voraussetzung
privater Initiative zu denken. Bis jetzt lässt sich zwar noch
nicht einmal eine armselige Volksschule ohne öffentliche Ge-
nehmigung errichten; aber ein solches Uebermaass der Unfreiheit,
ja der Unterrichtssklaverei, wird wenigstens stückweise durch-
löchert werden. Für erwachsene Personen bildet das Vereins-
recht den Anknüpfungspunkt, um wenigstens die gesetzlich mög-
liche Form für eine Bildung- und Berufspropaganda zu gewinnen,
durch welche für die Pflanzschulen, aus denen die „höhern Vor-
schulen“ ihre Lehrkräfte zu beziehen haben, eine Schaar in-
struirender Persönlichkeiten bereit gemacht werden könnte. Die
letzteren würden zunächst privatim überall da eine Verwendung
finden, wo das Publicum gewillt wäre, sich die bisherigen Un-
zulänglichkeiten nicht mehr gefallen zu lassen und concessionirte
Privatinstitute bisheriger Art, ja gelegentlich auch die Communen
zu nöthigen, die schlechten Anstalten für sogenannte höhere weib-
liche Bildung dadurch zu verbessern, dass besondere Extracurse
eingeführt und von jenen Normallehrerinnen abgehalten würden.
Hiebei ist natürlich vorauszusetzen, dass dieselben die Kleinig-
keiten der bisherigen privilegirten Prüfungen nebenbei längst er-
ledigt und daher keinen formellen Hindernissen der Zulassung zu
begegnen hätten. Man würde auf diese Weise das alte Regime
mit einem Netzwerk thatsächlich besserer Unterrichtshülfen durch-
flechten, sich aber jedenfalls überall da, wo der private Wille,
der Familienunterricht und eine Association von Familien den
Ausschlag geben kann, etwas modern Brauchbares und Gediegenes
sichern. Die Lehrerinnen an den Pflanzschulen der Vereine
würden zeitgemässere Figuren sein, als philologische Universitäts-
professoren, zu denen sie ungefähr die Parallele bildeten, ohne
deren überlebte Lehrstoffe und Methoden anzunehmen.

Ein einziger praktischer Berufszweig, wie die Medicin, er-
scheint vielleicht Manchem nicht ausreichend, um im Hinblick
auf denselben eine ganz neue höhere weibliche Vorschulbildung
nebst einer Zurüstung von Pflanzschulen zu organisiren, die ein
weibliches Gegenstück zu der universitären Production von Gym-
nasiallehrern bildeten. Es fehlt indessen doch nur an dem juri-
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[58/0067] in jeder Richtung verrotteten Unterrichtssystems aus. Aus diesem Grunde ist auch an die höhere Vorschulbildung des weiblichen Geschlechts in dem bestimmten Sinne, in welchem ich dieses Wort gebraucht habe, zunächst nur unter der Voraussetzung privater Initiative zu denken. Bis jetzt lässt sich zwar noch nicht einmal eine armselige Volksschule ohne öffentliche Ge- nehmigung errichten; aber ein solches Uebermaass der Unfreiheit, ja der Unterrichtssklaverei, wird wenigstens stückweise durch- löchert werden. Für erwachsene Personen bildet das Vereins- recht den Anknüpfungspunkt, um wenigstens die gesetzlich mög- liche Form für eine Bildung- und Berufspropaganda zu gewinnen, durch welche für die Pflanzschulen, aus denen die „höhern Vor- schulen“ ihre Lehrkräfte zu beziehen haben, eine Schaar in- struirender Persönlichkeiten bereit gemacht werden könnte. Die letzteren würden zunächst privatim überall da eine Verwendung finden, wo das Publicum gewillt wäre, sich die bisherigen Un- zulänglichkeiten nicht mehr gefallen zu lassen und concessionirte Privatinstitute bisheriger Art, ja gelegentlich auch die Communen zu nöthigen, die schlechten Anstalten für sogenannte höhere weib- liche Bildung dadurch zu verbessern, dass besondere Extracurse eingeführt und von jenen Normallehrerinnen abgehalten würden. Hiebei ist natürlich vorauszusetzen, dass dieselben die Kleinig- keiten der bisherigen privilegirten Prüfungen nebenbei längst er- ledigt und daher keinen formellen Hindernissen der Zulassung zu begegnen hätten. Man würde auf diese Weise das alte Regime mit einem Netzwerk thatsächlich besserer Unterrichtshülfen durch- flechten, sich aber jedenfalls überall da, wo der private Wille, der Familienunterricht und eine Association von Familien den Ausschlag geben kann, etwas modern Brauchbares und Gediegenes sichern. Die Lehrerinnen an den Pflanzschulen der Vereine würden zeitgemässere Figuren sein, als philologische Universitäts- professoren, zu denen sie ungefähr die Parallele bildeten, ohne deren überlebte Lehrstoffe und Methoden anzunehmen. Ein einziger praktischer Berufszweig, wie die Medicin, er- scheint vielleicht Manchem nicht ausreichend, um im Hinblick auf denselben eine ganz neue höhere weibliche Vorschulbildung nebst einer Zurüstung von Pflanzschulen zu organisiren, die ein weibliches Gegenstück zu der universitären Production von Gym- nasiallehrern bildeten. Es fehlt indessen doch nur an dem juri- stischen Beruf, um an Weite wenigstens dasselbe für sich zu

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Zitationshilfe: Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/67>, abgerufen am 28.04.2024.