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Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885.

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Hienach lag die Sache klar. Der Standpunkt auf Seiten Miss
Archers war ein rein geschäftlicher, und dies konnte mir recht
sein. Ich hatte, meinen Erkundigungen entsprechend, zunächst
nur die eine Seite des Fräuleins, nämlich einige Religiosität der
englischen Art, vorausgesetzt, und ich fand nun, dass dieses Ele-
ment, wie ja bei Engländern und Amerikanern so häufig, von
den unternehmerisch geschäftlichen Rücksichten überwogen und
zwar in einem Maass überwogen wurde, dass sich auch von
meinem Standpunkt damit rechnen liess. Noch mehr beruhigte
mich in den vorher angeführten Sätzen die Liebhaberei für un-
verstandene lateinische Sprüchwörter und die schöne Schiefe der
Vergleichung. Die "Götter", das hatte sie eigentlich sagen
wollen, d. h. diejenigen Damen, welche als Vertreter des übrigen
Frauenpublicums im Lyceum für sich eine zusagendere Art von
Geistesnahrung verlangt hatten, waren die maassgebenden Er-
wähler gewesen und es sollte nun nur darauf ankommen, auch
dem weiter sich anfindenden Publicum zu genügen oder, wie Miss
Archer in ihrer Unternehmersprache sich ausdrückte, zu "gefallen".
Ein Punkt des Anstosses, nämlich die zur Anstandsverzierung
bei den Lyceumsvorträgen übliche Anwesenheit der Miss Archer,
erschien mir nun auch nicht mehr als eine Freiheitsbeschränkung
oder sonst für einen Vertreter der strengen Wissenschaft un-
ziemliche Gene, da ich im Voraus sicher war, für die Urheberin
jener so gelungenen Auslegung, des Sprüchworts geistig so gut
wie gar nicht da zu sein. Auch wird man aus einem der folgen-
den Briefe sehen, wie Miss Archer selbst eingesteht, als Aus-
länderin einer deutschen Erörterung selbst dann, wenn sie sich
nicht einmal auf wissenschaftliche Fragen bezieht, nicht mit Ver-
lässlichkeit folgen zu können. Gegenüber der Bildung einer
Lehrerin des Englischen und den Eigenschaften einer höheren
Gouvernante war nicht einmal die Gefahr eines Miss-Verständ-
nisses sonderlich vorhanden, zumal der geschäftliche Verstand
stets die hinreichende Berichtigung und Ausgleichung versprach.

So bin ich denn auch mit Miss Archer und ihrer Unter-
nehmung ungefähr vier Jahre ausgekommen, ohne mir in Ent-
wicklung meiner Ansichten irgend eine Beschränkung aufzulegen.
Zunächst wurde den Erwartungen entsprochen und die Unter-
nehmerin blieb auch stets ein Echo der Befriedigung des Publi-
cums. Der Versuch war günstig ausgefallen und mein Docenten-
thum wurde später auch schriftlich als bleibende Stelle bestätigt.

Hienach lag die Sache klar. Der Standpunkt auf Seiten Miss
Archers war ein rein geschäftlicher, und dies konnte mir recht
sein. Ich hatte, meinen Erkundigungen entsprechend, zunächst
nur die eine Seite des Fräuleins, nämlich einige Religiosität der
englischen Art, vorausgesetzt, und ich fand nun, dass dieses Ele-
ment, wie ja bei Engländern und Amerikanern so häufig, von
den unternehmerisch geschäftlichen Rücksichten überwogen und
zwar in einem Maass überwogen wurde, dass sich auch von
meinem Standpunkt damit rechnen liess. Noch mehr beruhigte
mich in den vorher angeführten Sätzen die Liebhaberei für un-
verstandene lateinische Sprüchwörter und die schöne Schiefe der
Vergleichung. Die „Götter“, das hatte sie eigentlich sagen
wollen, d. h. diejenigen Damen, welche als Vertreter des übrigen
Frauenpublicums im Lyceum für sich eine zusagendere Art von
Geistesnahrung verlangt hatten, waren die maassgebenden Er-
wähler gewesen und es sollte nun nur darauf ankommen, auch
dem weiter sich anfindenden Publicum zu genügen oder, wie Miss
Archer in ihrer Unternehmersprache sich ausdrückte, zu „gefallen“.
Ein Punkt des Anstosses, nämlich die zur Anstandsverzierung
bei den Lyceumsvorträgen übliche Anwesenheit der Miss Archer,
erschien mir nun auch nicht mehr als eine Freiheitsbeschränkung
oder sonst für einen Vertreter der strengen Wissenschaft un-
ziemliche Gene, da ich im Voraus sicher war, für die Urheberin
jener so gelungenen Auslegung, des Sprüchworts geistig so gut
wie gar nicht da zu sein. Auch wird man aus einem der folgen-
den Briefe sehen, wie Miss Archer selbst eingesteht, als Aus-
länderin einer deutschen Erörterung selbst dann, wenn sie sich
nicht einmal auf wissenschaftliche Fragen bezieht, nicht mit Ver-
lässlichkeit folgen zu können. Gegenüber der Bildung einer
Lehrerin des Englischen und den Eigenschaften einer höheren
Gouvernante war nicht einmal die Gefahr eines Miss-Verständ-
nisses sonderlich vorhanden, zumal der geschäftliche Verstand
stets die hinreichende Berichtigung und Ausgleichung versprach.

So bin ich denn auch mit Miss Archer und ihrer Unter-
nehmung ungefähr vier Jahre ausgekommen, ohne mir in Ent-
wicklung meiner Ansichten irgend eine Beschränkung aufzulegen.
Zunächst wurde den Erwartungen entsprochen und die Unter-
nehmerin blieb auch stets ein Echo der Befriedigung des Publi-
cums. Der Versuch war günstig ausgefallen und mein Docenten-
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[67/0076] Hienach lag die Sache klar. Der Standpunkt auf Seiten Miss Archers war ein rein geschäftlicher, und dies konnte mir recht sein. Ich hatte, meinen Erkundigungen entsprechend, zunächst nur die eine Seite des Fräuleins, nämlich einige Religiosität der englischen Art, vorausgesetzt, und ich fand nun, dass dieses Ele- ment, wie ja bei Engländern und Amerikanern so häufig, von den unternehmerisch geschäftlichen Rücksichten überwogen und zwar in einem Maass überwogen wurde, dass sich auch von meinem Standpunkt damit rechnen liess. Noch mehr beruhigte mich in den vorher angeführten Sätzen die Liebhaberei für un- verstandene lateinische Sprüchwörter und die schöne Schiefe der Vergleichung. Die „Götter“, das hatte sie eigentlich sagen wollen, d. h. diejenigen Damen, welche als Vertreter des übrigen Frauenpublicums im Lyceum für sich eine zusagendere Art von Geistesnahrung verlangt hatten, waren die maassgebenden Er- wähler gewesen und es sollte nun nur darauf ankommen, auch dem weiter sich anfindenden Publicum zu genügen oder, wie Miss Archer in ihrer Unternehmersprache sich ausdrückte, zu „gefallen“. Ein Punkt des Anstosses, nämlich die zur Anstandsverzierung bei den Lyceumsvorträgen übliche Anwesenheit der Miss Archer, erschien mir nun auch nicht mehr als eine Freiheitsbeschränkung oder sonst für einen Vertreter der strengen Wissenschaft un- ziemliche Gene, da ich im Voraus sicher war, für die Urheberin jener so gelungenen Auslegung, des Sprüchworts geistig so gut wie gar nicht da zu sein. Auch wird man aus einem der folgen- den Briefe sehen, wie Miss Archer selbst eingesteht, als Aus- länderin einer deutschen Erörterung selbst dann, wenn sie sich nicht einmal auf wissenschaftliche Fragen bezieht, nicht mit Ver- lässlichkeit folgen zu können. Gegenüber der Bildung einer Lehrerin des Englischen und den Eigenschaften einer höheren Gouvernante war nicht einmal die Gefahr eines Miss-Verständ- nisses sonderlich vorhanden, zumal der geschäftliche Verstand stets die hinreichende Berichtigung und Ausgleichung versprach. So bin ich denn auch mit Miss Archer und ihrer Unter- nehmung ungefähr vier Jahre ausgekommen, ohne mir in Ent- wicklung meiner Ansichten irgend eine Beschränkung aufzulegen. Zunächst wurde den Erwartungen entsprochen und die Unter- nehmerin blieb auch stets ein Echo der Befriedigung des Publi- cums. Der Versuch war günstig ausgefallen und mein Docenten- thum wurde später auch schriftlich als bleibende Stelle bestätigt.

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Zitationshilfe: Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/76>, abgerufen am 29.04.2024.