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Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885.

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die höhere Berufsbildung der Frauen vor einem mindestens zur
Hälfte aus Frauen bestehenden Publicum, unter welchem auch
das Lyceum stark vertreten war. Die Frauenlyceen berührte
ich nur im Vorbeigehen, indem ich darauf hinwies, wie dort
einzelne Bildungswissenschaften gelehrt würden, ohne dass hiebei
eine eigentliche Fachbildung für einen bestimmten Beruf in Frage
käme. Eine Rivalin von Miss Archer, und zwar eine solche,
welche selbst Frauenvereine leitete, hatte diese Stelle des Vor-
trags dahin gedeutet, ich hätte die Schwächen des Lyceums
richtig getroffen, und der Umstand, dass diese Auffassung vielfach
weiter verbreitet wurde, gab meinen Widersachern Gelegenheit,
das, was sie bisher durch anscheinend sachliche Gründe gegen
mich nicht hatten erreichen können, nun durch Reizung der
geschäftlichen Empfindlichkeit der Inhaberin des Lyceums durch-
zusetzen.

Da sich Verhältnisse eines kühleren Benehmens, wie ange-
führt, in früheren Jahren schon angefunden, aber immer wieder
dem Gleichgewicht Platz gemacht hatten, so konnte ich diesmal
darin nichts Besonderes sehen, zumal ich Einiges von der Be-
nehmungsart erst nach Beendigung der Vorträge erfuhr und Miss
Archer mir noch einige Wochen vorher, den von mir vorge-
tragenen Ideen entsprechend, den Vorschlag gemacht hatte, den
grösseren Cursus durch die Vereinigung eines ausgewählten Cirkels
behufs selbstthätiger Arbeit und Discussion zu ergänzen. Ich war
also einigermaassen überrascht, als ich acht Tage nach Beendi-
gung der Vorträge folgende hier in Uebersetzung wiedergegebene
Zuschrift erhielt: "2. Mai 1876. Geehrter Herr! Ich bedauerte
ausserordentlich, gezwungen gewesen zu sein, letzten Mittwoch
bei Ihrer Schlussvorlesung zu fehlen. Hatte zu warten, mein
Dr. Wh. hielt nicht seine Zeit ein, und war ich so gezwungen,
meine gewöhnliche Pflicht zu versäumen.

Schliessen hat immer etwas sehr Schweres (sad) an sich, noch
besonders, wenn es zu einem letzten Schluss kommt. Das Ly-
ceum hat sich der Früchte Ihrer Arbeiten nun eine ganze Reihe
von Jahren erfreut, und für das, was Sie in dieser Zeit gegeben
haben, wünschen wir unsern wärmsten Dank abzustatten. Viele,
wollen wir hoffen (let us hope), haben ihren Vorrath an Kennt-
niss und Ideen vermehrt. Mit vollkommener Hochachtung Archer."

Diese Manier, mich so ganz selbstverständlich zu verab-
schieden, nebst der Phrase vom "wollen wir hoffen" war Angesichts

die höhere Berufsbildung der Frauen vor einem mindestens zur
Hälfte aus Frauen bestehenden Publicum, unter welchem auch
das Lyceum stark vertreten war. Die Frauenlyceen berührte
ich nur im Vorbeigehen, indem ich darauf hinwies, wie dort
einzelne Bildungswissenschaften gelehrt würden, ohne dass hiebei
eine eigentliche Fachbildung für einen bestimmten Beruf in Frage
käme. Eine Rivalin von Miss Archer, und zwar eine solche,
welche selbst Frauenvereine leitete, hatte diese Stelle des Vor-
trags dahin gedeutet, ich hätte die Schwächen des Lyceums
richtig getroffen, und der Umstand, dass diese Auffassung vielfach
weiter verbreitet wurde, gab meinen Widersachern Gelegenheit,
das, was sie bisher durch anscheinend sachliche Gründe gegen
mich nicht hatten erreichen können, nun durch Reizung der
geschäftlichen Empfindlichkeit der Inhaberin des Lyceums durch-
zusetzen.

Da sich Verhältnisse eines kühleren Benehmens, wie ange-
führt, in früheren Jahren schon angefunden, aber immer wieder
dem Gleichgewicht Platz gemacht hatten, so konnte ich diesmal
darin nichts Besonderes sehen, zumal ich Einiges von der Be-
nehmungsart erst nach Beendigung der Vorträge erfuhr und Miss
Archer mir noch einige Wochen vorher, den von mir vorge-
tragenen Ideen entsprechend, den Vorschlag gemacht hatte, den
grösseren Cursus durch die Vereinigung eines ausgewählten Cirkels
behufs selbstthätiger Arbeit und Discussion zu ergänzen. Ich war
also einigermaassen überrascht, als ich acht Tage nach Beendi-
gung der Vorträge folgende hier in Uebersetzung wiedergegebene
Zuschrift erhielt: „2. Mai 1876. Geehrter Herr! Ich bedauerte
ausserordentlich, gezwungen gewesen zu sein, letzten Mittwoch
bei Ihrer Schlussvorlesung zu fehlen. Hatte zu warten, mein
Dr. Wh. hielt nicht seine Zeit ein, und war ich so gezwungen,
meine gewöhnliche Pflicht zu versäumen.

Schliessen hat immer etwas sehr Schweres (sad) an sich, noch
besonders, wenn es zu einem letzten Schluss kommt. Das Ly-
ceum hat sich der Früchte Ihrer Arbeiten nun eine ganze Reihe
von Jahren erfreut, und für das, was Sie in dieser Zeit gegeben
haben, wünschen wir unsern wärmsten Dank abzustatten. Viele,
wollen wir hoffen (let us hope), haben ihren Vorrath an Kennt-
niss und Ideen vermehrt. Mit vollkommener Hochachtung Archer.“

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schieden, nebst der Phrase vom „wollen wir hoffen“ war Angesichts

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[70/0079] die höhere Berufsbildung der Frauen vor einem mindestens zur Hälfte aus Frauen bestehenden Publicum, unter welchem auch das Lyceum stark vertreten war. Die Frauenlyceen berührte ich nur im Vorbeigehen, indem ich darauf hinwies, wie dort einzelne Bildungswissenschaften gelehrt würden, ohne dass hiebei eine eigentliche Fachbildung für einen bestimmten Beruf in Frage käme. Eine Rivalin von Miss Archer, und zwar eine solche, welche selbst Frauenvereine leitete, hatte diese Stelle des Vor- trags dahin gedeutet, ich hätte die Schwächen des Lyceums richtig getroffen, und der Umstand, dass diese Auffassung vielfach weiter verbreitet wurde, gab meinen Widersachern Gelegenheit, das, was sie bisher durch anscheinend sachliche Gründe gegen mich nicht hatten erreichen können, nun durch Reizung der geschäftlichen Empfindlichkeit der Inhaberin des Lyceums durch- zusetzen. Da sich Verhältnisse eines kühleren Benehmens, wie ange- führt, in früheren Jahren schon angefunden, aber immer wieder dem Gleichgewicht Platz gemacht hatten, so konnte ich diesmal darin nichts Besonderes sehen, zumal ich Einiges von der Be- nehmungsart erst nach Beendigung der Vorträge erfuhr und Miss Archer mir noch einige Wochen vorher, den von mir vorge- tragenen Ideen entsprechend, den Vorschlag gemacht hatte, den grösseren Cursus durch die Vereinigung eines ausgewählten Cirkels behufs selbstthätiger Arbeit und Discussion zu ergänzen. Ich war also einigermaassen überrascht, als ich acht Tage nach Beendi- gung der Vorträge folgende hier in Uebersetzung wiedergegebene Zuschrift erhielt: „2. Mai 1876. Geehrter Herr! Ich bedauerte ausserordentlich, gezwungen gewesen zu sein, letzten Mittwoch bei Ihrer Schlussvorlesung zu fehlen. Hatte zu warten, mein Dr. Wh. hielt nicht seine Zeit ein, und war ich so gezwungen, meine gewöhnliche Pflicht zu versäumen. Schliessen hat immer etwas sehr Schweres (sad) an sich, noch besonders, wenn es zu einem letzten Schluss kommt. Das Ly- ceum hat sich der Früchte Ihrer Arbeiten nun eine ganze Reihe von Jahren erfreut, und für das, was Sie in dieser Zeit gegeben haben, wünschen wir unsern wärmsten Dank abzustatten. Viele, wollen wir hoffen (let us hope), haben ihren Vorrath an Kennt- niss und Ideen vermehrt. Mit vollkommener Hochachtung Archer.“ Diese Manier, mich so ganz selbstverständlich zu verab- schieden, nebst der Phrase vom „wollen wir hoffen“ war Angesichts

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Zitationshilfe: Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/79>, abgerufen am 29.04.2024.