Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

kombination, der Statistiker, dass er es mit einer, trotz aller
Zerlegungen immer noch unentwirrbaren Fülle derselben zu
thun haben wird; beide aus der gröberen Kenntnis der Vor-
gänge heraus, die sie bereits besitzen, ehe sie an die feinere
Untersuchung herantreten. Wenn uns aber vorhin das gegen-
wärtige Wissen der Psychologie zu unbestimmt und zu un-
zuverlässig erschien, um daraufhin über die Möglichkeit der
Herstellung konstanter Versuchsbedingungen zu entscheiden, so
wird dasselbe jetzt wohl auch nicht zureichen, um befriedigend
auszumachen, ob wir es in einer gegebenen Gruppe von Fällen
mit einer überall gleichartigen Ursachenkombination zu thun
haben oder mit einer zufällig einmal zusammenwirkenden
Mehrheit von solchen. Es fragt sich daher, können wir viel-
leicht noch durch die Hülfe eines sonstigen Kriteriums über
die Art der Verursachung der Resultate ins klare kommen,
die wir bei der uns möglichen Gleichhaltung der Umstände
gewinnen?

Man muss antworten: nicht mit absoluter Sicherheit, aber
allerdings mit grosser Wahrscheinlichkeit. Ausgehend näm-
lich von Voraussetzungen, welche denjenigen möglichst nahe-
kommen, die bei der Gewinnung physikalischer Durchschnitts-
zahlen verwirklicht werden, hat man die Konsequenzen unter-
sucht, welche sich aus denselben -- ganz unabhängig von der
sachlichen Beschaffenheit der Ursachen -- lediglich für die Lage-
rung der differierenden Einzelwerte um den resultierenden
Mittelwert ergeben. Wiederholte Vergleiche mit thatsächlich ge-
machten Beobachtungen haben gezeigt, dass die Ähnlichkeit
der Voraussetzungen in der That gross genug ist, um zu einer
Übereinstimmung der Folgen zu führen: das Resultat jener
Spekulationen trifft mit grosser Annäherung die Wirklichkeit.
Es besteht darin, dass die Gruppierung einer grösseren Zahl
von Einzelwerten, die durch gleichartige Verursachung unter

kombination, der Statistiker, daſs er es mit einer, trotz aller
Zerlegungen immer noch unentwirrbaren Fülle derselben zu
thun haben wird; beide aus der gröberen Kenntnis der Vor-
gänge heraus, die sie bereits besitzen, ehe sie an die feinere
Untersuchung herantreten. Wenn uns aber vorhin das gegen-
wärtige Wissen der Psychologie zu unbestimmt und zu un-
zuverlässig erschien, um daraufhin über die Möglichkeit der
Herstellung konstanter Versuchsbedingungen zu entscheiden, so
wird dasselbe jetzt wohl auch nicht zureichen, um befriedigend
auszumachen, ob wir es in einer gegebenen Gruppe von Fällen
mit einer überall gleichartigen Ursachenkombination zu thun
haben oder mit einer zufällig einmal zusammenwirkenden
Mehrheit von solchen. Es fragt sich daher, können wir viel-
leicht noch durch die Hülfe eines sonstigen Kriteriums über
die Art der Verursachung der Resultate ins klare kommen,
die wir bei der uns möglichen Gleichhaltung der Umstände
gewinnen?

Man muſs antworten: nicht mit absoluter Sicherheit, aber
allerdings mit groſser Wahrscheinlichkeit. Ausgehend näm-
lich von Voraussetzungen, welche denjenigen möglichst nahe-
kommen, die bei der Gewinnung physikalischer Durchschnitts-
zahlen verwirklicht werden, hat man die Konsequenzen unter-
sucht, welche sich aus denselben — ganz unabhängig von der
sachlichen Beschaffenheit der Ursachen — lediglich für die Lage-
rung der differierenden Einzelwerte um den resultierenden
Mittelwert ergeben. Wiederholte Vergleiche mit thatsächlich ge-
machten Beobachtungen haben gezeigt, daſs die Ähnlichkeit
der Voraussetzungen in der That groſs genug ist, um zu einer
Übereinstimmung der Folgen zu führen: das Resultat jener
Spekulationen trifft mit groſser Annäherung die Wirklichkeit.
Es besteht darin, daſs die Gruppierung einer gröſseren Zahl
von Einzelwerten, die durch gleichartige Verursachung unter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0037" n="21"/>
kombination, der Statistiker, da&#x017F;s er es mit einer, trotz aller<lb/>
Zerlegungen immer noch unentwirrbaren Fülle derselben zu<lb/>
thun haben wird; beide aus der gröberen Kenntnis der Vor-<lb/>
gänge heraus, die sie bereits besitzen, ehe sie an die feinere<lb/>
Untersuchung herantreten. Wenn uns aber vorhin das gegen-<lb/>
wärtige Wissen der Psychologie zu unbestimmt und zu un-<lb/>
zuverlässig erschien, um daraufhin über die Möglichkeit der<lb/>
Herstellung konstanter Versuchsbedingungen zu entscheiden, so<lb/>
wird dasselbe jetzt wohl auch nicht zureichen, um befriedigend<lb/>
auszumachen, ob wir es in einer gegebenen Gruppe von Fällen<lb/>
mit einer überall gleichartigen Ursachenkombination zu thun<lb/>
haben oder mit einer zufällig einmal zusammenwirkenden<lb/>
Mehrheit von solchen. Es fragt sich daher, können wir viel-<lb/>
leicht noch durch die Hülfe eines sonstigen Kriteriums über<lb/>
die Art der Verursachung der Resultate ins klare kommen,<lb/>
die wir bei der uns möglichen Gleichhaltung der Umstände<lb/>
gewinnen?</p><lb/>
          <p>Man mu&#x017F;s antworten: nicht mit absoluter Sicherheit, aber<lb/>
allerdings mit gro&#x017F;ser Wahrscheinlichkeit. Ausgehend näm-<lb/>
lich von Voraussetzungen, welche denjenigen möglichst nahe-<lb/>
kommen, die bei der Gewinnung physikalischer Durchschnitts-<lb/>
zahlen verwirklicht werden, hat man die Konsequenzen unter-<lb/>
sucht, welche sich aus denselben &#x2014; ganz unabhängig von der<lb/>
sachlichen Beschaffenheit der Ursachen &#x2014; lediglich für die Lage-<lb/>
rung der differierenden Einzelwerte um den resultierenden<lb/>
Mittelwert ergeben. Wiederholte Vergleiche mit thatsächlich ge-<lb/>
machten Beobachtungen haben gezeigt, da&#x017F;s die Ähnlichkeit<lb/>
der Voraussetzungen in der That gro&#x017F;s genug ist, um zu einer<lb/>
Übereinstimmung der Folgen zu führen: das Resultat jener<lb/>
Spekulationen trifft mit gro&#x017F;ser Annäherung die Wirklichkeit.<lb/>
Es besteht darin, da&#x017F;s die Gruppierung einer grö&#x017F;seren Zahl<lb/>
von Einzelwerten, die durch gleichartige Verursachung unter<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0037] kombination, der Statistiker, daſs er es mit einer, trotz aller Zerlegungen immer noch unentwirrbaren Fülle derselben zu thun haben wird; beide aus der gröberen Kenntnis der Vor- gänge heraus, die sie bereits besitzen, ehe sie an die feinere Untersuchung herantreten. Wenn uns aber vorhin das gegen- wärtige Wissen der Psychologie zu unbestimmt und zu un- zuverlässig erschien, um daraufhin über die Möglichkeit der Herstellung konstanter Versuchsbedingungen zu entscheiden, so wird dasselbe jetzt wohl auch nicht zureichen, um befriedigend auszumachen, ob wir es in einer gegebenen Gruppe von Fällen mit einer überall gleichartigen Ursachenkombination zu thun haben oder mit einer zufällig einmal zusammenwirkenden Mehrheit von solchen. Es fragt sich daher, können wir viel- leicht noch durch die Hülfe eines sonstigen Kriteriums über die Art der Verursachung der Resultate ins klare kommen, die wir bei der uns möglichen Gleichhaltung der Umstände gewinnen? Man muſs antworten: nicht mit absoluter Sicherheit, aber allerdings mit groſser Wahrscheinlichkeit. Ausgehend näm- lich von Voraussetzungen, welche denjenigen möglichst nahe- kommen, die bei der Gewinnung physikalischer Durchschnitts- zahlen verwirklicht werden, hat man die Konsequenzen unter- sucht, welche sich aus denselben — ganz unabhängig von der sachlichen Beschaffenheit der Ursachen — lediglich für die Lage- rung der differierenden Einzelwerte um den resultierenden Mittelwert ergeben. Wiederholte Vergleiche mit thatsächlich ge- machten Beobachtungen haben gezeigt, daſs die Ähnlichkeit der Voraussetzungen in der That groſs genug ist, um zu einer Übereinstimmung der Folgen zu führen: das Resultat jener Spekulationen trifft mit groſser Annäherung die Wirklichkeit. Es besteht darin, daſs die Gruppierung einer gröſseren Zahl von Einzelwerten, die durch gleichartige Verursachung unter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/37
Zitationshilfe: Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/37>, abgerufen am 03.12.2024.