Sobald übrigens die Richtung dieser Abweichungen von genauer Proportionalität bemerkt wurde, trat bei dem Lernen eine gewisse bewusste Reaktion gegen sie ein.
Endlich zeigte sich noch, dass die wahrscheinlichen Fehler der Zeitbestimmungen verhältnismässig etwas grösser aus- fielen als diejenigen der Wiederholungen. Dieses Verhalten ist wohl verständlich, wenn man sich des vorhin Auseinander- gesetzten erinnert. Bei der Messung der Zeiten müssen die grösseren Werte, die natürlich an den schwierigeren Reihen gewonnen wurden, relativ noch etwas grösser ausfallen als bei Zählung der Wiederholungen, weil sie relativ am meisten durch Stockungen verlängert werden; die kleineren Zeiten umgekehrt werden relativ etwas kleiner sein als die kleineren Anzahlen von Wiederholungen, weil sie im allgemeinen den leichteren Reihen entsprechen werden. Die Streuung der Werte für die Zeiten ist also grösser als die der Werte für die Wiederholungen.
Die Differenzen der beiden Bestimmungsweisen sind, wie man sieht, erheblich genug, um unter Umständen, bei sehr genauen Untersuchungen, zu verschiedenen Resultaten zu führen. Bei den bisher gewonnenen Ergebnissen ist das nicht der Fall; es ist also für das folgende einerlei, ob man sich an die Zahl der Sekunden oder die der Wiederholungen hält.
Welche Art des Messens die richtigere sei, d. h. ein adäquateres Mass der aufgewandten psychischen Arbeit, lässt sich a priori nicht ausmachen. Man kann sagen, die Ein- prägung finde lediglich durch die Wiederholungen statt; sie seien also das, worauf es ankomme; eine stockende Wieder- holung sei ebenso gut wie eine glatt verlaufende nur eine einmalige Vorführung der Reihe, und beide müssten gleich gezählt werden. Allein andererseits kann man doch bezwei- feln, dass die Momente des Besinnens reiner Verlust seien.
Sobald übrigens die Richtung dieser Abweichungen von genauer Proportionalität bemerkt wurde, trat bei dem Lernen eine gewisse bewuſste Reaktion gegen sie ein.
Endlich zeigte sich noch, daſs die wahrscheinlichen Fehler der Zeitbestimmungen verhältnismäſsig etwas gröſser aus- fielen als diejenigen der Wiederholungen. Dieses Verhalten ist wohl verständlich, wenn man sich des vorhin Auseinander- gesetzten erinnert. Bei der Messung der Zeiten müssen die gröſseren Werte, die natürlich an den schwierigeren Reihen gewonnen wurden, relativ noch etwas gröſser ausfallen als bei Zählung der Wiederholungen, weil sie relativ am meisten durch Stockungen verlängert werden; die kleineren Zeiten umgekehrt werden relativ etwas kleiner sein als die kleineren Anzahlen von Wiederholungen, weil sie im allgemeinen den leichteren Reihen entsprechen werden. Die Streuung der Werte für die Zeiten ist also gröſser als die der Werte für die Wiederholungen.
Die Differenzen der beiden Bestimmungsweisen sind, wie man sieht, erheblich genug, um unter Umständen, bei sehr genauen Untersuchungen, zu verschiedenen Resultaten zu führen. Bei den bisher gewonnenen Ergebnissen ist das nicht der Fall; es ist also für das folgende einerlei, ob man sich an die Zahl der Sekunden oder die der Wiederholungen hält.
Welche Art des Messens die richtigere sei, d. h. ein adäquateres Maſs der aufgewandten psychischen Arbeit, läſst sich a priori nicht ausmachen. Man kann sagen, die Ein- prägung finde lediglich durch die Wiederholungen statt; sie seien also das, worauf es ankomme; eine stockende Wieder- holung sei ebenso gut wie eine glatt verlaufende nur eine einmalige Vorführung der Reihe, und beide müſsten gleich gezählt werden. Allein andererseits kann man doch bezwei- feln, daſs die Momente des Besinnens reiner Verlust seien.
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Sobald übrigens die Richtung dieser Abweichungen von
genauer Proportionalität bemerkt wurde, trat bei dem Lernen
eine gewisse bewuſste Reaktion gegen sie ein.
Endlich zeigte sich noch, daſs die wahrscheinlichen Fehler
der Zeitbestimmungen verhältnismäſsig etwas gröſser aus-
fielen als diejenigen der Wiederholungen. Dieses Verhalten
ist wohl verständlich, wenn man sich des vorhin Auseinander-
gesetzten erinnert. Bei der Messung der Zeiten müssen die
gröſseren Werte, die natürlich an den schwierigeren Reihen
gewonnen wurden, relativ noch etwas gröſser ausfallen als bei
Zählung der Wiederholungen, weil sie relativ am meisten
durch Stockungen verlängert werden; die kleineren Zeiten
umgekehrt werden relativ etwas kleiner sein als die kleineren
Anzahlen von Wiederholungen, weil sie im allgemeinen den
leichteren Reihen entsprechen werden. Die Streuung der
Werte für die Zeiten ist also gröſser als die der Werte für
die Wiederholungen.
Die Differenzen der beiden Bestimmungsweisen sind, wie
man sieht, erheblich genug, um unter Umständen, bei sehr
genauen Untersuchungen, zu verschiedenen Resultaten zu
führen. Bei den bisher gewonnenen Ergebnissen ist das nicht
der Fall; es ist also für das folgende einerlei, ob man sich
an die Zahl der Sekunden oder die der Wiederholungen hält.
Welche Art des Messens die richtigere sei, d. h. ein
adäquateres Maſs der aufgewandten psychischen Arbeit, läſst
sich a priori nicht ausmachen. Man kann sagen, die Ein-
prägung finde lediglich durch die Wiederholungen statt; sie
seien also das, worauf es ankomme; eine stockende Wieder-
holung sei ebenso gut wie eine glatt verlaufende nur eine
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feln, daſs die Momente des Besinnens reiner Verlust seien.
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Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/60>, abgerufen am 16.02.2025.
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