Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.
Ein andrer trit hervor, und redet groß von GOtt, Doch seine Vorstellung ist nur der Gottheit Spott; Er mahlt sich die Natur, wie sie zusammen hänget, Als einen Thierleib ab, darin ein GOtt vermenget. Der Höchste sey die Seel, die in der Welt so thront, Wie ein unschränkter Geist, der in dem Leibe wohnt, Der eines Schiksals Macht, die alles blindlings füget, Selbst aus gezwungner Noth mit unterworfen lieget. Und diesem träumet gar, ein zartes Stäubgen Heer, Sey einst in seinem Flug, als wie von ohngefehr, Jn dem verwirrten Drang zusammen so geflogen, Daß sich daraus die Welt, mit schönster Pracht ge- zogen. Vom Schöpfer weis er nicht; ob er von GOtt gleich spricht, So kennt er als ein Thor, doch dieses Wesen nicht. Das sind die Meinungen, das ist der falsche Wahn, Den da der Unverstand, hie Bosheit kund gethan: Auch in der hellen Zeit, da man weit schärfer siehet, Und aus der Finsternis, die Warheitsgründe ziehet, Sind solche Sterbliche, die sich mit vieler Müh, Durch die Vernunft verkehrn, in unvernünftig Vieh: Der will von keinen GOtt, in dem Gedanken wissen, Damit er nicht mit Angst, werd Lebenslang gebissen, Wan er aus Sclaverey in Lasterpfützen wühlt, Und seinem Richterspruch in dem Gewissen fühlt. O! A 2
Ein andrer trit hervor, und redet groß von GOtt, Doch ſeine Vorſtellung iſt nur der Gottheit Spott; Er mahlt ſich die Natur, wie ſie zuſammen haͤnget, Als einen Thierleib ab, darin ein GOtt vermenget. Der Hoͤchſte ſey die Seel, die in der Welt ſo thront, Wie ein unſchraͤnkter Geiſt, der in dem Leibe wohnt, Der eines Schikſals Macht, die alles blindlings fuͤget, Selbſt aus gezwungner Noth mit unterworfen lieget. Und dieſem traͤumet gar, ein zartes Staͤubgen Heer, Sey einſt in ſeinem Flug, als wie von ohngefehr, Jn dem verwirrten Drang zuſammen ſo geflogen, Daß ſich daraus die Welt, mit ſchoͤnſter Pracht ge- zogen. Vom Schoͤpfer weis er nicht; ob er von GOtt gleich ſpricht, So kennt er als ein Thor, doch dieſes Weſen nicht. Das ſind die Meinungen, das iſt der falſche Wahn, Den da der Unverſtand, hie Bosheit kund gethan: Auch in der hellen Zeit, da man weit ſchaͤrfer ſiehet, Und aus der Finſternis, die Warheitsgruͤnde ziehet, Sind ſolche Sterbliche, die ſich mit vieler Muͤh, Durch die Vernunft verkehrn, in unvernuͤnftig Vieh: Der will von keinen GOtt, in dem Gedanken wiſſen, Damit er nicht mit Angſt, werd Lebenslang gebiſſen, Wan er aus Sclaverey in Laſterpfuͤtzen wuͤhlt, Und ſeinem Richterſpruch in dem Gewiſſen fuͤhlt. O! A 2
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Der Atheiſt.
Wer eine Gottheit glaubt, und dabey etwas ſetzet,
Das dieſen Lehrbegriff durch Wiederſpruch verletzet,
Der raͤumt mit ſeinen Mund ein goͤttlich Weſen ein,
Und ſpricht doch, als ein Thor, in ſeinen Hertzen,
nein.
Ein andrer trit hervor, und redet groß von GOtt,
Doch ſeine Vorſtellung iſt nur der Gottheit Spott;
Er mahlt ſich die Natur, wie ſie zuſammen haͤnget,
Als einen Thierleib ab, darin ein GOtt vermenget.
Der Hoͤchſte ſey die Seel, die in der Welt ſo thront,
Wie ein unſchraͤnkter Geiſt, der in dem Leibe wohnt,
Der eines Schikſals Macht, die alles blindlings
fuͤget,
Selbſt aus gezwungner Noth mit unterworfen lieget.
Und dieſem traͤumet gar, ein zartes Staͤubgen Heer,
Sey einſt in ſeinem Flug, als wie von ohngefehr,
Jn dem verwirrten Drang zuſammen ſo geflogen,
Daß ſich daraus die Welt, mit ſchoͤnſter Pracht ge-
zogen.
Vom Schoͤpfer weis er nicht; ob er von GOtt
gleich ſpricht,
So kennt er als ein Thor, doch dieſes Weſen nicht.
Das ſind die Meinungen, das iſt der falſche Wahn,
Den da der Unverſtand, hie Bosheit kund gethan:
Auch in der hellen Zeit, da man weit ſchaͤrfer ſiehet,
Und aus der Finſternis, die Warheitsgruͤnde ziehet,
Sind ſolche Sterbliche, die ſich mit vieler Muͤh,
Durch die Vernunft verkehrn, in unvernuͤnftig Vieh:
Der will von keinen GOtt, in dem Gedanken wiſſen,
Damit er nicht mit Angſt, werd Lebenslang gebiſſen,
Wan er aus Sclaverey in Laſterpfuͤtzen wuͤhlt,
Und ſeinem Richterſpruch in dem Gewiſſen fuͤhlt.
O!
A 2
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