Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.Die vier Jahrszeiten, als ein sinnliches Lehrbild, Gleicht er schon einen Baum, den Wind und Frostentlaubt Und dessen Gipfel kahl; entblößt vom Schmuck und Haaren; So ist das Zeichen da; es soll sein glattes Haupt, Das sich zur Erde neigt, bald in die Grube fahren. Der Winter folgte nach, im Lauf der Jahres Zeit Der Garten, Feld und Wald, mit Reif und Schnee bedeckte Und gleichsam die Natur, ins weisse Todten Kleid, Da sie erstorben war, zu guter letzt, versteckte. Die Welt sah traurig aus; die trüb und dikke Lufft, Lies, da die Sonn entfernt, bey schwartzen Finsternissen Nachhero auf die Erd, als der Gewächse Grufft Ein häuffig tröpfelnd Naß, als ihre Thränen fliessen. Da seh ich, sprach mein Hertz, des Todes Liberey Ein weißes Schlafgewand, darin wird man verhüllet, Jn engen Sarg gelegt, den man mit weichen Heu, Als der Verwesung Bett, bestreut und angefüllet. Das ist der Sterblichen betrübter Lebens Schluß, Wir werden wiederum, dahin wo wir entsprossen, Jn unsrer Mutterschoos, bey Klag und Zähren Guß, Wen unser Leib entseelt, zu guter letzt, verschlossen. Dies schröklich Jammerbild, das beugte meinen Sinn, Jch sah mich selbst daran in die Verwesung senken, Was mich vorher ergötzt, das war auf einmahl hin, So lies der Winter mir mein Sterblichseyn, bedenken. Doch diese Trauerzeit, lief entlich auch vorbey, Der Sonnen warmer Strahl vertrieb den Frost der Erden, Der Schnee schmoltz wieder weg, da sah man alles neu, Und Bäume, Gras und Kraut verneut, lebendig wer- den. Der Frühling stellte uns, das was erstorben war, Und
Die vier Jahrszeiten, als ein ſinnliches Lehrbild, Gleicht er ſchon einen Baum, den Wind und Froſtentlaubt Und deſſen Gipfel kahl; entbloͤßt vom Schmuck und Haaren; So iſt das Zeichen da; es ſoll ſein glattes Haupt, Das ſich zur Erde neigt, bald in die Grube fahren. Der Winter folgte nach, im Lauf der Jahres Zeit Der Garten, Feld und Wald, mit Reif und Schnee bedeckte Und gleichſam die Natur, ins weiſſe Todten Kleid, Da ſie erſtorben war, zu guter letzt, verſteckte. Die Welt ſah traurig aus; die truͤb und dikke Lufft, Lies, da die Sonn entfernt, bey ſchwartzen Finſterniſſen Nachhero auf die Erd, als der Gewaͤchſe Grufft Ein haͤuffig troͤpfelnd Naß, als ihre Thraͤnen flieſſen. Da ſeh ich, ſprach mein Hertz, des Todes Liberey Ein weißes Schlafgewand, darin wird man verhuͤllet, Jn engen Sarg gelegt, den man mit weichen Heu, Als der Verweſung Bett, beſtreut und angefuͤllet. Das iſt der Sterblichen betruͤbter Lebens Schluß, Wir werden wiederum, dahin wo wir entſproſſen, Jn unſrer Mutterſchoos, bey Klag und Zaͤhren Guß, Wen unſer Leib entſeelt, zu guter letzt, verſchloſſen. Dies ſchroͤklich Jammerbild, das beugte meinen Sinn, Jch ſah mich ſelbſt daran in die Verweſung ſenken, Was mich vorher ergoͤtzt, das war auf einmahl hin, So lies der Winter mir mein Sterblichſeyn, bedenken. Doch dieſe Trauerzeit, lief entlich auch vorbey, Der Sonnen warmer Strahl vertrieb den Froſt der Erden, Der Schnee ſchmoltz wieder weg, da ſah man alles neu, Und Baͤume, Gras und Kraut verneut, lebendig wer- den. Der Fruͤhling ſtellte uns, das was erſtorben war, Und
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Die vier Jahrszeiten, als ein ſinnliches Lehrbild,
Gleicht er ſchon einen Baum, den Wind und Froſt
entlaubt
Und deſſen Gipfel kahl; entbloͤßt vom Schmuck und
Haaren;
So iſt das Zeichen da; es ſoll ſein glattes Haupt,
Das ſich zur Erde neigt, bald in die Grube fahren.
Der Winter folgte nach, im Lauf der Jahres Zeit
Der Garten, Feld und Wald, mit Reif und Schnee
bedeckte
Und gleichſam die Natur, ins weiſſe Todten Kleid,
Da ſie erſtorben war, zu guter letzt, verſteckte.
Die Welt ſah traurig aus; die truͤb und dikke Lufft,
Lies, da die Sonn entfernt, bey ſchwartzen Finſterniſſen
Nachhero auf die Erd, als der Gewaͤchſe Grufft
Ein haͤuffig troͤpfelnd Naß, als ihre Thraͤnen flieſſen.
Da ſeh ich, ſprach mein Hertz, des Todes Liberey
Ein weißes Schlafgewand, darin wird man verhuͤllet,
Jn engen Sarg gelegt, den man mit weichen Heu,
Als der Verweſung Bett, beſtreut und angefuͤllet.
Das iſt der Sterblichen betruͤbter Lebens Schluß,
Wir werden wiederum, dahin wo wir entſproſſen,
Jn unſrer Mutterſchoos, bey Klag und Zaͤhren Guß,
Wen unſer Leib entſeelt, zu guter letzt, verſchloſſen.
Dies ſchroͤklich Jammerbild, das beugte meinen Sinn,
Jch ſah mich ſelbſt daran in die Verweſung ſenken,
Was mich vorher ergoͤtzt, das war auf einmahl hin,
So lies der Winter mir mein Sterblichſeyn, bedenken.
Doch dieſe Trauerzeit, lief entlich auch vorbey,
Der Sonnen warmer Strahl vertrieb den Froſt der
Erden,
Der Schnee ſchmoltz wieder weg, da ſah man alles neu,
Und Baͤume, Gras und Kraut verneut, lebendig wer-
den.
Der Fruͤhling ſtellte uns, das was erſtorben war,
Und
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