Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.Gedanken über ein faules So geht es überall, es wird manch Ding der Welt,Jm Traum der Einbildung, uns herrlich vorgestellt, Wenn es mit falschen Schein, als wie mit Dunst umsponnen; Wenn mans vernünftig sieht, ist es in Nichts zer- ronnen. Wie mancher Mensche ist, der sich in Schmuk und Pracht, Der Welt vor Augen stellt, und sich recht herrlich macht? Er glänzet wie die Sonn, und funkelt wie die Sterne, Doch nur, wenn unser Aug geblendet, durch die Ferne. Sehn wir ihn in der Näh; ist er ein faules Holz, Der Glanz den er abstrahlt, ist nur ein eitler Stolz, Von aussen güldner Schmuk von innen faule Kno- chen, Die wie ein mürbes Holz gar leicht zermalmt, zer- brochen. Das faule Holz mahlt schön ein übertünchtes Grab, Und einen Heuchel-Christ, mit seinen Wandel ab. Ein Schein-Christ brennt gleichsam, von lauter heil- gen Flammen, Die ohne Feur und Kraft, aus kalten Herzen stammen. Er glänzt von aussen schön, ist eifrig im Gebet, Wenn er zu seinem GOtt mit andern Menschen fleht. Der Andacht äusrer Schein, der strahlt aus sei- nem Mienen; Doch ohne inre Glut. Will er dem Höchsten dienen, So dienet er sich selbst, und legt auf dem Altar, Zu seinen eignen Ruhm, der Falschheit Opfer dar. Er
Gedanken uͤber ein faules So geht es uͤberall, es wird manch Ding der Welt,Jm Traum der Einbildung, uns herrlich vorgeſtellt, Wenn es mit falſchen Schein, als wie mit Dunſt umſponnen; Wenn mans vernuͤnftig ſieht, iſt es in Nichts zer- ronnen. Wie mancher Menſche iſt, der ſich in Schmuk und Pracht, Der Welt vor Augen ſtellt, und ſich recht herrlich macht? Er glaͤnzet wie die Sonn, und funkelt wie die Sterne, Doch nur, wenn unſer Aug geblendet, durch die Ferne. Sehn wir ihn in der Naͤh; iſt er ein faules Holz, Der Glanz den er abſtrahlt, iſt nur ein eitler Stolz, Von auſſen guͤldner Schmuk von innen faule Kno- chen, Die wie ein muͤrbes Holz gar leicht zermalmt, zer- brochen. Das faule Holz mahlt ſchoͤn ein uͤbertuͤnchtes Grab, Und einen Heuchel-Chriſt, mit ſeinen Wandel ab. Ein Schein-Chriſt brennt gleichſam, von lauter heil- gen Flammen, Die ohne Feur und Kraft, aus kalten Herzen ſtammen. Er glaͤnzt von auſſen ſchoͤn, iſt eifrig im Gebet, Wenn er zu ſeinem GOtt mit andern Menſchen fleht. Der Andacht aͤuſrer Schein, der ſtrahlt aus ſei- nem Mienen; Doch ohne inre Glut. Will er dem Hoͤchſten dienen, So dienet er ſich ſelbſt, und legt auf dem Altar, Zu ſeinen eignen Ruhm, der Falſchheit Opfer dar. Er
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Gedanken uͤber ein faules
So geht es uͤberall, es wird manch Ding der Welt,
Jm Traum der Einbildung, uns herrlich vorgeſtellt,
Wenn es mit falſchen Schein, als wie mit Dunſt
umſponnen;
Wenn mans vernuͤnftig ſieht, iſt es in Nichts zer-
ronnen.
Wie mancher Menſche iſt, der ſich in Schmuk und
Pracht,
Der Welt vor Augen ſtellt, und ſich recht herrlich
macht?
Er glaͤnzet wie die Sonn, und funkelt wie die
Sterne,
Doch nur, wenn unſer Aug geblendet, durch die
Ferne.
Sehn wir ihn in der Naͤh; iſt er ein faules Holz,
Der Glanz den er abſtrahlt, iſt nur ein eitler Stolz,
Von auſſen guͤldner Schmuk von innen faule Kno-
chen,
Die wie ein muͤrbes Holz gar leicht zermalmt, zer-
brochen.
Das faule Holz mahlt ſchoͤn ein uͤbertuͤnchtes Grab,
Und einen Heuchel-Chriſt, mit ſeinen Wandel ab.
Ein Schein-Chriſt brennt gleichſam, von lauter heil-
gen Flammen,
Die ohne Feur und Kraft, aus kalten Herzen
ſtammen.
Er glaͤnzt von auſſen ſchoͤn, iſt eifrig im Gebet,
Wenn er zu ſeinem GOtt mit andern Menſchen
fleht.
Der Andacht aͤuſrer Schein, der ſtrahlt aus ſei-
nem Mienen;
Doch ohne inre Glut. Will er dem Hoͤchſten dienen,
So dienet er ſich ſelbſt, und legt auf dem Altar,
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