Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.
Wo Wuth und Rachbegierde funkeln, Da muß sich der Verstand verdunkeln, Und wo das Licht der Seelen fehlt, Da wird nie guter Rath gewählt: Wo die Affecten Meister spielen, Da wird man nie den Zwek erzielen, Man drükt den Pfeil ins eigne Herz, Und macht sich selber Gram und Schmerz, Und wenn wir uns selbst zitternd machen, So kan der Feind uns frei auslachen. Bedenket dies bei euren Pochen, Und laßt zuerst das Blut verkochen, Das siedend in den Adern brennt, Eh ihr den Feind entgegen rennt. Und von der Leidenschaft befreiet, So thuet, was euch nie gereuet; Was euch als wahre Christen ziert, Die sanfte Neigung nur regiert: Erstikket durch des Geistes Triebe Den Zorn, erregt das Feur der Liebe. Jhr müßt, wenn eure Adern schwellen, Euch erst vor einem Spiegel stellen; So wird die Feuerrothe Wut, Eh sie den Nächsten Schaden thut Von
Wo Wuth und Rachbegierde funkeln, Da muß ſich der Verſtand verdunkeln, Und wo das Licht der Seelen fehlt, Da wird nie guter Rath gewaͤhlt: Wo die Affecten Meiſter ſpielen, Da wird man nie den Zwek erzielen, Man druͤkt den Pfeil ins eigne Herz, Und macht ſich ſelber Gram und Schmerz, Und wenn wir uns ſelbſt zitternd machen, So kan der Feind uns frei auslachen. Bedenket dies bei euren Pochen, Und laßt zuerſt das Blut verkochen, Das ſiedend in den Adern brennt, Eh ihr den Feind entgegen rennt. Und von der Leidenſchaft befreiet, So thuet, was euch nie gereuet; Was euch als wahre Chriſten ziert, Die ſanfte Neigung nur regiert: Erſtikket durch des Geiſtes Triebe Den Zorn, erregt das Feur der Liebe. Jhr muͤßt, wenn eure Adern ſchwellen, Euch erſt vor einem Spiegel ſtellen; So wird die Feuerrothe Wut, Eh ſie den Naͤchſten Schaden thut Von
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Der Zorn.
O! merket dies bei euren Raſen,
Und ſtilt das Schnauben eurer Naſen,
Die Sanftmuth beſſert nur allein,
Und wer gedenkt ein Held zu ſeyn,
Der muß ſich erſt darauf beſinnen,
Wie er am beſten kan gewinnen.
Wo Wuth und Rachbegierde funkeln,
Da muß ſich der Verſtand verdunkeln,
Und wo das Licht der Seelen fehlt,
Da wird nie guter Rath gewaͤhlt:
Wo die Affecten Meiſter ſpielen,
Da wird man nie den Zwek erzielen,
Man druͤkt den Pfeil ins eigne Herz,
Und macht ſich ſelber Gram und Schmerz,
Und wenn wir uns ſelbſt zitternd machen,
So kan der Feind uns frei auslachen.
Bedenket dies bei euren Pochen,
Und laßt zuerſt das Blut verkochen,
Das ſiedend in den Adern brennt,
Eh ihr den Feind entgegen rennt.
Und von der Leidenſchaft befreiet,
So thuet, was euch nie gereuet;
Was euch als wahre Chriſten ziert,
Die ſanfte Neigung nur regiert:
Erſtikket durch des Geiſtes Triebe
Den Zorn, erregt das Feur der Liebe.
Jhr muͤßt, wenn eure Adern ſchwellen,
Euch erſt vor einem Spiegel ſtellen;
So wird die Feuerrothe Wut,
Eh ſie den Naͤchſten Schaden thut
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