Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.Die heilige Garten-Schule Wir sehen hier in schönster Ründe, Der einen förmliche Gestalt, Als wenn darum ein Zirkel stünde, Wornach die wachsende Gewalt, Jn dem Entwikkeln sich gerichtet. Da spriessen lauter Herzen aus Hie sind die Blätter glatt geschichtet; Da Zungenförmig, rollend, kraus; Dort hängen weisse Silberglokken, Hie seh ich, deucht mir, gelbe Lokken. Da sehe ich gemahlte Köcher, Dort die gespizten Pfriemen gleich; Hie sind gewachsne Silber-Becher Die innerlich an Golde reich: Da hängen Diamantne Ringe Hie Kronen, Kerzen, und was mehr Vor wollgestalte Wunder-Dinge, Der Schöpfer sich zu seiner Ehr, Als Bilder der Natur geschnizzet, Woraus der Weisheits-Schimmer blizzet. Wie geht das zu, erfahrne Weise! Sagt mir, des Saamens Einrichtung, Beschreibt das künstliche Gehäuse, Und die verborgne Wikkelung Des Keimgens, der aus Zwiebeln gehet, Und seinen Nahrungssaft geniest, Sich regend in die Höhe drehet, Und solche Wunder-Formen spriest? Jhr schweigt und last die Blumen lehren: Was unerforschlich doch zu ehren. Wir
Die heilige Garten-Schule Wir ſehen hier in ſchoͤnſter Ruͤnde, Der einen foͤrmliche Geſtalt, Als wenn darum ein Zirkel ſtuͤnde, Wornach die wachſende Gewalt, Jn dem Entwikkeln ſich gerichtet. Da ſprieſſen lauter Herzen aus Hie ſind die Blaͤtter glatt geſchichtet; Da Zungenfoͤrmig, rollend, kraus; Dort haͤngen weiſſe Silberglokken, Hie ſeh ich, deucht mir, gelbe Lokken. Da ſehe ich gemahlte Koͤcher, Dort die geſpizten Pfriemen gleich; Hie ſind gewachſne Silber-Becher Die innerlich an Golde reich: Da haͤngen Diamantne Ringe Hie Kronen, Kerzen, und was mehr Vor wollgeſtalte Wunder-Dinge, Der Schoͤpfer ſich zu ſeiner Ehr, Als Bilder der Natur geſchnizzet, Woraus der Weisheits-Schimmer blizzet. Wie geht das zu, erfahrne Weiſe! Sagt mir, des Saamens Einrichtung, Beſchreibt das kuͤnſtliche Gehaͤuſe, Und die verborgne Wikkelung Des Keimgens, der aus Zwiebeln gehet, Und ſeinen Nahrungsſaft genieſt, Sich regend in die Hoͤhe drehet, Und ſolche Wunder-Formen ſprieſt? Jhr ſchweigt und laſt die Blumen lehren: Was unerforſchlich doch zu ehren. Wir
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Die heilige Garten-Schule
Wir ſehen hier in ſchoͤnſter Ruͤnde,
Der einen foͤrmliche Geſtalt,
Als wenn darum ein Zirkel ſtuͤnde,
Wornach die wachſende Gewalt,
Jn dem Entwikkeln ſich gerichtet.
Da ſprieſſen lauter Herzen aus
Hie ſind die Blaͤtter glatt geſchichtet;
Da Zungenfoͤrmig, rollend, kraus;
Dort haͤngen weiſſe Silberglokken,
Hie ſeh ich, deucht mir, gelbe Lokken.
Da ſehe ich gemahlte Koͤcher,
Dort die geſpizten Pfriemen gleich;
Hie ſind gewachſne Silber-Becher
Die innerlich an Golde reich:
Da haͤngen Diamantne Ringe
Hie Kronen, Kerzen, und was mehr
Vor wollgeſtalte Wunder-Dinge,
Der Schoͤpfer ſich zu ſeiner Ehr,
Als Bilder der Natur geſchnizzet,
Woraus der Weisheits-Schimmer blizzet.
Wie geht das zu, erfahrne Weiſe!
Sagt mir, des Saamens Einrichtung,
Beſchreibt das kuͤnſtliche Gehaͤuſe,
Und die verborgne Wikkelung
Des Keimgens, der aus Zwiebeln gehet,
Und ſeinen Nahrungsſaft genieſt,
Sich regend in die Hoͤhe drehet,
Und ſolche Wunder-Formen ſprieſt?
Jhr ſchweigt und laſt die Blumen lehren:
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