Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.Die heilige Garten-Schule Wir mögen auf der grünen Stangen, Als unsrer Blüten steiffen Thron, Mit noch so grossen Ansehn prangen, Wir müssen doch zulezt davon. Wie gehts euch anders Potentaten Die ihr auf hohen Thronen blizt Umringt von Mauren und Soldaten, Womit ihr eure Pracht beschüzt? Der Tod durchwühlt die Eingeweide Ob ihr gleich stekt in Purpurkleide. Wenn Schönheit einen Freibrief hätte, Vor nichtiger Vergänglichkeit; So wären unsre Blumen Bette, Gewis von Untergang befreit: Jedoch die Schönsten sind nicht minder, Dem Untergang, wie andre nah; Jhr blühet eitle Menschen Kinder, Wie bald ist euer Ende da; Wir wissen nicht wie lang wir stehen, Jhr auch nicht, wenn ihr solt vergehen. So ähnlich sind wir nach dem Leben, So ähnlich auch in dem Vergehn, Da wir euch stets ein Beispiel geben, Wie bald es sei um euch geschehn. Uns raft auf einmahl aus den Wege, Der Wolkenbrüche strenge Flut, Wenn Donner, Bliz, und Hagelschläge Mit ihrer stürmerischen Wut, Mit ihren ausgelaßnen Wettern, Uns, ohne Aufenthalt zerschmettern. Es
Die heilige Garten-Schule Wir moͤgen auf der gruͤnen Stangen, Als unſrer Bluͤten ſteiffen Thron, Mit noch ſo groſſen Anſehn prangen, Wir muͤſſen doch zulezt davon. Wie gehts euch anders Potentaten Die ihr auf hohen Thronen blizt Umringt von Mauren und Soldaten, Womit ihr eure Pracht beſchuͤzt? Der Tod durchwuͤhlt die Eingeweide Ob ihr gleich ſtekt in Purpurkleide. Wenn Schoͤnheit einen Freibrief haͤtte, Vor nichtiger Vergaͤnglichkeit; So waͤren unſre Blumen Bette, Gewis von Untergang befreit: Jedoch die Schoͤnſten ſind nicht minder, Dem Untergang, wie andre nah; Jhr bluͤhet eitle Menſchen Kinder, Wie bald iſt euer Ende da; Wir wiſſen nicht wie lang wir ſtehen, Jhr auch nicht, wenn ihr ſolt vergehen. So aͤhnlich ſind wir nach dem Leben, So aͤhnlich auch in dem Vergehn, Da wir euch ſtets ein Beiſpiel geben, Wie bald es ſei um euch geſchehn. Uns raft auf einmahl aus den Wege, Der Wolkenbruͤche ſtrenge Flut, Wenn Donner, Bliz, und Hagelſchlaͤge Mit ihrer ſtuͤrmeriſchen Wut, Mit ihren ausgelaßnen Wettern, Uns, ohne Aufenthalt zerſchmettern. Es
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Die heilige Garten-Schule
Wir moͤgen auf der gruͤnen Stangen,
Als unſrer Bluͤten ſteiffen Thron,
Mit noch ſo groſſen Anſehn prangen,
Wir muͤſſen doch zulezt davon.
Wie gehts euch anders Potentaten
Die ihr auf hohen Thronen blizt
Umringt von Mauren und Soldaten,
Womit ihr eure Pracht beſchuͤzt?
Der Tod durchwuͤhlt die Eingeweide
Ob ihr gleich ſtekt in Purpurkleide.
Wenn Schoͤnheit einen Freibrief haͤtte,
Vor nichtiger Vergaͤnglichkeit;
So waͤren unſre Blumen Bette,
Gewis von Untergang befreit:
Jedoch die Schoͤnſten ſind nicht minder,
Dem Untergang, wie andre nah;
Jhr bluͤhet eitle Menſchen Kinder,
Wie bald iſt euer Ende da;
Wir wiſſen nicht wie lang wir ſtehen,
Jhr auch nicht, wenn ihr ſolt vergehen.
So aͤhnlich ſind wir nach dem Leben,
So aͤhnlich auch in dem Vergehn,
Da wir euch ſtets ein Beiſpiel geben,
Wie bald es ſei um euch geſchehn.
Uns raft auf einmahl aus den Wege,
Der Wolkenbruͤche ſtrenge Flut,
Wenn Donner, Bliz, und Hagelſchlaͤge
Mit ihrer ſtuͤrmeriſchen Wut,
Mit ihren ausgelaßnen Wettern,
Uns, ohne Aufenthalt zerſchmettern.
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Zitationshilfe: | Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen02_1747/80>, abgerufen am 16.02.2025. |