Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.Die heilige Garten-Schule So können wir an dem Verwesen, Der Blumen unsre Nichtigkeit, Als wie in einem Spiegel lesen; So zeigt die Lenz und Sommerzeit, Wie viele in den Frühlings-Jahren, Des blassen Todes kalte Hand, Jn ihrer besten Blüt erfahren, Und wie kein Ansehn, Pracht und Stand, Uns von des Grabes kalten Bette, Und der Vermoderung errette. Jhr Menschen die ihr euch verwöhnet, Gefällt euch diese Lehr-Art nicht, Wenn euch die Blume, die euch krönet, Zualeich von Tod und Grabe spricht? O zittert nicht vor diesen Lehren, Davor sonst die Natur erstarrt, Jhr könnt im künftgen Frühling hören Daß sie nur kurze Zeit verscharrt, Und daß die Allmacht ihre Floren, Verjüngt und wieder neu gebohren. Jhr glaubt die Blumen sind verflogen, Der Staub sey in ein Nichts verweht, Jhr irrt, sie sind uns nur entzogen, Bis daß die Winterszeit vergeht: Da blühen sie aus ihren Saamen, Daraus sie gleichsam auferstehn Und lassen uns in grünen Rahmen, Jhr eingefaßtes Bildnis sehn: Dann können sie die Lehre geben, Der Mensch der stirbt, wird wieder leben. O!
Die heilige Garten-Schule So koͤnnen wir an dem Verweſen, Der Blumen unſre Nichtigkeit, Als wie in einem Spiegel leſen; So zeigt die Lenz und Sommerzeit, Wie viele in den Fruͤhlings-Jahren, Des blaſſen Todes kalte Hand, Jn ihrer beſten Bluͤt erfahren, Und wie kein Anſehn, Pracht und Stand, Uns von des Grabes kalten Bette, Und der Vermoderung errette. Jhr Menſchen die ihr euch verwoͤhnet, Gefaͤllt euch dieſe Lehr-Art nicht, Wenn euch die Blume, die euch kroͤnet, Zualeich von Tod und Grabe ſpricht? O zittert nicht vor dieſen Lehren, Davor ſonſt die Natur erſtarrt, Jhr koͤnnt im kuͤnftgen Fruͤhling hoͤren Daß ſie nur kurze Zeit verſcharrt, Und daß die Allmacht ihre Floren, Verjuͤngt und wieder neu gebohren. Jhr glaubt die Blumen ſind verflogen, Der Staub ſey in ein Nichts verweht, Jhr irrt, ſie ſind uns nur entzogen, Bis daß die Winterszeit vergeht: Da bluͤhen ſie aus ihren Saamen, Daraus ſie gleichſam auferſtehn Und laſſen uns in gruͤnen Rahmen, Jhr eingefaßtes Bildnis ſehn: Dann koͤnnen ſie die Lehre geben, Der Menſch der ſtirbt, wird wieder leben. O!
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Die heilige Garten-Schule
So koͤnnen wir an dem Verweſen,
Der Blumen unſre Nichtigkeit,
Als wie in einem Spiegel leſen;
So zeigt die Lenz und Sommerzeit,
Wie viele in den Fruͤhlings-Jahren,
Des blaſſen Todes kalte Hand,
Jn ihrer beſten Bluͤt erfahren,
Und wie kein Anſehn, Pracht und Stand,
Uns von des Grabes kalten Bette,
Und der Vermoderung errette.
Jhr Menſchen die ihr euch verwoͤhnet,
Gefaͤllt euch dieſe Lehr-Art nicht,
Wenn euch die Blume, die euch kroͤnet,
Zualeich von Tod und Grabe ſpricht?
O zittert nicht vor dieſen Lehren,
Davor ſonſt die Natur erſtarrt,
Jhr koͤnnt im kuͤnftgen Fruͤhling hoͤren
Daß ſie nur kurze Zeit verſcharrt,
Und daß die Allmacht ihre Floren,
Verjuͤngt und wieder neu gebohren.
Jhr glaubt die Blumen ſind verflogen,
Der Staub ſey in ein Nichts verweht,
Jhr irrt, ſie ſind uns nur entzogen,
Bis daß die Winterszeit vergeht:
Da bluͤhen ſie aus ihren Saamen,
Daraus ſie gleichſam auferſtehn
Und laſſen uns in gruͤnen Rahmen,
Jhr eingefaßtes Bildnis ſehn:
Dann koͤnnen ſie die Lehre geben,
Der Menſch der ſtirbt, wird wieder leben.
O!
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Zitationshilfe: | Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen02_1747/82>, abgerufen am 16.02.2025. |