Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.Die Mäßigkeit. Und der Begierden Reiz durch kein Gesez umdämmen.Soll aber euer Trieb nicht auf die Wollust gehn, So müßt ihr jederzeit auf solche Mittel sehn, Wodurch der rege Geist der gern derselben fröhnet, Wird von der Fleischeskost der Sinnen abgewöh- net. Die Weisen geben uns auch schöne Regeln an, Davon die eine heist: Mach dir stets unter- than Die Fleischliche Begier, die aus Egyptens Töpfen, Stat süssen Himmelbrodts, will Fleisch und Knob- lauch schöpfen. Wo der Verstand regiert, Vernunfft das Scepter hält, Da ist die Residenz wo ihren Hofstaat hält, Die keusche Mäsigkeit. Die Seele ist verdorben, Wenn die Begierden sich das Regiment erworben; Weil sie mit Ungestüm, mit rauschender Gewalt Als eine Wirbelfluht, ohn allen Auffenthalt Den Willen dahin ziehn, wohin ihr Trieb sich neiget Der als ein Sclave sich ins Joch geduldig beuget. Drum ist die Regel gut: Man zähme den Affect, Eh er die rege Wuth in unsern Fleisch voll- strekt: Man zäume ihm recht fest; sonst wird er sich erregen, Und ehe man es meint den Zügel uns anlegen. Die Weisen welche sich mit rechten Ernst bemühn, Das menschliche Geschlecht den Lastern zu entziehn, Die geben auch den Rath: Man muß den Geist vergnügen, Durch eine reine Lust, wenn ihn nicht soll besiegen, Die schnöde Völlerei. Der Rath ist warlich gut, Weil R 3
Die Maͤßigkeit. Und der Begierden Reiz durch kein Geſez umdaͤmmen.Soll aber euer Trieb nicht auf die Wolluſt gehn, So muͤßt ihr jederzeit auf ſolche Mittel ſehn, Wodurch der rege Geiſt der gern derſelben froͤhnet, Wird von der Fleiſcheskoſt der Sinnen abgewoͤh- net. Die Weiſen geben uns auch ſchoͤne Regeln an, Davon die eine heiſt: Mach dir ſtets unter- than Die Fleiſchliche Begier, die aus Egyptens Toͤpfen, Stat ſuͤſſen Himmelbrodts, will Fleiſch und Knob- lauch ſchoͤpfen. Wo der Verſtand regiert, Vernunfft das Scepter haͤlt, Da iſt die Reſidenz wo ihren Hofſtaat haͤlt, Die keuſche Maͤſigkeit. Die Seele iſt verdorben, Wenn die Begierden ſich das Regiment erworben; Weil ſie mit Ungeſtuͤm, mit rauſchender Gewalt Als eine Wirbelfluht, ohn allen Auffenthalt Den Willen dahin ziehn, wohin ihr Trieb ſich neiget Der als ein Sclave ſich ins Joch geduldig beuget. Drum iſt die Regel gut: Man zaͤhme den Affect, Eh er die rege Wuth in unſern Fleiſch voll- ſtrekt: Man zaͤume ihm recht feſt; ſonſt wird er ſich erregen, Und ehe man es meint den Zuͤgel uns anlegen. Die Weiſen welche ſich mit rechten Ernſt bemuͤhn, Das menſchliche Geſchlecht den Laſtern zu entziehn, Die geben auch den Rath: Man muß den Geiſt vergnuͤgen, Durch eine reine Luſt, wenn ihn nicht ſoll beſiegen, Die ſchnoͤde Voͤllerei. Der Rath iſt warlich gut, Weil R 3
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Die Maͤßigkeit.
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Soll aber euer Trieb nicht auf die Wolluſt gehn,
So muͤßt ihr jederzeit auf ſolche Mittel ſehn,
Wodurch der rege Geiſt der gern derſelben froͤhnet,
Wird von der Fleiſcheskoſt der Sinnen abgewoͤh-
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Die Fleiſchliche Begier, die aus Egyptens
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Stat ſuͤſſen Himmelbrodts, will Fleiſch und Knob-
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Wo der Verſtand regiert, Vernunfft das Scepter
haͤlt,
Da iſt die Reſidenz wo ihren Hofſtaat haͤlt,
Die keuſche Maͤſigkeit. Die Seele iſt verdorben,
Wenn die Begierden ſich das Regiment erworben;
Weil ſie mit Ungeſtuͤm, mit rauſchender Gewalt
Als eine Wirbelfluht, ohn allen Auffenthalt
Den Willen dahin ziehn, wohin ihr Trieb ſich neiget
Der als ein Sclave ſich ins Joch geduldig beuget.
Drum iſt die Regel gut: Man zaͤhme den Affect,
Eh er die rege Wuth in unſern Fleiſch voll-
ſtrekt:
Man zaͤume ihm recht feſt; ſonſt wird er ſich erregen,
Und ehe man es meint den Zuͤgel uns anlegen.
Die Weiſen welche ſich mit rechten Ernſt bemuͤhn,
Das menſchliche Geſchlecht den Laſtern zu entziehn,
Die geben auch den Rath: Man muß den Geiſt
vergnuͤgen,
Durch eine reine Luſt, wenn ihn nicht ſoll
beſiegen,
Die ſchnoͤde Voͤllerei. Der Rath iſt warlich gut,
Weil
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