Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.Das vergebliche Wünschen. Den jene graue Welt in ihren Schut vergraben.Dem Wissenschafft gefällt, der strebet nur allein, Daß er Besizer könn von allen Büchern seyn, Die jemahls ausgehekt; Er meint er sey genesen, Wenn er mehr Vorrath hat, als er wird können lesen. Der Menschen Wunsch also und sein begierger Sinn, Der richtet sich auch stets nach solchen Ziele hin, Wohin die Neigung geht: und wenn man eitel denket; So wird die Neigung auch zum eitlen Zwek gelenket. Wer das erhalten hat, wornach er sich gesehnt, Der findet allemahl, wie sich sein Wunsch aus- dehnt: Wer hundert Thaler nur vorhero haben wollen, Darin sich die Begier und Neigung stillen sollen, Der wünscht nunmehro zwei, er sezt sich das zum Ziel Und wenn er die erlangt, wünscht er noch eins so viel, Und das geht immer fort; So ists mit andern Dingen, Wornach die Menschen stets, in heissen Wünschen ringen. So bald sie es erlangt; so ist bei dem Genus Auch jederzeit verknüpft der Sache Ueberdruß; Wer die Zufriedenheit in Wünschen will erjagen, Der wird sich wie im Traum mit falschen Bildern plagen: Was König Salomo mit klugen Wiz erkant, Daß diese Unterwelt der Eitelkeiten Land, Bestätigen die auch die nur in Wünschen träumen, Und bei der Einbildung das wahre Heil versäumen. Lob-
Das vergebliche Wuͤnſchen. Den jene graue Welt in ihren Schut vergraben.Dem Wiſſenſchafft gefaͤllt, der ſtrebet nur allein, Daß er Beſizer koͤnn von allen Buͤchern ſeyn, Die jemahls ausgehekt; Er meint er ſey geneſen, Wenn er mehr Vorrath hat, als er wird koͤnnen leſen. Der Menſchen Wunſch alſo und ſein begierger Sinn, Der richtet ſich auch ſtets nach ſolchen Ziele hin, Wohin die Neigung geht: und wenn man eitel denket; So wird die Neigung auch zum eitlen Zwek gelenket. Wer das erhalten hat, wornach er ſich geſehnt, Der findet allemahl, wie ſich ſein Wunſch aus- dehnt: Wer hundert Thaler nur vorhero haben wollen, Darin ſich die Begier und Neigung ſtillen ſollen, Der wuͤnſcht nunmehro zwei, er ſezt ſich das zum Ziel Und wenn er die erlangt, wuͤnſcht er noch eins ſo viel, Und das geht immer fort; So iſts mit andern Dingen, Wornach die Menſchen ſtets, in heiſſen Wuͤnſchen ringen. So bald ſie es erlangt; ſo iſt bei dem Genus Auch jederzeit verknuͤpft der Sache Ueberdruß; Wer die Zufriedenheit in Wuͤnſchen will erjagen, Der wird ſich wie im Traum mit falſchen Bildern plagen: Was Koͤnig Salomo mit klugen Wiz erkant, Daß dieſe Unterwelt der Eitelkeiten Land, Beſtaͤtigen die auch die nur in Wuͤnſchen traͤumen, Und bei der Einbildung das wahre Heil verſaͤumen. Lob-
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Das vergebliche Wuͤnſchen.
Den jene graue Welt in ihren Schut vergraben.
Dem Wiſſenſchafft gefaͤllt, der ſtrebet nur allein,
Daß er Beſizer koͤnn von allen Buͤchern ſeyn,
Die jemahls ausgehekt; Er meint er ſey geneſen,
Wenn er mehr Vorrath hat, als er wird koͤnnen
leſen.
Der Menſchen Wunſch alſo und ſein begierger
Sinn,
Der richtet ſich auch ſtets nach ſolchen Ziele hin,
Wohin die Neigung geht: und wenn man eitel denket;
So wird die Neigung auch zum eitlen Zwek gelenket.
Wer das erhalten hat, wornach er ſich geſehnt,
Der findet allemahl, wie ſich ſein Wunſch aus-
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Wer hundert Thaler nur vorhero haben wollen,
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Der wuͤnſcht nunmehro zwei, er ſezt ſich das zum
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Und das geht immer fort; So iſts mit andern Dingen,
Wornach die Menſchen ſtets, in heiſſen Wuͤnſchen
ringen.
So bald ſie es erlangt; ſo iſt bei dem Genus
Auch jederzeit verknuͤpft der Sache Ueberdruß;
Wer die Zufriedenheit in Wuͤnſchen will erjagen,
Der wird ſich wie im Traum mit falſchen Bildern
plagen:
Was Koͤnig Salomo mit klugen Wiz erkant,
Daß dieſe Unterwelt der Eitelkeiten Land,
Beſtaͤtigen die auch die nur in Wuͤnſchen traͤumen,
Und bei der Einbildung das wahre Heil verſaͤumen.
Lob-
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